Ausschnitt aus dem Buch "EIN QUANTUM BOND" (2020; NEUAUFLAGE): Kapitel "James Bond 007: Skyfall"

 

James Bond 007: Skyfall (2012)

 (Originaltitel: Skyfall; Regie: Sam Mendes)

 

 

 „Skyfall“ ist eine große britische Bulldogge von Film

 

 (aus einer von Kate Muir geschriebenen Skyfall-Rezension, erschienen im Oktober 2012 in der Times; im Original lautet der Satz: „Skyfall is a great British bulldog of a movie“; der Satz ist auch eine Anspielung auf die Bulldoggen-Statue, die den Schreibtisch von „M“ Judi Dench in Skyfall ziert und die sie Bond am Ende quasi testamentarisch vererbt, obwohl ihm die Statue, wie er im Film einmal betont, nicht gefällt; die Bulldogge mit Union Jack-Mantel ist ein Produkt der britischen Traditionsfirma Royal Doulton, wurde „Jack“ getauft und war in Großbritannien einige Zeit lang ein beliebter 007-Merchandising-Artikel)

 

 

 „[…] and (apart from early Connery), nobody does it better than Daniel Craig

 

  (wiederum aus der Skyfall-Rezension von Kate Muir in der Times vom 13. Oktober 2012)

 

 

 This is the end

 

Hold your breath and count to ten

 

 Feel the earth move and then

 

 Hear my heart burst again

 […]

 

 Let the sky fall

When it crumbles

We will stand tall

Face it all together

 At Skyfall

 

 (Ausschnitt aus dem Titelsong Skyfall, gesungen von Adele, geschrieben von Adele und Paul Epworth; der Song, der Daniel Kleinman’s eindringliche Titelsequenz untermalt, die sich nicht  nur an der klassischen Ikonografie der Bond-Vorspanne orientiert, sondern in die auch dokumentierte Nahtoderfahrungen eingearbeitet wurden, erlebte seine Weltpremiere am 5. Oktober 2012 im Rahmen der Feierlichkeiten zum „weltweiten James Bond-Tag“, denn an diesem Tag jährte sich die Premiere von James Bond – 007 jagt Dr. No zum 50. Mal; Skyfall ist der einzige Bond-Titelsong, der den Golden Globe for Best Original Song, den Oscar for Best Original Song und den Grammy Award for Best Song Written for Visual Media gewinnen konnte, also die drei allergrößten Preise überhaupt, mit denen ein Film-Song ausgezeichnet werden kann; der Song, der textlich und musikalisch sehr „klassisch“ daherkommt und so etwas wie eine „dramatische Ballade“ ist, gilt auch als eine Art Hommage an die großen Bond-Titelsongs der Connery- und Moore-Ären; bevor Adele aber mit ihrem Produzenten Epworth ins Studio ging, hatte Daniel Craig persönlich auch bei der Rock-Band Kings of Leon angefragt, den Titelsong für den 23. offiziellen Bond-Film zu komponieren, was die Band jedoch ablehnte; der Bond-Stammkomponist David Arnold brachte schließlich Künstler wie Queen, Lady Gaga oder The Killers ins Spiel, wurde aber selbst dann durch Thomas Newman, Sam Mendes‘ Stammkomponisten, ersetzt; der britische Guardian behauptete in der Folge, der ehemalige Oasis-(Zweit-)Sänger Noel Gallagher würde den Titelsong beisteuern, dieser dementierte jedoch umgehend; Adele’s Ballade ist vielleicht der am virtuosesten gesungene Bond-Titelsong aller Zeiten, welcher im Zusammenspiel mit dem eindrucksvollen Vorspann aber tatsächlich auch die beabsichtigte „Nahtod-Stimmung“ verbreitet; selbst Monty Norman soll sich begeistert von Adele’s Perfomance und dem gesamten Song und von den zweifellos darin vorkommenden musikalischen Referenzen an sein James Bond Theme gegeben haben; auf jeden Fall aber gilt Skyfall, mit über sieben Millionen verkauften Einheiten weltweit, als one of the best-selling digital singles of all time; der Song brachte es, unter anderem, an die Spitze der i-tunes-Charts sowie der deutschen Charts, auf Nummer zwei der britischen Charts und auf Nummer acht der US-Billboard Hot 100; der spätere US-Präsident Donald Trump wollte Skyfall tatsächlich 2016 im Rahmen seiner Wahlkampftour nutzen, was ihm Adele untersagte)

 

 

  M

 Schießen Sie verdammt noch mal!

 

 (aus: Skyfall; „M“ Judi Dench gibt „Eve Moneypenny“ Naomie Harris, im Rahmen der über 12-minütigen Vortitel-Sequenz, den Befehl, einen Schuss in Richtung der gerade auf dem Dach eines fahrenden Zuges kämpfenden Antagonisten Bond und Patrice, Zweiterer gespielt von Ola Rapace, abzufeuern, mit dem Ergebnis, dass Bond getroffen wird und einen tiefen Fall hinunter ins Wasser eines Flusses hinlegt, auf den hin bald Adele mit „Skyfall“ loslegt; in der Originalfassung sagt Dench: „Take the bloody shot!“)

 

 

 THINK ON YOUR SINS

 

 (aus: Skyfall; Satz, der immer wieder auf M’s Laptop erscheint und die MI6-Chefin, wie sich später herausstellt, an ihre alte „Sünde“ Raoul Silva erinnern soll, den einst von ihr an die chinesische Regierung „geopferten“ Agenten, verkörpert von Javier Bardem)

 

 

 M

 Wo zum Teufel waren Sie?

 

 JAMES BOND

 Ich hab den Tod genossen. 007 meldet sich zum Dienst.

 

 (aus: Skyfall; Dialog zwischen „M“ und 007, als dieser, nach dem Bombenanschlag auf den MI6, überraschend wieder in M’s Wohnung auftaucht; in der Originalfassung sagt Craig: „Enjoying death. 007 reporting for duty.“)

 

 

  DR. HALL

 Skyfall...Skyfall.

 

 JAMES BOND

 Ende.

 

 (aus: Skyfall; der MI6-Psychiater „Doctor Hall“, gespielt von Nicholas Woodeson, spricht 007 auf dessen Kindheitstrauma an, ohne dass der Zuseher das in Skyfall schon weiß; Bond bricht mit dem Wort „Ende“ das Gespräch ab und verlässt den Raum)

 

 

 JAMES BOND

 Ein paar Männer wollen uns töten. Wir töten sie vorher.

 

 (aus: Skyfall; „James Bond“ Daniel Craig zu „Kincade“ Albert Finney, auf dessen Frage hin, was er, Bond, denn hier auf dem Anwesen „Skyfall“, welches der Ort seiner Kindheit ist, eigentlich mache)

 

 

 KINCADE

Willkommen in Schottland!

  (aus: Skyfall; Worte der 2019 verstorbenen britischen Schauspiellegende Albert Finney, nachdem er zwei von Silva’s Leuten mit einer Schrotflinte erledigt hat)

 

 

Im August 2011 behauptete die serbische Tageszeitung Blic im Rahmen eines Online-Artikels, der mit „Serbian to play cello in Bond movie“ betitelt war, dass die von dem amerikanischen Mystery- & Crime-Autor Jeffery Deaver geschriebene und 2011 veröffentlichte James Bond-Novelle Carte Blanche die Grundlage für „Bond 23“ sein wird. Die Eon Productions Ltd. verkündete daraufhin aber, dass diese „Online-Titel-Spekulationen“ keinerlei Wahrheitsgehalt besäßen und dass der geplante Film weder Carte Blanche heißen noch tatsächlich auf Deaver‘s Buch basieren würde (Anmerkung: Im Übrigen kam es auch nie dazu, dass die serbische Cellistin Jelena Mihailovic, so wie Blic behauptete,  einen musikalischen Beitrag zu "Bond 23" beisteuerte).

Alle Titel-Spekulationen bezüglich „Bond 23“, ein Projekt, das aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten und des damals drohenden Bankrotts von MGM mehrmals verschoben werden musste, hatten ein Ende, als die Produzentin Barbara Broccoli dann im Rahmen einer Pressekonferenz im „Corinthia Hotel“ in London verkündete, dass der von Sam Mendes inszenierte Film „Skyfall“ heißen wird und auf einem Drehbuch von John Logan, Neal Purvis und Robert Wade basieren würde (Anmerkung: Purvis und Wade hatten bereits 2010 eine Art Ur-Skript zu Skyfall, mit dem Titel „Nothing is Forever“, abgeliefert).

Die besagte Pressekonferenz fand am 3. November 2011 statt - genau 50 Jahre nachdem Sean Connery als James Bond 007-Darsteller das erste Mal der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde!

 

 

Die Handlung von Skyfall:

Die Agenten James Bond und Eve Moneypenny jagen in Istanbul [Anmerkungen: Istanbul war Ian Fleming’s Lieblingsstadt, deshalb ist der Drehort als eine Art Verbeugung vor Fleming zu verstehen; schon die Bond-Filme Liebesgrüße aus Moskau und Die Welt ist nicht genug spielten teilweise in Istanbul; die südtürkische Stadt Adana wurde bei den Skyfall-Dreharbeiten als „Stadtrand von Istanbul“ verwendet] den Söldner Patrice, der über einen gestohlenen Datenträger mit den echten Namen von in Terrornetzwerken eingeschleusten MI6-Agenten verfügt. Als Bond und Patrice auf dem Dach eines fahrenden Zuges kämpfen, ordnet „M“ in London an, Patrice zu erschießen. Moneypenny trifft aber Bond und dieser fällt vom Zug hinunter und in einen Fluss. Bond wird daraufhin für tot gehalten und Patrice kann mit der Liste der Undercover-Agenten entkommen.

Drei Monate später wird „M“ in London von Gareth Mallory, einem ehemaligen SAS-Offizier, der aktueller Vorsitzender des „British Parliament’s Intelligence and Security Committee“ [Anmerkung: Im Film „Sicherheitskomitee“ genannt] ist, dazu angehalten zurückzutreten, was diese jedoch ablehnt. In der Folge werden die MI6-Computer gehackt und „M“ erhält eine mysteriöse Botschaft („Think on your sins“) auf ihrem Laptop, bevor das MI6-Gebäude explodiert. Bond, der die Tatsache, dass er für tot erklärt wurde, dazu genutzt hat, abzutauchen, erfährt von dem Anschlag und kehrt nach London zurück. Obwohl er eine Reihe von körperlichen, medizinischen und psychologischen Tests nicht besteht, wird er von „M“ zurück in den aktiven Dienst geschickt, mit dem Auftrag, Patrice’s Arbeitgeber zu identifizieren, den Datenträger zurückzuholen und Patrice zu töten. Bevor sich 007 auf den Weg macht, wird er noch von „Q“, dem neuen Quartiermeister des MI6, mit einer Walther PPK/S sowie mit einem kleinen Funktransmitter ausgestattet.

In Shanghai folgt Bond Patrice in einen Wolkenkratzer, wo er aber nicht verhindern kann, dass dieser jemanden in einem nahestehenden Gebäude erschießt. Es kommt zu einem Kampf und Patrice stürzt, ohne Bond den Namen seines Auftraggebers genannt zu haben, in den Tod. 007 findet in Patrice’s Koffer einen Casino-Chip, eine Art Gage für erledigte Auftragsmorde, der Bond zu einem Casino in Macau führt. Dort trifft der Agent auf Sévérine, Patrice’s Komplizin, und fragt sie nach ihrem Auftraggeber. Sévérine warnt den Agenten davor, dass ihre Bodyguards ihn töten werden, verspricht Bond aber ihm zu helfen, wenn dieser ihren Auftraggeber eliminiert. Bond schaltet, mit der Hilfe von Moneypenny, die ebenfalls vor Ort ist, um Bond zu unterstützen, die Bodyguards aus und folgt Sévérine auf ihre Yacht, wo die beiden miteinander Sex haben. Sie fahren zu einer verlassenen Insel vor der Küste von Macau und werden als Gefangene der Crew schließlich an Raoul Silva übergeben, an Sévérine’s Boss. Der ehemalige MI6-Agent Silva ist nun eine Art „Cyberterrorist“ und steckt auch hinter der Attacke auf den MI6 in London. Silva tötet Sévérine, aber 007 nimmt Silva gefangen und dieser wird zurück nach Großbritannien gebracht.

Im neuen Untergrund-Hauptquartier von MI6, in dem Silva von „M“ und Bond verhört wird, versucht auch „Q“, Zugang zu dem Laptop von Silva zu bekommen, ebnet diesem aber letztendlich nur den Weg zu den MI6-Servern, die in Folge die Sicherheitssysteme lahmlegen. Der Ex-Agent Silva, der, wie sich zuvor herausgestellt hat, einst von „M“ in ihrer Zeit in Hong Kong gleichsam fallen- und zurückgelassen wurde, kann entkommen und liefert sich, verkleidet als Polizist, mit Bond, der nun ahnt, dass Silva sich absichtlich hat fangen hat, damit er in M’s Nähe kommen und sie töten kann, eine Verfolgungsjagd durch die Londoner U-Bahn. Bei der öffentlichen Anhörung, in der sich „M“ für ihre Rolle im Zusammenhang mit der gestohlenen Undercover-Agenten-Liste rechtfertigen muss, versucht Silva, „M“ schließlich zu erschießen, doch Bond kann noch rechtzeitig eingreifen und verhindert dies. Dann flüchtet er mit „M“ in seinem alten Aston Martin DB5 aus London.

Bond instruiert „Q“ und M’s Assistenten Bill Tanner [Anmerkung: Bill Tanner wird auch in Skyfall von Rory Kinnear gespielt, der die Rolle auch schon in Ein Quantum Trost sowie 2015 dann in Spectre verkörperte; Michael Kitchen hatte die Rolle von M’s Assistenten zuvor in GoldenEye und Die Welt ist nicht genug gespielt], eine „elektronische Spur“ von ihm und „M“ für Silva zu erstellen, der dieser folgen kann. Gareth Mallory, der aktiv in das Feuergefecht bei M’s Anhörung eingegriffen hat und verletzt wurde, gibt seine Zustimmung dazu. Bond bringt „M“ schließlich zu dem Anwesen „Skyfall“ nach Schottland, in dem Bond seine Kindheit verbracht hat. Dort treffen sie den alten Wildhüter Kincade und statten zu dritt dann das Haus mit einigen „Booby Traps“ [Anmerkung: Ein „booby trap“ ist eine „versteckte Ladung“ oder „Sprengfalle“] aus. Als Silva’s Männer schließlich auftauchen, können Bond, „M“ und Kincade die meisten davon töten, „M“ wird jedoch verwundet. Silva selbst trifft letztendlich mit einem schwer bewaffneten Helikopter und zusätzlichen Männern ein. Da „Skyfall“ immer mehr in Flammen aufgeht, weist Bond Kincade an, mit „M“ durch ein sogenanntes „Priesterloch“ [Anmerkung: Ein Schlupfloch bzw. Versteck für Priester] hindurch zu der in der Nähe gelegenen kleinen Kapelle zu flüchten. Nachdem das Haus vollständig zerstört ist, flüchtet Bond ebenfalls durch das Priesterloch und eilt zur Kapelle. Silva trifft aber vor Bond dort ein, drückt „M“ eine Waffe in die Hand und fleht sie an, sie damit beide zu töten. Bond, der zuvor noch einen Handlanger von Silva ausschalten musste, erreicht die Kapelle letztendlich und tötet Silva, indem er ihm ein Messer in den Rücken jagt. „M“ erliegt aber ihren Verletzungen und stirbt in Bond’s Armen.

Nach M’s Begräbnis stellt sich Moneypenny quasi offiziell bei Bond vor und teilt ihm mit, dass ihr Vorname „Eve“ lautet und sie fortan als Sekretärin für den neuen „M“ tätig sein wird, der, wie sich herausstellt, Gareth Mallory heißt.

 

 

 

 GARETH MALLORY

 Es ist ein Spiel für junge Männer.

 

 (aus: Skyfall; „Gareth Mallory“ Ralph Fiennes deutet gegenüber „James Bond“ Daniel Craig an, dass dieser sich am besten aus dem „Dienst an der Front“ zurückziehen sollte)

 

 

 RAOUL SILVA

 Sehen Sie sich an! Sie werden nur noch zusammengehalten von Ihren Tabletten und Alkohol.

 

 (aus: Skyfall; auch Bösewicht „Raoul Silva“ Javier Bardem macht 007 klar, dass er offenbar irgendwie ein Wrack ist)

 

 

 RAOUL SILVA

 „Pathologische Ablehnung von Autoritäten aufgrund eines ungelösten Kindheitstraumas“.

 

 (aus: Skyfall; Silva liest Bond aus dem psychologischen Gutachten vor, das beim MI6 nach Bond’s Rückkehr erstellt wurde und das „M“ ignoriert hat)

 

 

Nach Casino Royale und Ein Quantum Trost war klar, dass sich Daniel Craig nicht als ein James Bland erwiesen hatte, also als ein „James Langweilig“, wie ihn die britische Boulevardpresse wenig schmeichelhaft vor dem Erscheinen von Casino Royale ab und an titulierte, sondern als einer der besten 007-Darsteller.

Einen wirklichen Mega-Hit abseits der Bond-Serie zu landen, war ihm aber ebenso wenig gelungen wie Sean Connery, der erst wieder Kassenhits ablieferte, als er schon Mitte fünfzig und das alles überschattende James Bond-Image ein wenig los war, das tatsächlich Probleme macht, wenn es darum geht, vom Publikum in anderen Rollen akzeptiert zu werden.

So geriet Edward Zwick’s Weltkrieg II-Film Unbeugsam – Defiance (Originaltitel: Defiance) aus 2008 mit Craig in der Hauptrolle fast zu einem kommerziellen Debakel, denn das von der Zeitschrift Cinema damals als „erste[r] Action-Holocaustfilm“ bezeichnete Werk lukrierte weltweit nur etwa 51 Millionen US-Dollar. Der unterhaltsame, aber irgendwie auch bizarre „Science Fiction-Western“ Cowboys & Aliens (2011; Regie: Jon Favreau), in dem Craig neben attraktiven Co-Stars wie Harrison Ford oder Olivia Wilde (bekannt aus der Fernsehserie Dr. House) agiert, schaffte es nur knapp, an der Kinokasse sein nicht gerade geringes Produktionsbudget von 163 Millionen US-Dollar wieder einzuspielen. Lediglich Verblendung (2011; Originaltitel: The Girl with the Dragon Tattoo) entpuppte sich als veritabler Craig-Nicht-James Bond-Hit (weltweites Einspielergebnis: rund 232 Millionen US-Dollar), denn David Fincher’s stilsichere Verfilmung des ersten Teils von Stig Larsson’s sogenannter Millennium-Trilogie (bestehend aus Verblendung, Verdammnis und Vergebung, erschienen 2005-2007), die sich weltweit insgesamt über 31 Millionen Mal verkauft hat, besticht vor allem durch die kühle Inszenierung, die großartige Musik von Nine Inch Nails-Mastermind Trent Reznor und die perfekte Kameraarbeit von Jeff Cronenweth, der auch die Fincher-Meisterwerke Fight Club (1999), The Social Network (2010) und Gone Girl – Das perfekte Opfer (2014; Originaltitel: Gone Girl; literarische Vorlage: Gillian Flynn) ins rechte Bild gerückt hat. Allerdings können „Mikael Blomkvist“ Daniel Craig und „Lisbeth Salander“ Rooney Mara nicht ganz mit Mikael Nyqvist und Noomi Rapace mithalten, die die beiden Figuren in Niels Arden Oplev’s in Schweden entstandener Kinotrilogie Verblendung-Verdammnis-Vergebung (entstanden 2009-2010) verkörperten, denn speziell Rapace (auch bekannt aus Guy Ritchie’s Sherlock Holmes: Spiel im Schatten von 2011 und Ridley Scott’s Prometheus – Dunkle Zeichen von 2012) ist als Lisbeth Salander unübertroffen.

Das Kunststück, einen wirklich erfolgreichen Film, und ich spreche ausdrücklich nicht von einem „Mega-Hit“, als noch aktiver James Bond abzuliefern, was Craig mit Verblendung eben durchaus gelungen war, schafften aber auch die Bond-Darsteller Roger Moore und Pierce Brosnan, denn Moore konnte 1978 mit dem aus heutiger Sicht eher zwiespältigen Kriegsfilm Die Wildgänse kommen (Originaltitel: The Wild Geese; Regie: Andrew V. McLaglen; Co-Stars: Richard Burton, Richard Harris, Hardy Krüger, Stewart Granger) kommerziell punkten, genauso wie Brosnan 1999 mit Die Thomas Crown Affäre (Originaltitel: The Thomas Crown Affair; Regie: John McTiernan), dem gelungenen Remake des Klassikers Thomas Crown ist nicht zu fassen (1968; Originaltitel: The Thomas Crown Affair; Regie: Norman Jewison) mit Steve McQueen und Faye Dunaway.

Auch der britische Regisseur Sam Mendes, den Craig persönlich für das „Bond 23“-Projekt an Bord holte, hatte es nach seinem fünffach Oscar-prämierten American Beauty (1999; ausgezeichnet für Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller – Kevin Spacey, Bestes Originaldrehbuch – Alan Ball und Beste Kamera – Conrad L. Hall), ein Film, der nicht nur das letzte große filmische Meisterwerk der 90er war, sondern wahrscheinlich generell zu den größten je gedrehten amerikanischen Filmen gehört, ein wenig schwer, an seinen frühen Großerfolg anzuknüpfen. Der bereits im Casino Royale-Kapitel kurz angesprochene Road to Perdition, in dem Daniel Craig neben Tom Hanks und Paul Newman eine (reichlich unsympathische) Nebenrolle spielt, wurde von der Öffentlichkeit, vor allem natürlich dank Tom Hanks‘ Star-Appeal, noch am besten von allen Mendes-Filmen nach American Beauty und vor Skyfall aufgenommen, viel besser als der ungewöhnliche Golfkrieg I-Film JarheadWillkommen im Dreck (Originaltitel: Jarhead) aus 2005 oder das schwache, weil mit Klischees beladene, Ehe-Drama Zeiten des Aufruhrs (2008; Originaltitel: Revolutionary Road), das vor allem nur deshalb einen Schauwert besitzt, weil es darin zu einer schauspielerischen Wiedervereinigung von Leonardo DiCaprio und Kate Winslet kommt, also gewissermaßen von dem Liebespaar aus James Cameron’s Titanic (1997).

Mendes und sein Hauptdarsteller Craig haben sich bei Skyfall, ein Projekt, das, wie bereits erwähnt, durch die finanzielle Krise von MGM immer wieder verzögert wurde, bis schließlich Sony Pictures im Austausch für 50 Prozent der Filmrechte als Finanzier einsprang, dafür entschieden, die „kritische Untersuchung“ der Bond-Figur, wie sie in Casino Royale und Ein Quantum Trost eingeleitet wurde, weiterzuführen.

Insofern war auch Bond’s Psyche für Mendes ein entscheidender Punkt, denn der Regisseur präsentiert uns einen James Bond 007, der geplagt ist von Depressionen und Selbstzweifel angesichts seiner „Berufswahl“. Fast könnte man auch sagen: Mendes zeigt uns einen James Bond im Burn-out, dessen Irgendjemand stirbt immer-Attitüde (Anmerkung: Bond sagt im Film sogar einmal zu „Sévérine“ Bérénice Lim Marlohe in der Casino-Szene die Worte „Irgendjemand stirbt immer“) in Skyfall eher etwas Resignatives hat als etwas „Angriffslustiges“. Erstmals wird eben auch, im Zusammenhang mit dem Anwesen „Skyfall“ in Schottland, eine Art Hintergrundgeschichte präsentiert, die Bond’s Vergangenheit beleuchtet und den Moment anspricht, in dem er zu einer Vollwaise wurde („M“ Judi Dench meint überhaupt im Film, kurz bevor sie den Ort von Bond’s Kindheit erreichen, zu Bond selbst: „Waisen waren schon immer die besten Rekruten“; „Kincade“ Albert Finney erzählt Judi Dench dann eine Art „Höhlen-Gleichnis“, das sich darum dreht, dass Bond sich als Kind, als er vom Tod seiner Eltern erfahren hat, ins Tunnelsystem des Priesterlochs auf „Skyfall“ zurückgezogen und eingesperrt hat - Kincade merkt in diesem Zusammenhang dann auch an, dass Bond, als er wieder aufgetaucht ist, nicht mehr derselbe war – also, was die emotionale Ebene betrifft, in gewisser Weise James Bond, wie ihn der Zuschauer kennt!).

Darüber hinaus haben sich die Skyfall-Macher auch die Frage nach der Aktualität der James Bond-Figur im Kontext eines von Terror geprägten Weltgeschehens gestellt, denn in gewisser Weise wird in Skyfall auch untersucht, wie zeitgemäß der MI6 und 007 überhaupt noch sind. Wenn man so will, kämpfen nämlich sowohl „M“ als auch Bond im Film darum, noch irgendeinen Platz in der modernen Welt zu finden. „M“ Judi Dench sagt nicht umsonst bei ihrer öffentlichen Anhörung: „Bevor Sie uns für bedeutungslos halten, fragen Sie sich: Wie sicher fühlen Sie sich?

 

 

 

 M

 Ich pfeife auf die Würde. Ich gehe, wenn die Arbeit getan ist.

 

 (aus: Skyfall; Judi Dench macht „Gareth Mallory“ Ralph Fiennes klar, dass er seine sie betreffenden „Ruhestandspläne“ gleich wieder vergessen kann)

 

 

 M

 Schon bald wird Ihre Vergangenheit so ausgelöscht sein wie Ihre Zukunft.

 

 (aus: Skyfall; „M“ teilt dem inhaftierten Ex-Agenten Silva mit, dass er keine große Zukunft mehr hat; wenig später bricht Silva aus der Haft aus)

 

 

 M

 Es sterben zu viele Menschen meinetwegen.

 

 (aus: Skyfall; „M“ Judi Dench zu „James Bond“ Daniel Craig während einer Autofahrt, nachdem er sie vor Silva’s Attacke bei der öffentlichen Anhörung gerettet hat)

 

 

 SEVERINE

 Was wissen Sie über Angst?

 

 JAMES BOND

 Alles.

 

 (aus: Skyfall; Dialog zwischen 007 und Neben-Bond-Girl „Sévérine“ Bérénice Lim Marlohe in dem Casino in Macau)

 

 

KINCADE

 Ich mach, was ich will, du eingebildeter kleiner Scheißer!

 

 (aus: Skyfall; das von Albert Finney gespielte schottische Raubein Kincade, der Wildhüter von „Skyfall“, macht 007 während einer Art Schießübung klar, dass er ihn schon als Kind kannte und ganz sicher keine „Anweisungen“ von ihm entgegennimmt)

 

 

Sam Mendes‘ Skyfall ist letztendlich die große Abschiedsvorstellung von Dame Judi Dench, die die Rolle der Geheimdienstchefin „M“ in dem Film zum siebten und letzten Mal spielt. Ganz nebenbei ist sie sogar so etwas wie Daniel Craig’s „Haupt-Bond-Girl“, aber eines von der Sorte eben, welches er unbedingt ernst nehmen muss, denn die Beziehung der beiden steht mehr oder weniger im Mittelpunkt von Skyfall.

„M“ ist die einzige Person, welcher Bond gegenüber „weisungsgebunden“ ist und in einem gewissen Sinn ist „M“ für das Waisenkind Bond eine Art Mutterfigur oder das, was einer Mutter noch am nächsten kommt, so wie das Bond-Produzentin Barbara Broccoli einmal so ähnlich ausgedrückt hat, als sie auf die „familiäre Beziehung“ zwischen dem Doppel-Null-Agenten und seiner Chefin angesprochen wurde.

Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass die „M“-Figur in Skyfall nicht unbedingt sympathisch rüberkommt, denn „M“ wird als Chefin porträtiert, die im Notfall eben auch „professionell“ bleibt und quasi über Leichen geht, auch über die der eigenen Agenten, was Bond zu Beginn des Films, als er von Eve Moneypenny vom Zug heruntergeschossen wird, zu spüren bekommt.

Was allerdings einen absolut schlüssigen Punkt in der Charakterisierung von „M“ darstellt, ist, dass sie den ganzen Film über als eine Figur präsentiert wird, die das Schicksal vieler mächtiger Personen ereilt hat, nämlich, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen, um sozusagen noch „in Würde“ abzutreten, wie ihr das Schindler’s Liste- und Der englische Patient-Star Ralph Fiennes, der letztendlich ihren Nachfolger, nämlich „Gareth Mallory“, spielt, sogar noch anbietet. Insofern ereilt sie auch irgendwann tatsächlich eine alte „Sünde“, und dies eben in der Gestalt eines von ihr einst geopferten, von Rachedurst getriebenen, physisch wie psychisch entstellten Agenten, wunderbar gespielt von Javier Bardem. Schon im Brosnan-Bond Die Welt ist nicht genug von 1999 wurde Dench’s „M“-Figur Ziel eines privaten Rachefeldzugs, denn dort bekam sie es mit dem „Entführungsopfer“ Elektra King, gespielt von Sophie Marceau, zu tun, das sich wegen der Vorgehensweise im Zusammenhang mit ihrer Entführung an der MI6-Chefin rächen will.

Die „professionelle Tragik“ der Beziehung zwischen Bond und „M“ findet dann ihren Höhepunkt, als der Agent seine sterbende Chefin in der Kapelle auf dem schottischen Anwesen „Skyfall“ in seinen Armen hält. Der finale Dialog zwischen „007“ Daniel Craig und „M“ Judi Dench ist eines der Highlights des Mendes-Films, denn er unterstreicht irgendwie die Tatsache, dass „M“ in dem Werk zweifellos auch das „Haupt-Bond-Girl“ darstellt:

 

 M

 Ich nehme an, es ist zu spät, um einfach davonzulaufen.

 

JAMES BOND

 Na ja, ich bin zu allem bereit.

 

 (aus: Skyfall; in der Originalfassung sagt Dench „I suppose it’s too late to make a run for it?“ und Craig „Well, I’m game if you are“)

 

Das Neben-Bond-Girl in Skyfall wird von Bérénice Lim Marlohe gespielt, einer französischen Schauspielerin, die nach dem 007-Blockbuster beispielsweise auch 2017 in Terrence Malick’s experimentellem Drama Song to Song (Co-Stars: Ryan Gosling, Michael Fassbender, Natalie Portman) zu sehen war oder eine Gastrolle in der 12. Folge von David Lynch’s spektakulärer Twin Peaks-Neuauflage Twin Peaks: A Limited Event Series (2017) hatte. Marlohe’s „Sévérine“, die die Komplizin des Söldners Patrice ist, der von Ola Rapace (im Übrigen der Ex-Mann von Daniel Craig’s Verblendung-Co-Star Noomi Rapace) gespielt wird, sowie in den Diensten von „Raoul Silva“ Javier Bardem steht, besitzt tatsächlich „das Lächeln einer gequälten Seele“, das der Figur einer Frau, die, wie sich in den Macau-Casino-Sequenzen des Films herausstellt, als junges Mädchen das Opfer von Menschenhändlern wurde, durchaus Glaubwürdigkeit verleiht. Mit anderen Worten: Marlohe schafft es in Skyfall tatsächlich so zu lachen, wie jemand, der gelernt hat zu lachen, um zu überleben.

Aber Bérénice Lim Marlohe, die nach Skyfall auch eine Art „Marken-Botschafterin“ für die James Bond-affine Uhrenmarke Omega wurde und auch in einem mit Skyfall in Verbindung stehenden Heineken-Werbespot auftrat [Anmerkung: Skyfall ist der Film mit dem höchsten Finanzierungsanteil durch Produktplatzierungen; die Product Placement-Einnahmen, die übrigens auch schon bei Ein Quantum Trost beträchtlich waren, beliefen sich auf über 30 Millionen US-Dollar, was den bisherigen Product Placement-Spitzenreiter, nämlich den Tom Cruise-/Steven Spielberg-Film Minority Report aus 2002, von der Pole-Position verdrängte], ist auch Teil jener Szenen in Skyfall, der nun wahrlich ein düsterer Bond-Film ist, die den ein oder anderen amüsanten Dialog aufweisen, der einen durchaus an frühere Bond-Zeiten erinnert. So ein gelungener Dialog mit „altem Bond-Feeling“ ist der folgende, der gut und gerne auch aus einem Roger Moore-Bond der 70er stammen könnte:

 

 JAMES BOND

 Nur eine gewisse Art von Frau trägt zu einem dekolletierten Abendkleid eine Beretta um ihre Oberschenkel geschnallt.

 

 SEVERINE

 Man kann nicht vorsichtig genug sein bei attraktiven Männern mit einer Walther unter dem Smoking.

 

 (aus: Skyfall; während der Macau-Casino-Szenen)

 

 

Beinahe im letzten Moment noch allen die Show in Skyfall stiehlt aber die britische Schauspiellegende Albert Finney (1936-2019), der in dem Mendes-Film, nach 53(!) Jahren im Filmgeschäft, seinen finalen Leinwandauftritt absolvierte. Finney, der einst mit der Henry Fielding-Verfilmung Tom Jones – Zwischen Bett und Galgen (1963; Originaltitel: Tom Jones; Regie: Tony Richardson), eine der erfolgreichsten britischen Komödien ihrer Zeit, seinen Durchbruch feierte und in den 70ern auch den Meisterdetektiv Hercule Poirot in Sidney Lumet’s großartiger und schon mehrfach erwähnter Agatha Christie-Verfilmung Mord im Orient-Express (Co-Star bekanntlich: Sean Connery) verkörperte, bringt nämlich, als raubeiniger Wildhüter „Kincade“, eine spezielle Form von „schottischem Charme“ in das Geschehen, die dem ganzen Film reichlich guttut. Nach seinem Auftritt in Sidney Lumet’s letztem Werk, dem filmischen Meisterstück Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead aus 2007 (Originaltitel: Before the Devil Knows You’re Dead; Co-Stars: Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke & Marisa Tomei), ist die Kincade-Rolle vielleicht die beste Altersrolle von Finney, der zweifelsohne zu den profiliertesten Charakterdarstellern Großbritanniens gehörte.

Für kurze Zeit wurde von den Skyfall-Produzenten übrigens auch angedacht, dass Sean Connery die Rolle des Kincade spielen soll, doch man hat diesen Gedanken relativ schnell wieder verworfen, weil man sich dem nicht ganz unberechtigten Vorwurf eines reinen sogenannten „Stunt Castings“ (Casting einer prominenten Person zu Publicity-Zwecken) nicht aussetzen wollte.

Überhaupt wertet auch Finney’s Zusammenspiel mit Judi Dench in Skyfall das gesamte Finale des Films auf, denn es macht einfach Spaß, zwei der besten Schauspieler ihrer Generation bei der Arbeit zuzusehen - und den von ihnen verkörperten Filmfiguren Kincade und „M“ dabei, wie sie mit James Bond 007, den sie besser kennen, als jeder andere, umgehen.

Übrigens: Das von „Kincade“ Albert Finney versorgte schottische Gutshaus „Skyfall“, denn der Filmtitel bezieht sich schließlich sowohl auf den Namen dieses Gutshauses als auch auf Bond’s Sturz zu Filmbeginn und auf dessen Krise, wurde in der Heidelandschaft von Hankley Common in der südenglischen Grafschaft Surrey errichtet. Die atmosphärische Anfahrtssequenz dorthin jedoch wurde in Glen Coe gefilmt, einem Tal in den schottischen Highlands (Anmerkung: Von Seiten der Kritik speziell hervorgehoben wurde auch die teilweise wirklich atemberaubende Kameraarbeit von Roger Deakins – so nannte Henry K. Miller von Sight & Sound den Film „dazzingly photographed“ und Kim Newman von Empire meinte in Anspielung auf die glorreichen Bond-Zeiten des Kameramanns Ted Moore: „[Roger Deakins] delivers the most impressive visuals the series has had since the 1960’s“; eigentlicher visueller Höhepunkt des Films ist der in einem Wolkenkratzer in Shanghai stattfindende Mann gegen Mann-Kampf zwischen Bond und „Patrice“ Ola Rapace, der durch die spektakulären Reklamelichter und durch die nächtliche Dunkelheit teilweise wie ein „Kampf der Silhouetten“ wirkt).

 

 

 

 RAOUL SILVA

 Das Leben hing an mir wie eine Krankheit.

 

 (aus: Skyfall; Silva zu „M“ während des Verhörs beim MI6, nachdem er ihr mitgeteilt hat, dass er in der chinesischen Gefangenschaft, in der ihn „M“ während ihrer Zeit in Hong Kong zurückgelassen hat, versucht hat, sich mit einer Zyanid-Kapsel umzubringen)

 

 RAOUL SILVA

 Befrei uns beide! Befrei uns beide! Mit derselben Kugel.

 

 (aus: Skyfall; Silva zu „M“ beim Finale in der Kapelle auf „Skyfall“, kurz bevor Bond ihm ein Messer in den Rücken jagt)

 

 

Dass Javier Bardem auf sehr eindringlich-spektakuläre Weise Bösewichte spielen kann, das ist spätestens seit seinem Golden Globe- und Oscar-prämierten Auftritt als psychopathischer Auftragskiller „Anton Chigurh“ (sprich: Schigur) in dem Coen-Brothers Geniestreich No Country for Old Man (2008; Regie: Ethan & Joel Coen; literarische Vorlage: Cormac McCarthy) kein Geheimnis mehr.

Der Regisseur Mendes soll sich äußerst intensiv darum bemüht haben, dass Javier Bardem, zu dessen sonstigen Filmografie-Highlights auch Werke wie Live Flesh – Mit Haut und Haar (1997) von Spaniens Regie-Legende Pedro Almodovar oder Woody Allen’s wunderbare Komödie Vicky Cristina Barcelona (2008) zählen, den Part als Bond-Bösewicht Raoul Silva (Anmerkung: Sein echter Name soll ja, laut „M“, „Tiago Rodriguez“ lauten) akzeptiert. Mendes ging es mit der Besetzung Bardems vor allem auch darum, dass das Potential der Silva-Figur nicht vergeudet wird, denn er war der Meinung, dass dieser ein unvergesslicher Bond-Bösewicht sein könnte.

Und tatsächlich: Javier Bardem spielt den Ex-MI6-Agenten und nunmehrigen „Cyberterroristen“ (Anmerkung: Die Blondfärbung der Haare, die Javier Bardem für seine Rolle vollzogen hat, haben einige Kritiker auch als bewusste Anlehnung der Raoul Silva-Figur an den WikiLeaks-Gründer und Cyber-Whistleblower Julian Assange interpretiert!) Silva fast kongenial und als eine verrückte, zerstörte, aber auch zutiefst sadistische Figur. Silva ist auch so etwas wie die dunkle, pervertierte Version Bonds, denn sowohl Bond als auch Silva sind quasi Produkte von „M“, welche auch Silva als eine Art „Mutterfigur“ betrachtet. Bond und Silva sind tatsächlich, wie dieser gegenüber 007 auf der verlassenen Insel nahe Macau in einer von ihm erzählten wiederum gleichnishaften Geschichte andeutet, die letzten zwei verbliebenen „(MI6-)Ratten“, die sich nun scheinbar gegenseitig auffressen.

Javier Bardem soll im Übrigen auch schon mal die 007-Rolle angeboten worden sein, die er jedoch ablehnte, weil der Schauspieler den Zeitpunkt dafür angeblich als „zu früh“ erachtete.

 

 

 

Q

 Alter ist keine Garantie für Effizienz.

 

 JAMES BOND

 Und Jugend ist keine Garantie für Innovation.

 

 (aus: Skyfall; Dialog zwischen dem neuen „Q“ Ben Whishaw und „James Bond“ Daniel Craig bei der Gadget-Übergabe in einem Museum)

 

 

JAMES BOND

 Nun, ich freu mich auf die Zusammenarbeit, Miss Moneypenny.

 

 MONEYPENNY

 Ich mich auch. Und auf den einen oder anderen Ritt auf der Rasierklinge.

 

 (aus: Skyfall; „flirty text“ zwischen 007 und „Eve Moneypenny“ Naomie Harris im gelungenen Epilog des Films; Harris‘ letzter Satz ist eine Anspielung auf die Szene in Macau, in der sie Bond in seinem Hotelzimmer beim Rasieren hilft)

 

 

Das Weglassen von „Q“ und „Miss Moneypenny“ in Casino Royale und Ein Quantum Trost bedeutete sicherlich auch das Weglassen von „Charme-Elementen“ der Film-Serie, denn die Flirtereien und das „Vorzimmergeplänkel“ zwischen Bond und Moneypenny gehören genauso wie Q’s Beschwerden darüber, dass 007 seine Gadgets nicht mit dem nötigen Respekt behandelt, zu einem Bond-Film wie „M“ und natürlich Bond selbst.

In Skyfall jedenfalls gönnte man den beiden Figuren, die von jeher zu den „Fixstartern“ der Serie gehörten, ein Comeback, und das in der Gestalt von Naomie Harris (bekannt als „Detective Trudy Joplin“ in Michael Mann’s Miami Vice-Kinofilm von 2006) und Ben Whishaw, der in Tom Tykwer’s durchaus gelungener Patrick Süskind-Verfilmung Das Parfüm – Die Geschichte eines Mörders (2006) die Hauptfigur „Grenouille“ spielte.

Die Dialoge zwischen „007“ Daniel Craig und Moneypenny sowie auch „Q“ sind letztendlich in Skyfall verantwortlich dafür, dass in dem Film auch hin und wieder das „alte Bond-Feeling“ aufkommt, von dem ich weiter oben, im Zusammenhang mit den Craig-Marlohe-Dialogen, schon gesprochen habe.

Eve Moneypenny (Anmerkung: Das erste Mal in der Bond-Geschichte erfährt man also einen Vornamen der Figur, der auch bei Ian Fleming sozusagen nicht vorhanden war!) agiert in Skyfall als eine Art „sexy Sidekick“ von Bond, der aktiv ins Geschehen eingreifen darf, wobei auch die Tatsache, dass Moneypenny letztendlich für Bond’s schwere Verwundung verantwortlich ist, der Gegenstand einiger gelungener „flirty texts“ zwischen den beiden ist (Beispiel: Auf Bond’s Aussage „Zu Ihrer Verteidigung: Ein bewegtes Ziel ist sehr viel schwerer zu treffen“ hin meint Moneypenny „Dann bleiben Sie lieber in Bewegung“).

Allerdings bekrittelten einige (wenige) Exponenten der Filmkritik die „nonexistent chemisty“ zwischen Craig und Harris, was vielleicht eine Übertreibung darstellt, aber Tatsache ist sicherlich, dass die beiden mit dem Dream-Team Connery und Lois Maxwell tatsächlich nicht ganz mithalten können.

Natürlich ist auch der neue „Q“ Ben Whishaw kein Desmond Llewelyn, sondern kommt zunächst eher wie ein „besserwisserischer Computer-Nerd“ rüber, der nicht nur „James Bond“ Daniel Craig anfangs auf die Nerven geht, sondern auch dem Zuschauer. Ungleich besser als in Skyfall kommt die neue „Q“-Figur dann im darauffolgenden Bond-Film Spectre weg.

Geradezu minimalistisch, wie eben eigentlich in allen Craig-Bonds, ist die Ausrüstung, mit der der neue Quartiermeister 007 in Skyfall ausstattet. Bond erhält von ihm nämlich nur eine Signaturpistole in Gestalt der Walther PPK/S (Kaliber 9mm) mit thermalen Mikrosensoren im Griff, die auf den Handabdruck des Agenten kodiert sind, sowie einen simplen Funktransmitter, mit dessen Hilfe Bond den Bösewicht Silva auf der Insel nahe Macau zunächst einmal dingfest machen kann. Die Walther PPK/S geht aber so schnell wieder im Film verloren, und dies bei einem Kampf mit einem von Sévérine’s Bodyguards in dem Casino in Macau, dass man als Zuseher an diesem interessanten Gadget eigentlich wenig Freude hat.

Eine Hommage an Goldfinger und ein weiterer Versuch von Mendes, alte Charme-Elemente der Bond-Serie in seinem ansonsten eher ernsten Agentenfilm zu reanimieren, ist natürlich das Comeback des Aston Martin DB5 als „aktives Handlungselement“, das 007 und „M“ sowohl bei der Flucht aus London behilflich ist, als auch dann, durch den Einsatz der in das Auto eingebauten Maschinenpistolen, bei dem finalen Kampf auf „Skyfall“. Amüsant im Zusammenhang mit dem James Bond-Kult-Wagen schlechthin ist aber auch noch der wütende Gesichtsausdruck von "James Bond" Daniel Craig, als dieser dann mit der völligen Zerstörung seines Aston Martins durch den „Kampf-Helikopter“ von Silva konfrontiert wird.

 

Der mit Spannung erwartete „Sam Mendes-Bond“ Skyfall (Anmerkung: Als „Appetizer“ für die Bond-Fans wurde im Sommer 2012, im Rahmen der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London, ein witziger Kurzfilm präsentiert, in dem „James Bond“ Daniel Craig sozusagen neben der echten Königin Elisabeth der II. agierte – Regie: Danny Boyle) erlebte schließlich am 23. Oktober 2012 in der Londoner „Royal Albert Hall“ seine Weltpremiere. Der Film spielte weltweit über 1, 1 Milliarden US-Dollar ein und ist seitdem der erfolgreichste Agentenfilm aller Zeiten (damals löste er in dieser Kategorie den 2011 erschienenen Tom Cruise-Film Mission: Impossible – Phantom Protokoll ab).

Skyfall war seinerzeit generell erst der 14. Film weltweit, der die 1 Milliarde-US-Dollar Einspielmarke überschritten hatte, wobei er erstaunlicherweise 2012 nicht der umsatzstärkste Film des Jahres war, denn das war das Superhelden-Treffen Marvel’s The Avengers von Regisseur Joss Whedon mit einem Einspiel von 1, 5 Milliarden US-Dollar (auf dem dritten Platz bei den Box Office-Ergebnissen dieses für Hollywood kommerziell ungemein erfolgreichen Jahres landete Christopher Nolan’s Batman-Trilogie-Finale The Dark Knight Rises).

In Deutschland erreichte Skyfall 7,7 Millionen Besucher, was ihn dort aber nicht zum erfolgreichsten Bond-Film machte, sondern das bleibt bis zum heutigen Tag immer noch Man lebt nur zweimal mit Sean Connery aus 1967 mit rund 9 Millionen Besuchern.

Neben dem Oscar für Adele’s Titelsong erhielt Skyfall aber auch noch den Oscar für den „Besten Tonschnitt“, was Mendes‘ Werk zum ersten „Oscar-Film“ unter den James Bond-Filmen nach Feuerball von 1965 machte, der den Preis seinerzeit für die besten visuellen Effekte bekam. Die Preisträger, Per Hallberg, für den dies bereits der dritte Tonschnitt-Oscar war (nach dem für Braveheart von 1995 und dem für Das Bourne Ultimatum von 2007), und Karen Baker Landers, mussten sich die Auszeichnung aber mit Paul N. J. Ottosson teilen, der diese ebenfalls erhielt, nämlich für seinen Tonschnitt bei Kathryn Bigelow’s formidabler filmischer Aufarbeitung der Jagt nach Osama bin Laden, Zero Dark Thirty (2012).

 

Craig manages to get out of the shadow of Connery“, schrieb Philip French vom Observer 2012 in einer Skyfall-Kritik. Eine Aussage, der man zustimmen muss - und auch der Regisseur Sam Mendes hat bei seinem Film sicher mehr richtig als falsch gemacht.

Aber: Trotz aller „Charme-Elemente“, wie der filmischen Wiederauferstehung von Figuren wie Moneypenny oder „Q“ oder von James Bond-Kult-Gadgets wie dem Aston Martin DB5, ist Skyfall unterm Strich dennoch ein etwas „uncharmanter“ James Bond-Film geworden, genauso wie Christopher Nolan’s im selben Jahr erschienener The Dark Knight Rises ein „uncharmanter“ Batman-Film ist. Beide Filme, Mendes‘ Skyfall und Nolan’s The Dark Knight Rises, sind Werke, die einen Das hier geschieht jetzt alles auch vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus-Touch haben, der ihnen stellenweise nicht guttut und ihre Unterhaltsamkeit mindert.

Insofern markierte tatsächlich erst Spectre innerhalb der Daniel Craig-Bonds die Rückkehr zum alten „Bond-Charme“, und nicht Skyfall, der die meiste Zeit in etwa nur so charmant ist wie die düstere Wetterlage, die Bond und „M“ gegen Ende in Schottland vorfinden.

 

 

(NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassung: 18.02.2019)