Daniel Craig in "Spectre" (2015; Regie: Sam Mendes): "Wie ein Flugdrachen in einem Hurricane" oder: Warum Craig's vierter Bond-Film in Wahrheit sein bester ist... (TEIL 1 - EINLEITUNG)

 

 

 Ah, da sind Sie ja wieder! Da sind wir wieder. Ich freue mich – also lassen Sie’s uns angehen…

 

 I

 

 BLOFELD (Christoph Waltz; zu „Dr. Madeleine Swann“ Lea Seydoux)

 Sie werden vermutlich wissen, dass James seine Eltern verloren hat, als er noch sehr klein war.

 Aber wussten Sie auch, dass es mein Vater war, der ihm half, durch diese schwere Zeit zu kommen?

 

  (aus: Sam Mendes’ James Bond-Film Spectre; 2015)

 

 

Angesichts der etwas überkonstruierten und vielleicht sogar leicht abstrusen „familiären“ Verbindungen, die sich da im Rahmen von Daniel Craig‘s viertem Auftritt als legendärer Geheimagent James Bond in Spectre (James Bond 007: Spectre)auftun, ist man am Ende ein wenig froh, dass nicht auch noch Darth Vader daherkommt und behauptet, er wäre Bond’s Vater :-).

Ich weiß, es ist in gewisser Weise „in“ geworden, Spectre nicht gut zu finden oder zumindest als „schwächer“ zu empfinden als etwa den spektakulären James Bond im Burn-out-Film und Mega-Blockbuster Skyfall (2012; James Bond 007: Skyfall; Regie: Sam Mendes) oder den innovativen Wir machen jetzt alles anders als bei Pierce Brosnan-Bond-Film Casino Royale (2006; James Bond 007: Casino Royale; Regie: Martin Campbell), der es bekanntlich geschafft hat, das kulturelle Phänomen „James Bond“, das er ja schon seit den 60er-Jahren, seit den glorreichen Sean Connery-Zeiten, ist, wieder weltweit zu reanimieren und ganz neue Publikumsschichten zu erobern, von denen man nie gedacht hätte, dass man sie noch erreichen könnte. Aber: Der überraschend atmosphärische Spectre ist so etwas wie ein „Bond-Film auf den zweiten Blick“, ebenso wie im Übrigen auch Marc Forsters Kurzfilm-Bond (Laufzeit: nur 102 Minuten) Quantum of Solace (2008; James Bond 007: Ein Quantum Trost), der sicherlich noch ein wenig unbeliebter ist als der Mendes-Film. Dazu später mehr…

 

Die Frage, wer James Bond, also die Rolle von „Frankenstein’s Monster“, wie Sean Connery es in einem Moment der dunkelsten Anti-Bond-Stimmung einmal ausgedrückt hat, gerade spielt oder spielen soll, ist eine zentrale im Filmbusiness. Und als seinerzeit lanciert wurde, dass Daniel Craig die Brosnan-Nachfolge antreten soll, eben nach dem seltsamerweise viel kritisierten, von mir persönlich aber stets sehr gemochten Die Another Day (2002; James Bond 007 - Stirb an einem anderen Tag; Regie: Lee Tamahori), hätte man ihn nicht mit mehr Vorschuss-Häme strafen können, als das der Fall gewesen ist. Nach dem Riesenerfolg von Casino Royale war Craig dann allerdings, wie das, naja, halt oft so ist, plötzlich für fast alle der Größte, zumindest der „beste Bond nach Sean Connery“ (oder so ähnlich :-)), wenngleich sich natürlich niemand ernsthaft getraut hat, Connery, der halt weiterhin die unangefochtene Nummer 1 ist, gar keine Frage :-), die Pole-Position abzuerkennen.  

Daniel Craig hin oder her. Eines ist auch klar: Man kann sicherlich nicht über James Bond und über James Bond-Filme schreiben, ohne auf ein paar Highlights der Serie und ohne auf die einzelnen Bond-Darsteller einzugehen.

 

Nichts, aber schon absolut gar nichts, geht bis heute über die beiden ersten Bond-Filme Dr. No (1962; James Bond – 007 jagt Dr. No; Regie: Terence Young) und From Russia with Love (1963; James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau; Regie: Terence Young). Dieser Meinung, die auch Daniel Craig einmal in der Casino Royale-Zeit in einem Interview zum Besten gegeben hat, kann man sich uneingeschränkt anschließen.

Schon in Dr. No ist Connery ein unglaublich „cooles Raubtier“ mit recht hohem Body-Count und, wenn man so will, erstaunlichem „Frauenverschleiß“, und wenn er das erste Mal die berühmten Vorstellungsworte „Bond. James Bond“ sagt, im Übrigen zu der erst kürzlich verstorbenen britischen Schauspielerin Eunice Gayson (1928-2018), dem einzigen so genannten „Bond-Girl“, das in zwei Filmen (Dr. No; From Russia with Love) in der gleichen Rolle, nämlich als Bond’s „love interest“ Sylvia Trench, vorkommt, dann ist das einer der ganz ganz großen Momente der Filmgeschichte, ein Moment, der ein Phänomen in Gang gesetzt hat, das bis heute andauert und das ganzen Generationen von Filmfans auch bis in die Gegenwart hinein etwas bedeutet.

Überhaupt ist Connery in Dr. No und in From Russia with Love nicht nur in absoluter körperlicher Topform, und außerdem noch ohne Total-Toupet, also noch mit etwas Eigenhaar :-), unterwegs, sondern scheint natürlich auch seiner Agenten- und Profikiller-Rolle noch nicht überdrüssig zu sein, zu der ihm ja eine Art Hass-Liebe verbindet. Man könnte sagen, dass die beiden späteren Connery-Bond-Filme Diamonds Are Forever (1971; James Bond 007 - Diamantenfieber; Regie: Guy Hamilton) und das, aus rechtlichen Gründen, außerhalb der offiziellen Serie entstandene Thunderball (1965; James Bond 007 - Feuerball; Regie: Terence Young)-Remake Never Say Never Again (1983; Sag niemals nie; Regie: Irvin Kershner), mit Klaus Maria Brandauer als Bösewicht „Largo“, irgendwie Ausdruck dieser Hass-Liebe sind. Auf jeden Fall hat sich Connery in beiden Fällen dafür fürstlich entlohnen lassen, dass man seine eigentliche Verachtung der Bond-Rolle in jeder einzelnen Szene der Filme förmlich spürt. Das ist zumindest der Eindruck, den ich bei der Betrachtung von Diamonds Are Forever und Never Say Never Again jedes Mal habe, wenngleich beide Werke dennoch einen gewissen Spaß-Faktor oder Unterhaltungs-Quotienten besitzen.

Aber zurück zu Dr. No.

Aus heutiger Sicht ist es vielleicht nicht schwer zu verstehen, aber dennoch leicht komisch, dass der Bond-Erfinder Ian Fleming (1908-1964) ursprünglich so gar keine Freude mit der Tatsache hatte, dass Sean Connery die Rolle seines von ihm erfundenen Lizenz zum Töten-Geheim-Agenten übernehmen sollte. Der Schriftsteller hielt den Ur-Bond Connery schlicht und einfach eher für eine Art schottischen „Proleten“ und hätte sich viel lieber David Niven oder Roger Moore in der Rolle gewünscht. Letzterer, Moore (1927-2017), der Anfang der 60er noch in seinem Simon Templar-TV-Serien-Vertrag feststeckte (Anmerkung: Diese hervorragende britische Serie, Originaltitel: The Saint, lief von 1962 bis 1969), sollte die Rolle bekanntlich dann in den 70ern übernehmen, und das unglaublich erfolgreich. Aber auch Niven (1910-1983) kam noch irgendwie zu Bond-Ehren und spielte schließlich in der etwas durchwachsenen und chaotisch geratenen Agentenfilm-Parodie Casino Royale aus dem Jahr 1967 (Regie: Val Guest, John Huston u. a.) die Rolle des „Sir James Bond“ (und Woody Allen, der auch am Drehbuch beteiligt war, die Rolle des „Jimmy Bond“ :-)).

Sehr bald aber hatte auch Fleming einsehen müssen, dass Connery die richtige Wahl war und der Rolle eine unverwechselbare Härte und vor allem Coolness verlieh, die das ikonische Potential der Leinwandfigur sofort herausarbeitete. Großartig auch jene Szene in Dr. No, in der Connery emotionslos den von Anthony Dawson gespielten Dr. No-Kollaborateur Professor Dent erschießt. Eine Tötung, die von folgendem Dialog umrahmt wird:

 

 

 

JAMES BOND

 Für wen arbeiten Sie, Herr Professor?

 

 

 PROFESSOR DENT

 Ich verrat’s Ihnen. Als toter Mann können Sie nichts mehr damit anfangen.

 Ich arbeite für…

 (hebt seine Waffe vom Boden auf und versucht, auf Bond zu schießen; der Versuch misslingt, weil die Waffe offenbar bereits leer ist)

 

 

 JAMES BOND

 Sie haben eine sechs-schüssige Smith Wesson, und die sechs Dinger sind in der Matratze.

 (erschießt den Professor, schraubt seinen Schalldämpfer ab und bläst kurz in diesen hinein, als ob er ihn abkühlen wolle)

 

 

Natürlich ist die ganze Szene in englischer Originalsprache noch besser, denn Connery sagt, bevor er schießt, am Ende lediglich: „It’s a Smith & Wesson. And you’ve had your six.

 

Nanu, bisher kein Wort über Ursula Andress?

Wenn Sie sich das jetzt denken, so kann ich das verstehen, denn Andress gilt ja als die Bond-Girl-Ikone schlechthin, als das Ur-Bond-Girl, deren legendärer Bikini-Auftritt im karibischen Meer sicherlich einer der ganz großen und auch später in der Bond-Serie (in Die Another Day tut es Halle Berry Ursula Andress nach, in Casino Royale witzigerweise sogar James Bond, also Daniel Craig, selbst – aber natürlich erhebt sich dieser nicht in einem Bikini, sondern in einer Badehose aus dem Wasser :-))  immer wieder zitierten ikonischen Momente der gesamten Serie ist. Das „beste Bond-Girl“, wie oft behauptet wird, ist Andress aber für mich ganz persönlich jedoch nicht. Sie ist, als "Honey Ryder" (im Übrigen ein herrlich „emanzipierter“ Name, so wie der von vielen Bond-Girls :-)), absolut okay, sicherlich auch „sexy“, aber auf eine leicht seltsame, etwas verschrobene Art, wie das bei der Schweizerin Ursula Andress ohnehin stets der Fall war.

 

Wenn es schon darum geht, das beste Bond-Girl zu wählen, dann fällt mir zum Beispiel da eher Diana Rigg, die absolut unvergessliche und legendäre „Emma Peel“ aus der britischen TV-Serie The Avengers (1961-1969; Mit Schirm, Charme und Melone), ein, die in On Her Majesty‘s Secret Service (1969; James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät; Regie: Peter Hunt), einem der heimlichen Meisterwerke der Serie (wenn da bekanntlich nicht der wirklich schlechte Hauptdarsteller George Lazenby und der aus meiner Sicht unerträgliche „Blofeld“ Telly Savalas wären), die lebensmüde und melancholische Contessa Teresa „Tracy“ di Vicenzo spielt, die es am Ende sogar schafft, von Bond geheiratet zu werden. Die Schlussszene, in der Bond erkennen muss, dass seine nunmehrige Ehefrau Tracy von den Kugeln tödlich getroffen wurde, die Blofeld's Mitstreiterin Irma Bunt (Ilse Steppat) im Vorbeifahren auf das Flitterwochen-Fahrzeug der beiden abgefeuert hat, ist einfach nur berührend und großartig, genauso berührend und großartig wie Bond’s Worte, die er an einen Motorrad-Polizisten richtet, der kurz nach dem Vorfall zufällig vorbeikommt. Aus dem Grund, dass der englische Originaltext auf den Titel des wunderbaren Louis Armstrong-Songs We Have All the Time in the World (Text: Hal David/Musik: John Barry) anspielt, der sozusagen das Leinwand-Liebespaar Lazenby/Rigg durch den Film begleitet, sei er an dieser Stelle auch zusätzlich angeführt:

 

 

 JAMES BOND

 Alles in Ordnung.

 Es ist alles in Ordnung. Wirklich.

 Sie ruht sich nur etwas aus.

 Wir fahren gleich weiter.

 Wir sind nicht in Eile.

 Wir haben unendlich viel Zeit.

 

 

 (It’s all right.

 It’s quite all right, really.

 She’s having a rest.

 We’ll be going on soon.

 There’s no hurry, you see?

 We have all the time in the world.)

 

 

Wie bereits angedeutet, der Film ist irgendwie auch ein Meisterwerk, vielleicht ein gar kein so „heimliches“, wie ich oben gemeint habe, denn er rangiert auf allen Bond-Bestenlisten stets an den vorderen Stellen. Vor allem die Kameraarbeit von Michael Reed muss man als hervorragend bezeichnen, was sich in einigen wirklich eindrucksvollen Bildern ausdrückt, wie zum Beispiel in dem Bild zu Beginn des Films, in dem man sozusagen nur die Perspektive des Fadenkreuzes sieht, durch das hindurch Lazenby die lebensmüde Diana Rigg beobachtet, die gerade versucht, im Meereswasser Selbstmord zu begehen. Ein definitiver Makel bleibt aber bestehen, jenseits der Geschmacksfrage, ob Telly "Kojak" Savalas ein guter Blofeld ist: Der Einmal-Bond George Lazenby, der in keiner Sekunde verheimlichen kann, dass er nicht gerade ein schauspielerisches Supertalent ist. Seine witzigen, selbstironischen Worte, die ihm da die Drehbuchautoren Richard Maibaum und Simon Raven in den Mund gelegt haben, als er erkennen muss, dass ihm Diana Rigg entfleucht ist, und das noch dazu nach ihrer Rettung durch ihm vor dem Suizid und vor dem vermeintlichen Angriff von ein paar Schurken (in Wahrheit Männer in Diensten von Tracy's Vaters, dem Chef eines Verbrechersyndikats), die plötzlich ebenfalls am Strand aufgetaucht sind, wirken letztendlich wie eine bittere Selbsterkenntnis darüber, dass ihm in der Rolle keine Zukunft beschert war: This never happened to the other fellow („Das wär dem anderen nie passiert“).

 

From Russia with Love, Connery’s zweiter Bond, besticht bis heute mit einer aus meiner Sicht unvergleichlichen Kalter Krieg-Atmosphäre. Die Bond-Figur selbst ist ja ohnehin vor allem als „Waffe des Kalten Krieges“ konzipiert worden und macht als solche auch am allermeisten Sinn. Aber generell könnte man sagen, dass From Russia with Love bis heute der atmosphärischste aller Bond-Filme geblieben ist.

Großartig ist zum Beispiel auch jene Szene, in der Bond seinem Freund, dem verwundeten Geheimdienstchef Ali Kerim Bey, dabei behilflich ist, einen russischen Geheimdienstmann zu erschießen, der mitten in der Nacht aus dem sich plötzlich öffnenden Mund von Anita Ekberg klettert, deren abstrahiertes Antlitz sich auf einem riesigen Filmplakat zu der Bob Hope-Farce Call Me Bwana (1963; Bob auf Safari; Regie: Gordon Douglas; produziert von Bond-Produzent Albert R. Broccoli) befindet. Bond schießt dabei allerdings nicht selbst, sondern stellt sozusagen nur seine Schulter als Abstützhilfe für das bei der Tötung verwendete zerlegbare „Scharfschützengewehr mit Infrarotstrahlen“ zur Verfügung, welches Teil des Aktenkoffers ist, den ihm die berühmte Q-Abteilung (Major Boothroyd, also „Q“, wird hier bereits von Desmond Llewelyn gespielt, der die Rolle dann 36 Jahre lang, bis 1999, also bis einschließlich Michael Apted’s The World Is Not Enough/dt.: James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug, dem dritten Brosnan-Bond, spielen sollte) für seinen Auftrag mitgegeben hat. Dieser Aktenkoffer kann auch als erstes Gadget („technische Spielerei“) der Bond-Serie bezeichnet werden, das in einer Mission Bond’s Verwendung findet. Legendär sind natürlich auch die Schuhspitzen der mittlerweile für S.P.E.C.T.R.E. (Special Executive for Counter Intelligence, Terrorism, Revenge, Extortion; engl. für Schreckgespenst) arbeitenden ehemaligen sowjetischen Geheimdienstchefin Rosa Klebb (gespielt von Lotte Lenya), in denen sich eine verborgene und mit Gift versehene Springklinge befindet, mit der Klebb am Ende des Films schließlich auch Bond attackiert.

Der absolute Höhepunkt von From Russia with Love ist gleichzeitig aber auch ein absoluter Höhepunkt des Action-Kinos (und das nicht nur des Action-Kinos der 60er-Jahre!): Der denkwürdige Mann gegen Mann-Fight im Zugabteil zwischen Sean Connery und „Donald Red Grant“ Robert Shaw, dem Killer und S.P.E.C.T.R.E.-Gefolgsmann mit der Garotte in der Armbanduhr. Dieser Kampf, zweifellos eben einer der mitreißendsten der Filmgeschichte, ist wahrlich sagenhaft choreographiert und inszeniert. Überhaupt merkt man in dem Bond-Film erst, dass der britische Schauspieler Robert Shaw (1927-1978), der für seine Rolle als König Heinrich VIII. in Fred Zinnemann’s A Man for All Seasons (1966; Ein Mann zu jeder Jahreszeit) für den Nebenrollen-Oscar nominiert wurde, ein erstaunliches Leinwand-Charisma besessen hat, das, Rollen-bedingt, in Filmen wie Jaws (1975; Der weiße Hai; Regie: Steven Spielberg) oder The Taking of Pelham One Two Three (1974; Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3; Regie: Joseph Sargent) nicht so intensiv zum Ausdruck gekommen ist beziehungsweise sich mir persönlich nicht so erschlossen hat, wie durch die Rolle des Killers „Red“ Grant in From Russia with Love.

 

Stellen Sie sich vor, jemand würde heutzutage eine Frauenfigur in einem Film „Pussy Galore“ taufen! :-)

Nun, die Tatsache, dass die wunderbare und stets tough daherkommende Honor Blackman, die, als „Dr. Catherine Gale“, genauso wie „Emma Peel“ Diana Rigg, einst mehr als emanzipierte Partnerin von „John Steed“ Patrick Macnee in The Avengers war, die Rolle der Pussy Galore spielt (laut Ian Fleming’s 1959 erschienenem James Bond-Roman Goldfinger die einzige Frau in den Vereinigten Staaten, die einer „organized crime gang“ vorsteht), ließ natürlich aber schon in den 60er-Jahren gleich alle Befürchtungen verschwinden, dass die Filmfigur womöglich nur ihrem albernen Namen alle Ehre machen könnte und sich in eine Reihe eher naiv daherkommender Bond-Gespielinnen einordnet :-). Blackman durfte sozusagen in der Rolle der Chefin der Flugstaffel „Pussy Galore’s Flying Circus“ durchaus ihr Gesicht wahren. Dennoch konnten es sich natürlich auch die Drehbuchautoren Richard Maibaum und Paul Dehn nicht verkneifen, in ihr Skript zu dem Guy Hamilton-Film Goldfinger (1964; James Bond 007 - Goldfinger), der Bond erst so richtig in den Status eines weltweiten Kulturphänomens erhoben hat, ein paar Witze einzubauen, die auf die offensichtlich sexuelle Konnotation des Namens „Pussy Galore“ anspielen.

Als Bond in einem von Auric Goldfinger’s (Gert Fröbe in einer legendären Performance!) Flugzeugen erwacht, mit dem er, als Goldfinger’s Geisel, in die Staaten gebracht werden soll, sieht er, was sozusagen auch durch die subjektive Kamera zum Ausdruck gebracht wird, als Erstes gleich Honor Blackman’s Gesicht und es entsteht folgender Dialog:

 

 

 

JAMES BOND

 Wer sind Sie?

 

 

 PUSSY GALORE

 Ich bin Pussy Galore.

 

 

 JAMES BOND

 (dreht sich in seinem Sitz zur Seite und scheint über den eindeutig zweideutigen Charakter des Namens, dabei in sich hineingrinsend, nachzudenken)

 Das muss ein Traum sein.

 

 

Goldfinger gilt ja gemeinhin, und das drückt auch dessen Spitzenpositionierung in vielen Bond-Fan-Votings aus, als „bester Bond aller Zeiten“. Ich selbst schätze Goldfinger, zähle ihn aber nicht unbedingt zu meinen absoluten Favoriten. Der Film hat, nach einem recht rasanten Beginn, sogar gewisse Längen. Und der berühmte Titelsong Goldfinger, gesungen von Shirley Bassey, hat mir ohnehin nie gefallen. Der Song zählt für mich sogar zu den schwächeren, „nervigeren“ Bond-Songs. Auch wenn man Songs aus den 60ern nicht unbedingt gut mit Songs neueren Datums vergleichen kann, so hat man dann eben doch gewisse musikalische Präferenzen – und die haben bei mir tendenziell, nehmen wir da mal gewisse Album-Meisterwerke von Led Zeppelin und den Beatles sowie den Rolling Stones und AC/DC aus :-), eher ein Spektrum, das von den 80ern bis in die Gegenwart reicht. Meine Lieblings-Bond-Film-Songs sind demnach eher A View To A Kill (1985) von Duran Duran, dieser großartige Titelsong zu Roger Moore’s letztem Bond, The Living Daylights (1987) von a-ha, ein Song, der Timothy Dalton’s Einstand musikalisch begleitete, und auf jeden Fall auch das hippe Another Way To Die (2008), der Titelsong zu Quantum of Solace, gesungen von Alicia Keys und White Stripes-Mastermind Jack White, der das Ganze auch geschrieben hat.        

Goldfinger bietet aber andererseits als Film auch so einiges. Nämlich: Regelrecht ikonische Bond-Film-Szenen (man denke da nur an die komplett mit Gold überzogene Leiche von „Jill Masterson“ Shirley Eaton!), teilweise sehr amüsante Dialoge und einen Aston Martin, der bekanntlich voller Überraschungen steckt. Außerdem verfügt der Film, dank Gert Fröbe (1913-1988), über einen sehr guten Bösewicht.

Was die angesprochenen „amüsanten Dialoge“ betrifft, sei hier noch ein Beispiel aus einer Szene zu Beginn des Films angeführt, die stattfindet, nachdem Bond das Drogenlabor in einem südamerikanischen Land in die Luft gejagt hat. Die Kneipen-Tänzerin, mit der sich Bond in deren Zimmer sexuell vergnügen möchte, steigt aus der Badewanne und will ihn umarmen, lässt ihn aber, weil sie das Metall von Bond’s Waffe, die er in einem Schulterhalfter trägt, offenbar als zu kalt empfindet, gleich wieder los:

 

 

 TÄNZERIN

 Wieso trägst du eigentlich immer dieses Ding?

 

 

 JAMES BOND

 Ich habe einen kleinen Minderwertigkeitskomplex.

 

 

 

Haben Sie Ernst Stavro Blofeld, den Chef und die sogenannte „Nr. 1“ von S.P.E.C.T.R.E., auch irgendwie immer eher als einen „Idioten mit Perserkatze“ empfunden, und nicht als wirklich gelungene Schurken-Figur?

In der Rolle dieses Super-Schurken Blofeld macht man sich als Schauspieler ohnehin leicht lächerlich und setzt sich der Gefahr aus, lediglich eine Parodie auf einen Super-Schurken zu spielen, eine Karikatur zu geben. Aber das Karikaturartige ist zweifellos ohnehin schon grundsätzlich in Ian Fleming’s literarischer Figur angelegt (und wohl auch grundsätzlich in jedem so genannten Super-Schurken).   

Lediglich dem zweifachen Nebenrollen-Oscar-Preisträger Christoph Waltz (Nebenrollen-Oscars für Quentin Tarantino’s Inglourious Basterds und Django Unchained, erschienen 2009 bzw. 2012) in Spectre gelingt es irgendwie, dieses „Blofeld-Problem“ zu umschiffen. Deshalb ist er für mich nicht nur deutlich vor den anderen Blofeld-Darstellern Donald Pleasence, Telly Savalas, Charles Gray und Max von Sydow einzuordnen, sondern überhaupt gleich der einzig glaubwürdige Blofeld der Bond-Geschichte. Eine erstaunliche Tatsache, auf die ich dann näher im Hauptteil dieses Artikels eingehen werde.

Thunderball aus 1965, der megaerfolgreiche vierte Bond-Film mit Sean Connery und, nach Dr. No und From Russia with Love, auch dessen bester, löst das „Blofeld-Problem“, wie im Übrigen auch From Russia with Love, ein wenig dadurch, dass das Gesicht des Super-Schurken im Film einfach nicht gezeigt wird, sondern lediglich der Körper und die Perserkatze :-). Eine Tatsache, die auch diesem zentralen Bond-Film wirklich guttut.

Darüber hinaus ist Thunderball aber Blockbuster-Kino in Vollendung, das mich noch heute bei jedem Ansehen zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Der ganze Film hat etwas Großes, Weltumspannendes, „Glamouröses“ an sich hat, er riecht förmlich nach Blockbuster und Riesen-Kassenerfolg. Und würde man sich das damalige Einspielergebnis von über 140 Millionen Dollar inflationsbereinigt vor Augen führen, dann hätte man es mit einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu tun, mit einem Kino-Hit im Ausmaß von Skyfall, der weltweit über 1, 1 Milliarden Dollar lukrierte.

Der unwiderstehliche und coole 60‘s-Look von Thunderball (Kamera: Ted Moore), der übrigens auch ein Film ist, der über eine wirklich exzellente Musikdramaturgie verfügt, ist einmalig und hat immer wieder „filmische Nachahmungstäter“ animiert. So hat etwa Guy Ritchie’s leider schwer gefloppter Agentenfilm The Man from U.N.C.L.E. (2015; Codename U.N.C.L.E.) mit „Napoleon Solo“ Henry „Man of Steel“ Cavill und „Illya Kuryakin“ Armie „The Lone Ranger“ Hammer, ein Remake der gleichnamigen Fernsehserie mit dem deutschen Titel Solo für O.N.C.E.L. (1964-1968) mit Peter Vaughn und David McCallum, eine an Thunderball erinnernde „Retro-Optik“, die auch von Seiten der Kritik, die dem Ritchie-Film größtenteils ohnehin sehr positiv gegenübergestanden ist, immer wieder lobend erwähnt wurde. Aber auch Mendes’ Spectre aus 2015 hat so einige Momente, bildlicher und auch atmosphärischer Natur, in denen man sich an den letztendlich genialen Thunderball erinnert fühlt.

Selbst Bond’s im Laufe der Filmserie ohnehin immer stärker zur Schau gestellter Machismo und Chauvinismus macht in Terence Young’s Film noch irgendwie Spaß, ganz im Gegensatz etwa zu dem Machismo und Chauvinismus in dem bereits angesprochenen späteren Connery-Bond Diamonds Are Forever, der letztendlich auch recht haarsträubende homophobe Tendenzen hat (denken Sie in diesem Zusammenhang an die wirklich tendenziöse Darstellungsweise des homosexuellen Killer-Pärchens „Mr. Kidd“ und „Mr. Wint“, gespielt von Putter Smith und Bruce Glover). Aber letztendlich ist Diamonds Are Forever in der deutschen Fassung auch ein Opfer der selten dämlichen deutschen Synchronisation geworden. Die Highlights dieser die Originalfassung entstellenden deutschen Synchro bleiben immer noch die Sätze Sie hätten Bademeister werden sollen, 007 (gesprochen von Blofeld; im Original: Making mud pies, 007?) und Tiffany, mein Schatz. Du hast ja so ein eckiges Döschen im Höschen (ebenfalls ein Blofeld-Klassiker in deutscher Sprache :-); im Original: Tiffany, my dear. We’re showing a bit more cheek than usual, aren’t we?).

 

Hier noch ein amüsanter Dialog aus Thunderball, der auf Bond’s scheinbar unstillbaren sexuellen Appetit anspielt. Bei der Verabschiedungsszene vor dem englischen Sanatorium, in dem Bond zur Erholung war, in dem aber letztendlich alle die Haupt-Handlung des Films betreffenden Dinge in Gang gesetzt wurden, kommt es also zwischen Bond und der Sanatoriums-Krankenschwester Patricia Fearing (gespielt von Molly Peters) zu folgendem Wortwechsel:

 

 

 

JAMES BOND

 Wir sehen uns wieder.

 

 

 PATRICIA FEARING

 Wann du willst und wo du willst, James.

 

 

 JAMES BOND

 Ich will eigentlich immer. Ich hab nur so wenig Zeit.

 

 

Die Abnabelung von der nicht gänzlich von ihm geliebten Bond-Rolle war für Sean Connery, der ja letztendlich auch ein wirklich begnadeter Schauspieler ist, keine ganz leichte. Die Versuche, vom anscheinend erdrückenden Bond-Image wegzukommen, waren so vielfältig wie teilweise kommerziell unbefriedigend.

Interessante 70er-Jahre-Filme mit Connery, wie zum Beispiel das Sidney Lumet-Psycho-Thriller-Meisterwerk The Offence (1972; Sein Leben in meiner Gewalt), in dem Connery einen Cop spielt, der einen des sexuellen Missbrauchs von zahlreichen Mädchen verdächtigten Mann (gespielt von Ian Bannen) im Laufe des Verhörs tötet, oder der ebenso merkwürdige wie prätentiöse Science Fiction-Film Zardoz (1974; Regie: John Boorman), konnten genauso wenig wie etwa John Huston’s anspruchsvoll-depressiver Abenteuerfilm The Man, Who Would Be King (1975; Der Mann, der König sein wollte) oder Richard Lester’s Robin Hood und Lady Marian als Senioren-Film Robin and Marian (1976; Robin und Marian) an frühere Connery-Erfolge anknüpfen.

Lediglich als Teil eines großen Star-Ensembles, wie in der formidablen Agatha Christie-Verfilmung Murder on the Orient Express (1974; Mord im Orient-Express; Regie: Sidney Lumet) oder in dem Kriegsfilm A Bridge Too Far (1977; Die Brücke von Arnheim; Regie: Richard Attenborough), konnte die lebende Bond-Legende Connery Kassenerfolge für sich verbuchen.

In den 80ern allerdings, nach seinem Bond-Comeback in Never Say Never Again, avancierte Connery in Hollywood zu einer Art heiß begehrtem „Elder Statesman“, der an der Seite jüngerer Hauptdarsteller zahlreiche Kassenhits aufwertete. Die berühmtesten Beispiele hierfür sind natürlich Highlander (1986; Highlander – Es kann nur einen geben; Regie: Russel Mulcahy) mit Co-Star Christopher Lambert, The Untouchables (1987; The Untouchables - Die Unbestechlichen; Regie: Brian De Palma) mit Co-Star Kevin Costner (Nebenrollen-Oscar für Connery!) und, am allerwichtigsten, Indiana Jones and the Last Crusade (1989; Indiana Jones und der letzte Kreuzzug; Regie: Steven Spielberg), in dem Connery (Jahrgang 1930) mit Co-Star Harrison Ford (Jahrgang 1942) das beste und unterhaltsamste Vater-Sohn-Duo der Filmgeschichte gibt.

Aber auch der Michael Bay-Action-Kracher The Rock (1996; The Rock – Fels der Entscheidung), in dem Connery an der Seite von Nicolas Cage gegen Terroristen auf der Gefängnisinsel Alcatraz kämpft, ist ein Highlight in der Filmographie des älteren Connery, dem es dort nämlich gelingt, die Michael Bay-Don Simpson-Jerry Bruckheimer-Film-typische Hysterie zu entschärfen und dem Film so etwas wie echten Stil zu verleihen.

 

Aber ein Bond-Film mit Connery ist doch bisher unerwähnt geblieben!

Richtig! :-)

 

Der üppig ausgestattete You Only Live Twice (1967; James Bond 007 – Man lebt nur zweimal; Regie: Lewis Gilbert) hat zwar so seine Momente, so wie zum Beispiel die natürlich nur vermeintliche Ermordung 007’s und seine „Wiederauferstehung“ zu Beginn des Films oder die Szene, in der Bond mit einem Samurai-Schwert attackiert wird, oder den Luftkampf von „Little Nellie“, Bond’s „Ein Mann-Mini-Traghubschrauber“, mit den S.P.E.C.T.R.E.-Helikoptern, aber unterm Strich wirkt Connery darin eher wie ein „James Bond mit leichten Ermüdungserscheinungen“. Natürlich kriegt mich, der ich seit Ewigkeiten ein Fan des asiatischen Kinos bin, der Film jedes Mal ein wenig mit seinen darin vorkommenden Ninja-Kämpfern, den Samurai-Schwertern und den Shurikens (Anmerkung: Ein „Shuriken“ ist ein Wurf- oder Ninja-Stern).

 

ABER: Connery verkleidet als Japaner, das ist dann doch zu viel… :-).

 

 

(ENDE von TEIL 1 des Artikels - EINLEITUNG; Fassung vom 04.08.2018)