Ausschnitt aus "NO PULP IN THE FICTION" (Buch; 2020): Kapitel "JACKIE BROWN" (Teil 1.1[von 4])              [EXPLICIT CONTENT]

 

Jackie Brown (1997)

(ca. 154 Min.; dt. Verleihtitel: Jackie Brown)

 

 

Yeah, it’s like a Quentin Tarantino movie. You don’t know what the fuck is going on `til you know what the fuck is going on

 

(aus dem Interview „Ein Blick auf Jackie Brown“; Quentin Tarantino gibt die Worte eines „young black girl“ wieder, neben dem er 1997 bei einer Vorstellung seines Films in einem Magic Johnson [Movie] Theatre in L.A. gesessen ist – die Aussage, übersetzt in etwa: „Ja, es ist wie ein Film von Quentin Tarantino. Man weiß nicht, was vorgeht, bis man weiß, was vorgeht“, war eine Antwort auf QT’s Frage nach der Verständlichkeit der „Geldübergabe-Szene“ in der „Del Amo [Shopping]Mall“, die in Jackie Brown ja schließlich aus drei verschiedenen Perspektiven präsentiert wird; Anm.: Das „young black girl“ wusste, dass der Fragesteller Tarantino höchstpersönlich ist)

 

 

 

ORDELL

AK-47, das Beste, was zu kriegen ist. […] Wenn du 100pro sicher sein willst, dass du jedes Arschloch, das dir auf die Nerven geht, umlegst, dann gibt’s keine Alternative.

 

(aus: Jackie Brown; „Ordell Robbie“ Samuel L. Jackson spricht über die „Vorzüge“ der AK-47, die in dem betont trashigen Waffen-Werbevideo „CHICKS WHO LOVE GUNS“, das er sich gerade mit „Louis Gara“ Robert De Niro in „Melanie’s Beach Apartment“ ansieht, von „Gloria“ vorgestellt wird, einer der Bikini tragenden Hauptdarstellerinnen des Videos – Beschreibung von Gloria’s Auftritt im Skript: „GLORIA, a tall, Amazonian, bikini-clad black woman, faces camera and describes the AK-47.“; Originalfassung laut QT-Skript: „AK-47, the very best there is. […] When you absolutely, positively, gotta kill every motherfucker in the room, accept no substitute.“; AK-47: Sturmgewehr & gleichsam „Ursprungswaffe“ der „Kalaschnikow-Gewehrfamilie“)

 

 

 

MAX

Ich wette, Sie können mit 29 nicht hübscher gewesen sein, als Sie’s heute sind.

 

(aus: Jackie Brown; „Max Cherry“ Robert Forster zu „Jackie Brown“ Pam Grier in „Jackie’s Apartment“; Originalfassung des Kompliments – gemäß QT-Skript: „In fact. I’d make a bet that except possibly for an Afroyou look exactly the same as you did at twenty-nine.“)

 

 

 

Ooo-ooo-oo...

Ooo-ooo-oo...

I was the third brother of five

Doing whatever I had to do to survive

I’m not saying what I did was alright

Trying to break out of the ghetto was a day to day fight

[…]

Across 110th Street

Pimps trying to catch a woman that’s weak

Across 110th Street

Pushers won’t let the junkie go free

[…]

 

(aus dem 1972 erschienenen Song „Across 110th Street“ von Bobby Womack, der gleichsam die Eröffnungsszene samt „credits“ sowie die Schlussszene & die „end credits“ von Jackie Brown untermalt; pimp: Zuhälter; pusher: Drogendealer)

  

 

We hear the rhythm of funky seventies SOUL MUSIC. Then SHE steps into FRAME. She is JACKIE BROWN, a stewardess dressed in her CABO AIR uniform“ (Copyright: QT-Skript – Beschreibung des ersten Auftritts von „Jackie Brown“ Pam Grier, der am „Los Angeles International Airport“ gleich ganz zu Beginn des Films stattfindet) – Quentin Tarantino hat in Interviews (so z. B. in dem längeren Interview „Ein Blick auf Jackie Brown“ – enthalten in den Extras der Blu-ray-Ausgabe) des Öfteren betont, dass er mit Jackie Brown nie die Absicht hatte, Pulp Fiction irgendwie zu toppen, sondern lediglich die Absicht, Pulp Fiction gleichsam zu untermauern.

Was mich selbst anbelangt: „I adore `Jackie Brown`!“ und liebe auch die -leicht- melancholische Stimmung darin – käme aber gleichzeitig nie auf die Idee, mich dem „revisionistischen Trend“ anzuschließen, Jackie Brown im Nachhinein zum „ultimativen Tarantino-Werk“ zu erklären.

Tatsache ist: Jackie Brown, der ja wiederum ein Film der großen Comebacks (Pam Grier & Robert Forster) geworden ist, ist sicherlich der „seriöseste & erwachsenste“ Film, den QT bis zum heutigen Tag gedreht hat, und die Eingangssequenz sowie die Schlusssequenz, in der Tarantino die Blaxploitation-Ikone Pam Grier (Beschreibung von „Jackie Brown“ im Skript: „Jackie Brown is a very attractive black woman in her mid-forties, though she looks like she’s in her mid-thirties“) sozusagen zu den Klängen des mitreißenden Bobby Womack-Klassikers „Across 110th Street“ inszeniert hat, gehören zu den allerschönsten und auch stilvollsten Momenten in QT’s gesamtem Werk!

 

 

Der Plot von Jackie Brown:

Der Film beginnt damit, dass man Zeuge davon wird, wie die Stewardess Jacqueline „Jackie“ Brown (diese arbeitet für die kleine Airline „Cabo Air“, welche von L.A. nach Cabo San Lucas in Mexiko fliegt) am Los Angeles Airport auf dem Weg zu „boarding Gate 12“ [QT-Skript] ist, um dort die Cabo Air-Passagiere zu begrüßen, bevor diese an Bord kommen [Anweisungen im QT-Skript: „She breezes through Customs[Zoll] and we follow her with a STEDICAM as she strides through the airport...She gets to her gate“; Steadycam: „Schwebestativ“ – komplexes Filmkamera-Halterungssystem, das ein freies Bewegen des Kameramanns sowie „verwacklungsarme“ Bilder ermöglicht].

Ortswechsel - in „Melanie’s Beach Apartment“ [QT-Skript] hängen drei Personen ab, nämlich Ordell Robbie, Louis Gara und Melanie Ralston [Ausschnitte aus den Beschreibungen im Skript: „Ordell wears clothes nice and likes wearing nice clothes. […] At this moment, Ordell’s wearing an open silk shirt[Seiden-Shirt]“ / „Louis, white, also in his mid-forties, has lived over half of his life in penal institutions[Strafanstalten]. The experience has affected both his body language and his thought process“ / „Melanie, thirty-three, is a tanned[gebräuntes], blonde, California beach bunny. […] So far Melanie has been able to make a living out of lying in the sun, always finding a generous, wealthy man more than willing to pay her rent […]“]. Der farbige Waffenhändler Ordell sieht sich zusammen mit Louis gerade das Video „CHICKS WHO LOVE GUNS“ an, in dem „beautiful bikini-clad women“ [QT-Skript] namens „Sydney“, „Cindy“ & „Gloria“ diverse automatische Waffen [TEC-9/Styer Aug/AK-47] anpreisen, und gibt zu einzelnen Waffen seine Kommentare ab [ORDELL, der Bezug nimmt auf die vorgestellte Waffe des „bodybuilder chick“ (Skript) „Cindy“: „Jetzt sieh dir das Teil an! Also das da ist eine `Styer Aug`. Die `Styer Aug` ist ein Monster. […] Die ist aber auch Arsch-teuer, Mann. Kommt aus Österreich. Meine Kunden kennen sich nicht damit aus. Deswegen werden die nicht so oft gefragt“; Originalfassung – gemäß Drehbuch: „Now see what she got. That’s a Styer Aug. Styer Aug’s a bad motherfucker. […] Shit’s expensive, man. Comes from Austria. My customers don’t know shit about it, so there ain’t no demand“].

Das Telefon läutet und nachdem sich Ordell einen kleinen „Machtkampf“ mit Melanie darüber geliefert hat, wer ran geht, denn Ordell will schon rein aus Prinzip, dass Melanie rangeht [QT-Skript: „They have a bit of a staring contest before she gets up to get the phone“], erfährt er am Telefon davon, dass sein „Mitarbeiter“ Beaumont Livingston offenbar im Gefängnis gelandet ist [ORDELL – ins Telefon: „What the fuck you doin‘ in jail? […] Ain’t you got better sense than to be drivin‘ drunk carrying a goddamn pistol?“; Quelle: Skript]. 

Ordell betritt am nächsten Tag das Büro des Kautionsvermittlers Max Cherry [Beschreibung von Cherry, dem Inhaber von „Cherry Bail Bonds“, im QT-Skript: „Max, a regular-Joe-type white guy in his fifties“] und übergibt diesem 10.000$ an Kaution, die eben mit dem Auftrag verbunden sind, „Beaumont“ aus dem Gefängnis zu holen, wobei Robbie so tut, als ob er nicht genau wissen würde, wie dieser „Beaumont“ wirklich heißt [CHERRY zu ORDELL: „Würden Sie sagen, Beaumont ist sein Vor- oder sein Nachname?“].

Ein Telefonat von Cherry bringt ans Tageslicht, dass Beaumont Livingston [gespielt von dem Schauspieler & Comedian Chris Tucker, der dann ein Jahr später, 1998, an der Seite von Jackie Chan mit der Actionkomödie Rush Hour seinen ersten großen Hit landete] durch den unerlaubten Waffenbesitz auch gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hat, denn Livingston gilt als verurteilt für „[p]ossession of unregistered machine guns“ [QT-Skript] – die Konsequenz: ihn würden nun gut zehn Jahre Knast erwarten. 

In der Nacht besucht Ordell dann den mittlerweile freigelassenen Beaumont in dessen „Hollywood apartment“ [Skript] und fordert von diesem eine Art Gefallen als Gegenleistung für die Kaution ein – Livingston soll ihm bei einem (von Ordell in Wirklichkeit nur frei erfundenen) Waffendeal mit „Koreans in Koreatown“ [ORDELL – gemäß Skript] sozusagen den Rücken freihalten [ORDELL: „Ich hab `n kleines Problem, OK. Ich brauche Hilfe und du kannst mir helfen. Na komm, knall dir noch `nen bisschen Shit in die Birne, na komm schon, und dann kommst du noch auf `nen Sprung mit, Mann“].

Wenig später stehen Robbie und Livingston beim Kofferraum von Robbie’s schwarzem Mercedes [„The trunk of a car is opened“ – Skript-Passage; Anmerkung: Wie schon in Reservoir Dogs – Wilde Hunde & Pulp Fiction zuvor präsentiert Tarantino auch in Jackie Brown einen sogenannten „Trunk Shot“, bei dem die Kamera eben im Kofferraum eines Autos platziert ist und somit das Geschehen aus dieser Perspektive filmt – der „Trunk Shot“ im Prolog-Teil von Pulp Fiction, bei dem John Travolta & Samuel L. Jackson ihre Waffen aus dem Kofferraum holen, bevor sie den Apartment-Komplex betreten, ist mittlerweile wohl der berühmtesteTrunk Shotder Filmgeschichte!] und Ordell versucht Beaumont zu überreden, in den Kofferraum zu steigen [BEAUMONT – laut Skript: „I ain’t gittin‘ in that trunk“], da er dort gleichsam am besten als eine Art „Backup“ für Ordell bei dem Waffendeal fungieren kann.

Als er Beaumont endlich in das Ganze „reingequatscht“ hat, diesem eine Pumpgun in die Hand gedrückt hat und ihn damit im Kofferraum untergebracht hat, steigt Ordell in seinen Wagen, zieht sich ein paar Handschuhe an, holt eine „five shot .38 snubby“ [QT-Skript; „snubby“: Revolver mit kurzem Lauf] aus dem Handschuhfach und fährt dann, zu den Klängen von „[c]ool, old-school R&B“ [Skript; QT verwendete letztendlich den Song „Strawberry Letter 23“ von The Brothers Johnson aus dem Jahr 1977], der von einer Kassette aus dem Autoradio tönt, los. Robbie steuert den Wagen de facto nur um die Ecke, hält ihn auf einem verlassen wirkenden sowie umzäunten Gelände wieder an, öffnet den Kofferraum und erschießt Beaumont umgehend [Anmerkung: Unmittelbar nachdem „Ordell“ Samuel L. Jackson den Kofferraum öffnet, sagt „Beaumont“ Chris Tucker noch den Satz „Tu `nem N***** einen Gefallen und du...“/im Original: „Do a n***** a favor...“ – der Satz stand nicht im Skript und war, laut QT, eine von Chris Tucker’s berühmten „Impros“, denn Tucker war und ist dafür bekannt, auch bei Filmprojekten einen Großteil des Dialogs zu improvisieren].

Ordell fährt anschließend zu Louis Gara, der sich gerade in „The City of Compton“ [dies wird auch im Film eingeblendet] bei Simone befindet, einer älteren Farbigen, die gerade vor Louis tanzt und begeistert den Song „Baby Love“ von Diana Ross & The Supremes mitsingt – Simone [gespielt von Hattie Winston] ist eine der Frauen, die Ordell quasi „finanziert“ und für sich arbeiten lässt. Nachdem er Louis, mit dem er ein kurzes Telefongespräch führt, klargemacht hat, dass er eigentlich direkt vor dem Haus steht, tritt Gara vors Haus und bekommt von Ordell die Leiche von Beaumont im Kofferraum präsentiert [Ausschnitt aus dem Gespräch Jackson & De Niro, das auch auf dem Jackie Brown-Soundtrack eingefügt wurde – Fassung laut Skript: LOUIS: „Who was that?“ / ORDELL: „That was Beaumont“ / LOUIS: „Who’s Beaumont?“ / ORDELL: „An employee[Mitarbeiter] I had to let go“ / LOUIS: „What did he do?“ / ORDELL: „He put himself in a situation where he was gonna have to do ten years in penitentiary[Zuchthaus, Strafanstalt], that’s what he did“]. Robbie verdeutlicht Gara mit der ganzen Aktion, dass er jeden aus dem Weg räumen wird, der ihn davon abhält, seine lukrativen Geschäfte [ORDELL – laut Skript: „I got me so far over a half-a-million dollars sittin‘ […] in a bank in Cabo San Lucas“] weiterzuführen. Gara gibt ihm daraufhin, wortkarg wie immer, zu verstehen, dass er absolut loyal ihm gegenüber ist – dann besiegeln Ordell & Louis ihre Zusammenarbeit mit einer Art „Ghetto-Faust“ [QT-Skript: „They both bump fists“].

 

 

 

(ENDE von TEIL 1.1 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 28.04.2020)