Harrison Ford in "Frantic" (1988; Regie: Roman Polanski) oder: Warum Ford einer der sympathischsten Schauspieler der Filmgeschichte ist... (TEIL 2 - Fortsetzung EINLEITUNG)

 

III

 

Aha, endlich ein Film, in dem Helen Mirren einmal nicht nackt zu sehen ist!

Obwohl ich natürlich überhaupt nichts dagegen habe, Helen Mirren in einem Film nackt zu sehen :-), waren das meine Gedanken, als ich Mosquito Coast (literarische Vorlage: Paul Theroux) aus 1986 das erste Mal gesehen habe, einen der ungewöhnlichsten „Harrison Ford-Filme“ überhaupt, denn in diesem Werk, das vom australischen Star-Regisseur Peter Weir (z. B.: 1998: The Truman Show/dt.: Die Truman Show; 2003: Master and Commander: The Far Side of the World/dt.: Master & Commander – Bis ans Ende der Welt) inszeniert wurde, hat sich Ford ganz weit weg von seinem Han Solo- und Indiana Jones-Image begeben, so wie ein Jahr zuvor schon in dem formidablen Thriller Witness (1985; Der einzige Zeuge), der ebenfalls von Weir inszeniert wurde.

Allerdings: Dieser zweite Versuch Ford’s, als Charakterdarsteller zu punkten, ist unterm Strich, wenn man den gesamten Film betrachtet, etwas weniger überzeugend als sein erster in Witness. Trotzdem ist Ford’s Darstellung des Erfinders „Allie Fox“, der mit seiner Familie, sozusagen aus Protest gegen die „Konsumgesellschaft“, der USA den Rücken kehrt, sich zunächst im Dschungel von Honduras niederlässt und dort eine riesige „Kältemaschine“ (eine Maschine, die aus Wärme Eis produzieren kann) konstruiert, absolut sehenswert. Obwohl der Film wahrlich dialoglastig ist und unbedingt seine „Anti-Konsum-Botschaft“ rüberbringen und erzählen will, zählt Ford’s konsequente Wandlung darin vom eigensinnigen Erfinder zum Tyrannen, der am Ende den Verstand verliert und so zur Bedrohung für seine Frau und seine vier Kinder wird, sicherlich zu den besten Leistungen seiner Karriere. Aber auch Ford’s Co-Stars in Mosquito Coast sind interessant. Die wunderbare Helen Mirren, die einst einen Eintrag im Guinness Book of Records hatte als die Frau, die am öftesten in Filmen nackt zu sehen war (als „Beispiel-Filme“ hierfür könnte man Tinto Brass‘ Skandalwerk und „erotic historical drama film“ Caligula aus 1979 nennen oder Peter Greenaway’s Meisterwerk The Cook, the Thief, His Wife & Her Lover/dt.: Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber aus 1989), spielt Ford’s Ehefrau. Der viel zu jung verstorbene River Phoenix (1970-1993), von dessen großem Talent man sich vor allem in Rob Reiner‘s Stephen King-Verfilmung Stand by Me (1986; Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers) und Gus Van Zant’s (zumindest in den 90ern :-)) legendärem Kultklassiker My Own Private Idaho (1991; My Private Idaho) überzeugen hat können, gibt Ford’s Sohn, der sich als erster gegen den immer seltsamer agierenden Vater aufzulehnen beginnt. Wie bereits erwähnt, spielte Phoenix 1989 dann auch den jungen „Indy“ in Indiana Jones and the Last Crusade.

 

In gewisser Weise verschlug es Ford aber schon 1985, in der oben angeführten ersten Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Australier Peter Weir, in Witness, von der Großstadt und der Zivilisation in die Natur und Einöde, was ohnehin stets eines der Hauptmotive in Weir’s Filmen war (man denke da nur an den „Indonesien-Film“ The Year of Living Dangerously/dt.: Ein Jahr in der Hölle von 1982 mit Mel Gibson und Sigourney Weaver oder an den Horrorfilm-Meilenstein Picnic at Hanging Rock/dt.: Picknick am Valentinstag aus 1975).

Witness beginnt wie ein konventioneller Thriller. Ein eben zur Waise gewordener Amish-Junge (Anmerkung: Die Amish sind eine täuferisch-protestantische Glaubensbewegung, die Landwirtschaft betreibt und bestimmte moderne Techniken ablehnt), gespielt von Lukas Haas, wird auf einer Bahnhof-Toilette in Philadelphia der einzige Zeuge eines grausigen Mordes (der im Übrigen relativ explizit dargestellt wird) an einem Mann, wobei sich im Laufe der Geschichte dann schnell herausstellt, dass sowohl das Opfer als auch die beiden Täter Cops waren (in einer herrlich unsympathischen Rolle, als Kehlen-durchschneidender Cop „McFee“, ein Lieutenant des Rauschgiftdezernats, der aber selbst in den Drogenhandel verwickelt ist, ist hier der spätere Co-Star von Mel Gibson in den Lethal Weapon-Filmen, nämlich Danny Glover, zu sehen). Der gestresste Großstadt-Cop John Book, der von Ford gespielt wird, muss sich in der Folge mit den beiden „Amish-Landeiern“, nämlich dem Jungen und dessen ebenfalls sehr sperrig agierenden Mutter, gespielt von Top Gun (1986; Regie: Tony Scott)-Star Kelly McGillis, herumschlagen, aber schließlich sogar mit ihnen aufs Land flüchten, da Ford herausfindet, dass sein eigener Chief in die Drogen-Sache mit verwickelt ist. Der von McFee angeschossene Book muss also bei den auch aus seiner Sicht „schrulligen“ Amish-Leuten untertauchen und wird Teil ihrer Welt, indem er bei der Landwirtschaft und bei sonstigen Arbeiten hilft. Der Kontrast zwischen der Großstadt Philadelphia, der modernen Zivilisation, und dem Landleben wird durch wirklich eindrucksvolle und ruhige Landschaftsaufnahmen (Kamera: John Seale), die allesamt in Lancaster County in Pennsylvania entstanden sind, unterstrichen. Wobei man anmerken muss, dass die Langsamkeit dieses anspruchsvollen Films, also sein Tempo, schon damals, in den 80ern, zumindest ungewöhnlich war, heutzutage die meisten Zuseher aber sicherlich auch irgendwie zur Verzweiflung bringen würde :-).

Herzstück des Films ist dementsprechend aber auch die wunderbar langsam und vorsichtig vollzogene Annäherung zwischen Ford und McGillis, denn, was, wie gesagt, als doch recht konventioneller Thriller beginnt, wird zu einer der interessantesten Liebesgeschichten des 80er-Jahre-Kinos!

Der Magic Moment von Witness ist dann folglich zweifellos jene Szene, in der „John Book“ Harrison Ford, zunächst heimlich, die halbnackte „Rachel Lapp“ Kelly McGillis beobachtet, wie sie gerade dabei ist, sich mit einem Schwamm zu waschen. Als sie dann merkt, dass Ford sie beobachtet, dreht sie sich um und beide sehen sich so an, dass man das Verlangen der beiden nacheinander förmlich spürt, ein Verlangen, das aber ein unterdrücktes bleibt. Am Tag danach spricht Book dann gegenüber Rachel Lapp die Gründe dafür aus, warum das Ganze zwischen ihnen wohl nichts werden kann:

 

 JOHN BOOK

 Rachel. Wenn wir uns gestern Nacht geliebt hätten, hätte ich bleiben müssen. Oder du hättest gehen müssen.

 

 

Peter Weir wäre aber nicht Peter Weir, wenn er, völlig unkritisch gegenüber den Strukturen, die solche (die proklamierte „Gewaltfreiheit“ der Amish hin oder her) unterm Strich dennoch militanten Religionsgemeinschaften, wie es die Amish nun einmal sind, zwangsweise mit sich bringen, nur eine ländliche Idylle gezeichnet hätte, in der der „gestresste Großstädter“ Harrison Ford zu sich selbst findet. Nein, es werden durchaus auch die restriktiven, patriarchalischen, unterdrückenden Strukturen gezeigt, die Religionsgemeinschaften dieser Art oder auch Sekten ganz generell immer an sich haben. Insofern ist Weir da genauso konsequent wie Lars von Trier in seinem radikalen Meisterwerk Breaking the Waves (1996), in dem sich die junge „Bess McNeill“, unnachahmlich gespielt von Emily Watson, in den 70er-Jahren mit den Vertretern der tiefreligiösen calvinistischen Gemeinde an der Küste Schottland's herumschlagen muss, in der sie lebt.

Witness, dieses Film-Juwel aus den 80ern, das im Übrigen auch ein fantastisches Finale aufweist, das man mit „drei korrupte Cops gegen Harrison Ford auf einem Bauernhof“ :-) umschreiben könnte, brachte Ford die erste und einzige Oscar-Nominierung seiner Karriere ein, wobei er und noch drei andere sich aber gegen William Hurt geschlagen geben mussten, der den Hauptdarsteller-Oscar für Hector Babenco’s Kultfilm Kiss of the Spider Woman (1985; Kuss der Spinnenfrau) einheimste. Amüsant ist vielleicht auch noch, dass The Lord of the Rings (2001-2003; Der Herr der Ringe-Trilogie; Regie: Peter Jackson)-Star Viggo Mortensen in Witness sein Kinodebüt gegeben hat, denn er spielt darin die kleine Rolle des Amish-Mannes „Moses Hochleitner“.

 

 

 

REPLIKANT ROY BATTY (Rutger Hauer)

(zu „Rick Deckard“ Harrison Ford)

 Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet.

 Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion.

 Und ich habe C-Beams [C-Strahlen] gesehen, glitzernd im Dunkeln, nahe vor dem Tannhäuser Tor.

 Alle diese Momente werden verloren sein…in der Zeit.

 So wie Tränen im Regen.

 Zeit, zu sterben.

 

 

(I’ve seen things you people wouldn’t believe.

Attack ships on fire off the shoulder of Orion.

 I watched C-beams glitter in the dark near the Tannhäuser Gate.

 

 All those moments will be lost...in time.

 

 Like tears in the rain.

 

 Time to die.)

 

 [aus: Ridley Scott’s Science Fiction-Film Blade Runner; 1982]

 

Die letzten (an Harrison Ford, an den Mann, der ihn im Film jagt, gerichteten) Worte des „Replikanten“ (Anmerkung: Das sind in Blade Runner künstliche Menschen, deren Lebensdauer auf vier Jahre begrenzt ist, die aber äußerlich nicht mehr von wirklichen Menschen unterscheidbar sind) „Roy Batty“, wunderbar vielschichtig (und auch böse) gespielt von Rutger Hauer, dem charismatischen Niederländer, der in den 70ern einst durch seine Zusammenarbeit mit Regisseur Paul Verhoeven in Türkische Früchte (1973; Turks fruit), dem, wie es einst ganz offiziell hieß, „besten niederländischen Film des Jahrhunderts“, populär wurde und den es in den 80ern nach Hollywood verschlagen hat, wo er dann leider, nach ein paar filmischen Highlights (wie eben Blade Runner, Nighthawks/dt.: Nachtfalken von Bruce Malmuth aus dem Jahr 1981 oder The Osterman Weekend/dt.: Das Osterman Weekend von Sam Peckinpah aus 1983), etwas in die B-Movie-Schiene geraten ist, sind der mitreißende und berührende Höhepunkt von Ridley Scott’s berühmten „Cyberpunk“-Science Fiction-Film aus dem Jahre 1982, der auch den damals bereits verstorbenen Autor der Vorlage, Philip K. Dick (1928-1982), posthum berühmt gemacht hat. Wobei man sagen muss, dass Hauer‘s Worte, die eben tiefes Bedauern darüber ausdrücken, dass seine Zeit als künstlicher Mensch, als „Replikant“, unaufhaltsam abläuft (eine bittere Tatsache, gegen die sich Batty, zusammen mit ein paar anderen „Replikanten“, schließlich ja den ganzen Film über, und mitunter auch mit brutalsten Mitteln, stemmt), in der deutschen Synchronisation noch viel intensiver rüberkommen als im englischen Original. Überhaupt ist Blade Runner eines der wenigen Beispiele dafür, dass Synchronisationen besser sein können als Original-Fassungen, und das ist eben Wolfgang Pampel und Thomas Danneberg zu verdanken, denn Pampel ist ohnehin Ford’s vertraute deutsche Standardsynchronstimme (und selbst Harrison Ford ist angeblich der Meinung, dass Pampel’s Stimme sein Wesen besser trifft als seine eigene :-)) und Danneberg (im Übrigen die Standardsynchronstimme von Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, John Travolta und Terence Hill) hat aus Hauer’s Abschiedsworten ein echtes Synchronisations-Highlight geschaffen.

Ein Film, der in der deutschen Synchronfassung tatsächlich auch besser wirkt als im Original, ist Stephen Frears sensationelle Literaturverfilmung Dangerous Liaisons (Gefährliche Liebschaften; literarische Vorlage: Choderlos de Laclos) aus dem Jahr 1988, in der John Malkovich (als „Vicomte de Valmont“) sowie Glenn Close und Michelle Pfeiffer wahrlich Großartiges leisten. Die Sache ist eben nur, dass die deutsche Synchronisation (hervorzuheben ist hier vor allem Joachim Tennstedt als Stimme von Malkovich) aus Dangerous Liaisons verblüffenderweise einen noch besseren, überzeugenderen, ja sogar vielschichtigeren Film macht! Ein drittes Beispiel für einen Film, der in der deutschen Synchro irgendwie hinzugewinnt, ist auch noch Stanley Kubrick’s legendäres A Clockwork Orange (1971; Uhrwerk Orange; literarische Vorlage: Anthony Burgess), der auf Deutsch fast noch eine Spur „unangenehmer“ erscheint als im Original.

Aber, um ganz ehrlich zu sein, schätze ich Blade Runner erst seit etwa zwanzig Jahren, denn in den alten Videotheken-Zeiten der 80er-Jahre, in denen ich mir diesen „Harrison Ford-Film“ das erste Mal zur Gemüte geführt habe, kam er mir, bei aller visueller Brillanz, die ja fast jeder von Ridley Scott inszenierter Film hat, ungeheuer „langweilig“ und „langatmig“ vor und löste bei mir eher Gedanken aus wie den folgenden: Was bitte tut Han Solo und Indiana Jones in so einer Schnarch-Nummer?!

 

Und tatsächlich ist Scott’s Werk, das sich vielleicht ab und an ein bisschen zu sehr in einer „80er-Jahre-Werbeclip-Ästhetik“ verliert, tendenziell eher so etwas wie ein „Arthouse-Science Fiction-Film“ (ähnlich wie auch Scott’s Alien/dt.: Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt aus dem Jahr 1979), auf jeden Fall aber ein „Anti-Star Wars-Science Fiction-Film“, das Gegenprogramm zum Kino von Lucas und auch des damaligen Spielberg, wobei natürlich gerade der Umstand, dass ausgerechnet Harrison Ford, bekanntlich der damalige Lieblingsschauspieler von Lucas und Spielberg, darin die Hauptrolle spielt, zusätzlich spannend ist. Heute finde ich vor allem diesen zentralen „Ein künstlicher Mensch leidet an seiner Sterblichkeit“-Aspekt interessant an Blade Runner, genauso wie die eigentlich tolle Film-Musik von Vangelis, einem der Poniere der elektronischen Musik.

Die Tatsache, dass der Regisseur, Ridley Scott, immer wieder gerne an Blade Runner herumgeschnitten hat (1992 entstand ein Director’s Cut des Films sowie 2007 ein Final Cut), mag nicht verwundern, wenn man weiß, dass ihm für die 82er-Original-Kino-Fassung von den Produzenten Voice-over-Kommentare aufgezwungen worden waren, zur besseren Erklärung der Handlung, sowie eine Art „Happy End“, in dem Ford zusammen mit der „Replikantin“ Rachael (gespielt von Sean Young) am Ende mit seinem Auto durch ein Waldgebiet (absurderweise wurden dafür übriggebliebene Luft-Aufnahmen von Wäldern aus dem Beginn von Stanley Kubrick’s Horrorfilm The Shining/dt.: Shining aus 1980 verwendet) fährt und sich „optimistisch“ bezüglich ihrer gemeinsamen Zukunft äußert. Der von Scott 2007 autorisierte Final Cut präsentiert uns schließlich so etwas wie ein offenes Ende, denn der Film endet dort, wo Ford mit Young in den Fahrstuhl steigt und in eine ungewisse Zukunft geht, denn man weiß, dass Rachael als „Replikantin“ ohnehin kein langes Leben beschert sein wird. Aber: Vielleicht gibt’s ja irgendwann mal den Final Final Cut von Blade Runner – wir werden sehen :-).

 

Gar keine Frage, es gibt ein „Jack Ryan-Problem“ in der Filmbranche!

Obwohl es eigentlich schon insgesamt fünf Kino-Filme (und eine TV-Serie) mit dem einst von Bestseller-Autor Tom Clancy erfundenen „US-Ersatz-Bond“ gibt, kann man wohl kaum von einer „Film-Reihe“ im herkömmlichen Sinn sprechen, denn die Filme betrachtet wohl niemand ernsthaft als irgendwie zusammengehörig oder unterzieht jetzt wirklich die Jack Ryan-Darsteller so einem „Check“, wie es die Bond-Darsteller stets über sich ergehen lassen müssen. Und ganz sicher hält niemand den „Ur-Jack Ryan“ Alec Baldwin, der die Rolle in John McTiernan’s The Hunt for Red October (1990; Jagd auf Roter Oktober), also in der durchaus gelungenen Verfilmung von Clancy’s Bestseller, gespielt hat, für den „bisher besten Jack Ryan-Darsteller“ :-), so wie man Connery im Allgemeinen für den „best Bond ever“ hält, wobei ja ausgerechnet Connery witzigerweise jenen sowjetischen U-Boot-Kapitän in The Hunt for Red October spielt, der mit seinem Atom-U-Boot zur NATO überlaufen möchte. McTiernan’s präzise und spannend inszeniertes Werk ist aber bis heute sicherlich der beste unter den „Jack Ryan-Filmen“.

 

Der „bisher beste Jack Ryan-Darsteller“ ist aber gewiss nicht in den Reihen von Ben Affleck oder Chris Pine zu finden, die die Rolle in The Sum of all Fears (2002; Der Anschlag; Regie: Phil Alden Robinson) beziehungsweise in Jack Ryan: Shadow Recruit (2014; Regie: Kenneth Branagh) gespielt haben, sondern, der „bisher beste Jack Ryan-Darsteller“ ist, natürlich – möchte man sagen, Harrison Ford, der den CIA-Mann gleich in zwei sehr erfolgreichen Filmen, nämlich in Patriot Games (1992; Die Stunde der Patrioten) und Clear and Present Danger (1994; Das Kartell), gespielt hat, die beide unter der Regie des Australiers Phillip Noyce entstanden sind und wiederum nach den literarischen Vorlagen von Tom Clancy. Und der Hauptdarsteller Ford ist dann fast auch schon wieder der einzige Trumpf, den die beiden Filme haben, denn sie sind, naja, beinahe erschreckend konventionell und "typisches 90er-Jahre-Acion-Kino". Speziell Patriot Games kommt, für die damalige Zeit, für die frühen 90er, nicht ungewöhnlich, auch noch reichlich „patriotisch“ und „CIA-unkritisch“ rüber, ein Faktum, das diesen Ford-Film auch sozusagen schlecht altern hat lassen. Clear and Present Danger ist dann allerdings auch der klar bessere Film von den beiden, denn während Ford es in Patriot Games noch mit einer Splittergruppe der IRA, die von Sean Bean angeführt wird, zu tun bekommt, wird in Clear and Present Danger das Cali-Kartell rund um einen gewissen „Ernesto Escobedo“ (gespielt von Miguel Sandoval) zu seinem Hauptgegner. Der Name „Escobedo“ ist selbstverständlich nicht zufällig gewählt, denn natürlich stand hier der berühmt-berüchtigte kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar (1949-1993) Pate für diese Schurkenfigur.

Da ich mich persönlich auch immer wieder mit dieser „sagenumwobenen“, aber eben auch zutiefst schrecklichen Figur der kolumbianischen (Drogen-)Geschichte auseinandergesetzt habe, so zum Beispiel durch die Lektüre des wirklich lesenswerten Buches Killing Pablo: The Hunt for the World’s Greatest Outlaw (erschienen 2001; dt. Titel: Killing Pablo: Die Jagd auf Pablo Escobar, Kolumbiens Drogenbaron) des Reporters Mark Bowden, ist mir diese zweite Clancy-Verfilmung mit Harrison Ford als Jack Ryan auch die liebere, wenngleich beide Werke nicht unbedingt in die Kategorie „Meine Lieblingsfilme mit Harrison Ford“ gehören, denn da wären Spielberg’s Raiders of the Lost Ark, Polanski’s Frantic und Robert Zemeckis‘ phantastisches Spannungs-Meisterwerk What Lies Beneath (2000; Schatten der Wahrheit), in dem Ford, für ihn ja völlig untypisch, an der Seite seiner Film-Ehefrau Michelle Pfeiffer den Bösewicht spielt, klar voran. Clear and Present Danger hat aber, wenn man es ganz genau nimmt, neben Ford noch ein zweites Eisen im Feuer, und das ist der wunderbare Willem Dafoe als Anführer einer verdeckt operierenden US-Elite-Einheit, die inoffiziell nach Kolumbien geschickt wird, um Escobedo für den Mord an einen US-Geschäftsmann zur Rechenschaft zu ziehen, der ein persönlicher Freund des amerikanischen Präsidenten war. Der Umstand, dass diese verdeckt operierende Elite-Einheit Dafoe‘s, aus politischen und „CIA-politischen“ Gründen, letztendlich im Laufe des Films für einen faulen Deal zwischen der CIA und den Drogenhändlern dann geopfert werden soll, macht Clear and Present Danger zu einem ungleich „institutionskritischeren“ Werk als Patriot Games.

 

 

DR. RICHARD KIMBLE

 Ich sag Ihnen, ich hab meine Frau nicht umgebracht!

 (I didn’t kill my wife!)

 

 DEPUTY US MARSHAL SAMUEL GERARD (Tommy Lee Jones)

 Das ist mir scheißegal!

 (I don’t care!)

 

 [aus: Andrew Davis‘ The Fugitive/dt.: Auf der Flucht; 1993]

 

 

Natürlich gäbe es aus den 90ern, neben dem „thriller film“-Klassiker The Fugitive, aus dem das obige Zitat stammt, noch viele Filme mit Harrison Ford, die es wert wären, näher auf sie einzugehen. So wie zum Beispiel den leicht albernen Ein US-Präsident setzt sich mit Waffengewalt gegen Flugzeugentführer zur Wehr-Film Air Force One (1997; Regie: Wolfgang Petersen), in dem Ford einen US-Präsidenten spielt, der sich die Entführung seiner „Air Force One“ durch Bösewicht Gary Oldman nicht gefallen lässt und die Hijacker-Truppe in Folge auch eigenhändig aufmischt, was letztendlich eine reichlich (und wohl „90er-Jahre bedingte“) absurde Hochstilisierung der Figur des US-Präsidenten ist, die man so ähnlich auch aus Roland Emmerich’s Science Fiction-Blockbuster Independence Day (1997) kennt, wo „US-Präsident“ Bill Pullman mit in die Schlacht gegen die Außerirdischen zieht :-).

Weitaus bessere Filme als Petersen’s zumindest ideologisch leicht fragwürdiges Werk sind da schon die beiden Filme, die durch die Zusammenarbeit von Ford mit Regie-Legende Alan J. Pakula (1928-1998; z. B.: 1971: Klute mit Jane Fonda und Donald Sutherland; 1976: All the President’s Men/dt.: Die Unbestechlichen mit Robert Redford und Dustin Hoffman; 1993: The Pelican Brief/dt.: Die Akte mit Julia Roberts, Denzel Washington und Sam Shepard) entstanden sind, nämlich Presumed Innocent (1990; Aus Mangel an Beweisen) mit Co-Star Greta Scacchi  und The Devil’s Own (1997; Vertrauter Feind) mit Co-Star Brad Pitt. Vor allem der Gerichtsfilm-Thriller Presumed Innocent ist einer der besten Harrison Ford-Filme der 90er, in dem der Staatsanwalt „Rozat Rusty Sabich“, gespielt von Ford, des Mordes an seiner Kollegin „Carolyn Polhemus“, gespielt von dem späteren Salt on Our Skin (1992; Salz auf unserer Haut; Regie: Andrew Birkin)-Star Greta Scacchi, beschuldigt wird. Am Ende stellt sich aber heraus, dass Sabich’s Ehefrau Barbara, gespielt von Bonnie Bedelia (der Film-Ehefrau von Bruce Willis in der Die Hard-/Stirb langsam-Reihe!), den Mord begangen hat, mit dem sie sozusagen ihre Nebenbuhlerin aus dem Weg geräumt hat.

Weit weniger positive Resonanz bei Kritik und Publikum hat der zweite Ford-/Pakula-Film The Devil’s Own erfahren, obwohl das Duo Ford/Pitt durchaus einen zumindest soliden Kassenschlager hätte erwarten lassen. „Kitschig“ und „ideologisch“, so bezeichnete Die Woche 1997 den Film, Ulrich Behrens geißelte auf der Website von Filmstarts die „moralisch-oberflächliche Impertinenz“ dieses finalen Pakula-Werks. Und tatsächlich: Die Geschichte des Polizisten Tom O’Meara (Harrison Ford), der den eigentlich der „Irish Republican Army“, der IRA, zugehörigen Rory Devaney (Brad Pitt), der in Wahrheit aber Frankie McGuire heißt und in den USA bloß „Flugabwehrraketen“ für die IRA einkaufen will, wie ein Familienmitglied bei sich zu Hause aufnimmt und dann eben irgendwann erkennen muss, dass er es mit einem militanten IRA-Kämpfer zu tun hat, hat so einige unfreiwillige „Peinlichkeiten“ zu bieten und ist psychologisch wahrlich nicht immer ganz schlüssig. Aber wie schon der bedeutende US-Kritiker Roger Ebert seinerzeit in der Chicago Sun-Times bemerkte, hat der Film mit Ford und Pitt halt zwei Stars, die jedes filmische Werk irgendwie zum Funktionieren bringen. Insofern lobte er die beiden Schauspieler („[…] enormously appealing and gifted actors […]“) und deren letztendlich positiven Einfluss auf das zwiespältige Endergebnis ([…] „and to the degree that the movie works, it’s because of them“).

 

Aber zurück zu The Fugitive, dem Remake der gleichnamigen US-Serie (lief von 1963-1967; dt. Titel: Auf der Flucht/Dr. Kimble auf der Flucht), das für sieben Oscars nominiert wurde, was für einen Action-Thriller jetzt nicht unbedingt Standard ist. Bekanntlich hat Tommy Lee Jones für seine Nebenrolle des „Deputy US Marshal Samuel Gerard“, der den zu Unrecht des Mordes an seiner Frau verdächtigten und entflohenen „Dr. Richard Kimble“ Harrison Ford mit seiner Truppe hinterherjagt, sogar den Nebenrollen-Oscar erhalten. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag Tommy Lee Jones und finde, er hätte damals den Hauptdarsteller-Oscar für Paul Haggis‘ grandioses Drama In the Valley of Elah (2007; Im Tal von Elah) erhalten sollen, aber die Figur des „Sam Gerard“ habe ich immer als klischeehaft empfunden und Jones‘ Leistung in dem Film, den ich heutzutage aber weit mehr schätze als 1993 oder noch vor zehn Jahren,  als überbewertet. Überhaupt ist die ganze „Deputy US Marshal-Truppe“ um den „Leitwolf“ Gerard unerträglich, denn die meisten von Jones‘ Begleitern kommen irgendwie als, naja, „nervige Blödquatscher“ rüber bzw. sind Vertreter jener typisch überdrehten Nebenfiguren, von denen das US-Kino in den späten 80ern und 90ern nur so gewimmelt hat und die alle agieren, als hätten sie gerade etwas eingenommen :-). Abgesehen davon ist Andrew Davis‘ The Fugitive aber ein gelungener „Action-Thriller mit Anspruch“, der visuell durchaus eindrucksvoll ist und in dem vor allem auch Harrison Ford in Top-Form ist.

Nach dem einfach nur grandiosen What Lies Beneath aus dem Jahr 2000, zu dem ich mich aber schon, in Zusammenhang mit Regisseur Zemeckis, in einem anderen Artikel etwas eingehender geäußert habe, ließ Ford’s Kassenträchtigkeit, vor allem natürlich altersbedingt, ein wenig nach. Deshalb war es auf jeden Fall eine Sensation, dass Spielberg und Lucas den zahlreichen Fans mit Ford in der Hauptrolle 2008 einen vierten Indiana Jones-Teil beschert haben. Ich selbst habe mich damals monatelang auf den vierten „Indy“, auf Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull, gefreut und der Kino-Trailer dazu hat mich dementsprechend regelrecht euphorisiert. Aber wie’s halt so oft ist: Übertriebene Erwartungen werden selten erfüllt :-). Wobei: Der Anfang des Films, gemeint ist die Eingangsszene in der riesigen Militärlagerhalle sowie Ford’s anschließende Flucht vor den Russen (rund um „Irina Spalko“ Cate Blanchett) und „Indy’s Flug mit dem Kühlschrank“ raus aus dem Atomtestgelände, auf dem blöderweise gerade auch eine Atombombe getestet wird, ist genial und erreicht fast auch rein atmosphärisch die drei grandiosen Vorgänger-Filme. Leider erschöpft sich der Film, der wunderbarerweise auch ein Wiedersehen mit „Marion Ravenwood“ Karen Allen bietet, dann im letzten Drittel in nervigen Dauerverfolgungsjagten, die sinnentleert wirken und nur „Spektakel machen“ wollen und letztendlich dazu führen, dass man sich zu langweilen beginnt und nach den ersten drei Indiana Jones-Teilen zu sehnen. Fast scheint es so, dass Regisseur Spielberg irgendwann im Laufe des Films seine Inspiration verloren hätte oder zumindest seine Motivation, einen wirklich guten vierten Teil abzuliefern, der sich nicht bloß an „modernen Sehgewohnheiten“ orientiert.

Ach ja, eines noch: Shia Labeouf als „Indy Jr.“, der eigentlich „Henry Mutt Williams“ heißt und eben der gemeinsame Sohn von Indiana Jones und Marion Ravenwood ist, stört weniger als erwartet :-).

 

Wie auch immer: Nachlassende Kassenträchtigkeit hin oder her. Ford war, laut Guinness Book of Records, also ganz offiziell, Anfang der 2000er-Jahre der reichste Schauspieler der Welt!

 

(ENDE von TEIL 2 des Artikels – Fortsetzung EINLEITUNG; Fassung vom 30.08.2018)