BONUS-Essay zu EIN QUANTUM BOND 1: James Bond 007 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät (Teil 4[von 4])

 

BLOFELD

Das Grab ist tief genug. Da kommt keiner mehr raus. Selbst 007 nicht.

 

(aus: Im Geheimdienst Ihrer Majestät; „Blofeld“ Telly Savalas, umgeben von ein paar Handlangern, angesichts der Tatsache, dass Bond und Tracy di Vicenzo gerade unter der Lawine begraben wurden, die durch von ihm angeordnete Sprengungen losgelöst wurde; im Original: „A grave deep enough, I think, to prevent even 007 from walking.“)

 

  

 

MARC ANGE DRACO

Sie braucht Hilfe. Ihre Hilfe.

 

 

JAMES BOND

Ich finde sie faszinierend, aber sie braucht einen Psychiater, nicht mich.

  

(aus: Im Geheimdienst Ihrer Majestät; „She needs help“ – Ein Syndikat-Leader, gespielt von Gabriele Ferzetti, versucht seine Tochter mit „James Bond“ George Lazenby zu verkuppeln)

 

 

Der „supervillain“ „Ernst Stavro Blofeld“, der Anführer von SPECTRE, gleichsam ein „evil genius“ mit Hang zur „world domination“, der aber in Im Geheimdienst Ihrer Majestät plötzlich auch einen Adelstitel für sich beansprucht („Graf Balthazar de Bleuchamp“), wird von dem dank der Serie Kojak – Einsatz in Manhattan (Kojak; 1973-1978) in den 70ern dann zur wahren TV-Legende avancierten US-Amerikaner griechischer Abstammung Telly Savalas (1922-1994) gespielt. Savalas war 1969, also im selben Jahr, in dem der Bond-Film erschienen ist, an der Seite seines Im Geheimdienst Ihrer Majestät-Co-Stars Diana Rigg auch in der britischen Krimigroteske Mörder GmbH (The Assassination Bureau; Regie: Basil Dearden; weitere Co-Stars: Curd Jürgens & Philippe Noiret) zu sehen.

Einen weiteren nennenswerten Kinofilm-Auftritt hatte Savalas, dessen Markenzeichen eben die fast schon ikonische „Kojak-Glatze“ war, in Robert Aldrich’s berühmtem Das dreckige Dutzend (1967; The Dirty Dozen; Co-Stars: Lee Marvin, Charles Bronson, Ernest Borgnine, John Cassavetes), ein Werk, das seinerzeit nicht nur extrem erfolgreich war, sondern mittlerweile auch, trotz oder wegen seiner unerbittlichen Härte, zu den bedeutendsten Kriegsfilmen aller Zeiten gezählt wird.

Savalas war erst der zweite Schauspieler nach Donald Pleasance in Man lebt nur zweimal, der dem SPECTRE-Leader Blofeld ein Gesicht verlieh (Charles Gray und Christoph Waltz sollten später noch in Diamantenfieber sowie in Spectre & Keine Zeit zu sterben folgen). Savalas bemüht sich, als „biological warfare“-betreibender „Bioterrorist“, redlich in Im Geheimdienst Ihrer Majestät und kommt auch sicherlich weit „böser“ rüber als sein Vorgänger Pleasance, aber dennoch passt Savalas, der sozusagen „a suggestion from Broccoli“ war, nicht so richtig in die Welt von Ian Fleming und somit von James Bond 007. Und auch bei den spektakulären „ski chases“ von Im Geheimdienst Ihrer Majestät, in denen Blofeld und seine Handlanger „James Bond“ George Lazenby und „Tracy di Vicenzo“ Diana Rigg verfolgen, befällt einem eher so ein „Kojak macht auf Wintersportler“-Gefühl, was aber natürlich auch dem Umstand geschuldet ist, und dieser unvermeidlichen Assoziation erliege sozusagen auch ich selbst immer wieder, dass Savalas seit den 70ern eben fast ausschließlich mit der Rolle des New Yorker Police-Lieutenants „Theodoros Theo Kojak“ assoziiert ist. 

Eine der bestenmain villain-Handlangerinnender Bond-Geschichte ist allerdings die von der deutschen Schauspielerin Ilse Steppat gespielte „resolut-brutale“ Blofeld-Mitarbeiterin „Irma Bunt“, die am Film-Ende letztendlich dann auch zur „Teresa Bond-Mörderin“ wird. Steppat, für die der Auftritt in Im Geheimdienst Ihrer Majestät die einzig englischsprachige Rolle darstellte (Steppat starb ganze drei Tage nach der Weltpremiere des Films am 21. Dezember 1969 im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt), erhielt den Part letztendlich, weil sie Broccoli beim Vorsprechen beeindruckt hatte und Regisseur Peter Hunt der Meinung war, dass die von Harry Saltzman eigentlich favorisierte griechische Schauspielerin Irene Papas (vor allem bekannt durch ihren Auftritt neben Anthony Quinn in Alexis Sorbas von 1964) eindeutig „zu sympathisch“ war. 

Ilse Steppat, die in den 40ern als Synchronsprecherin beispielsweise auch Hollywood-Star Lana Turner (so etwa bei Die drei Musketiere von 1948) ihre auffällig „rauchige“ Stimme lieh, erlebte in den 60ern einen Popularitätsschub in Deutschland, weil sie Teil einiger Edgar Wallace-Verfilmungen, wie etwa Der unheimliche Mönch (1965; Regie: Harald Reinl; Co-Stars: Karin Dor & Eddi Arent) oder Die blaue Hand (1967; Regie: Alfred Vohrer; Co-Stars: Harald Leipnitz & Klaus Kinski), gewesen war und auch einen Auftritt im siebten Teil der Jerry Cotton-Reihe, nämlich in Der Tod im roten Jaguar (1968; Regie: Harald Reinl; als „Jerry Cotton“: George Nader), hatte.

Der „Kurzzeit-Schwiegervater“ von 007, der „Tracy-Vater“ und „Head of Union Corse, one of Europe’s biggest crime syndicates“ (Copyright: „James Bond“ George Lazenby) „Marc Ange Draco“ wird von dem italienischen Film- und Bühnenschauspieler Gabriele Ferzetti gespielt. Ferzetti, der, als todkranker Eisenbahn-Baron „Mr. Morton“, 1968 auch Teil von Sergio Leone’s Jahrhundert-Western Spiel mir das Lied vom Tod (italienischer Originaltitel: C’era una volta il west) war, hatte sich bei Broccoli, Saltzman und Hunt aber vor allem durch seine Rolle des „Avvocato Rosello“ in Elio Petri’s „67-crime-film“ We Still Kill the Old Way (deutscher Verleihtitel: Zwei Särge auf Bestellung) empfohlen.

Der Italiener, dessen Stimme, wegen des starken italienischen Akzents, für den Final Cut von Im Geheimdienst Ihrer Majestät aber durch den Engländer David de Keyser „redubbed“ wurde, ist als „liebender und sich um seine Tochter sorgender Vater“ irgendwie sogar das heimliche Herzstück des Films und ein wahrer Sympathieträger. 

Das James Bond liebt die Tochter eines Verbrechers-Motiv wurde später dann in Spectre (2015; Regie: Sam Mendes) wieder aufgenommen, wo „007“ Daniel Craig „in love“ mit „Dr. Madeleine Swann“ Léa Seydoux fällt, die die Tochter des führenden „Quantum-Mitglieds“ Mr. White (gespielt von Jesper Christensen) ist.

 

 

  

 

JAMES BOND

Immer noch die alte Moneypenny. Großbritanniens letztes Bollwerk.

 

(aus: Im Geheimdienst Ihrer Majestät; „Same old Moneypenny. Britain’s last line of defence“ – Satz innerhalb des gelungenen „Vorzimmergeplänkels“ des Films, gerichtet von „007“ George Lazenby an „Moneypenny“ Lois Maxwell)

 

 

Eine entscheidende Frage im Zusammenhang mit Im Geheimdienst Ihrer Majestät war natürlich auch, wie die „Leinwand-Chemie“ zwischen dem seinerzeitigen „Neo-Bond“ George Lazenby und dem bereits eingespielten sowie gleichsam Connery-erprobten „MI6-Personal“, bestehend aus „M“ Bernard Lee, „Moneypenny“ Lois Maxwell und „Q“ Desmond Llewelyn, sein würde.

Der „Flirtfaktor“ zwischen Bond und Moneypenny stimmt im 69er-Film und Lazenby und Maxwell (Ausschnitt aus dem „Vorzimmergeplänkel“: Bond: „Moneypenny. Was sollte ich ohne Sie anfangen?“/Moneypenny: „Warum kommen Sie nie auf die Idee, etwas mit mir anzufangen?“) haben überraschenderweise fast denselben hohen „Flirt-Quotienten“ wie einst Connery und Maxwell.

Als „memorable James Bond- &- Miss Moneypenny-scene“ muss man natürlich den Augenblick bezeichnen, als Lois Maxwell dann am Ende angesichts des „frischgebackenen Ehemanns“ Lazenby Tränen in den Augen hat und von diesem daraufhin seinen Hut zugeworfen bekommt (Anmerkung: Seit der Connery-Ära waren die James Bond wirft seinen Hut beim Hereinspazieren auf einen Kleiderständer-Szenen zwischen Bond & Moneypenny so etwas wie „007-Kult“, der aber dann in der Ära von Roger Moore eingestellt wurde, da dies irgendwann antiquiert erschien und vor allem auch Roger Moore nun mal absolut kein „Hut-Typ“ war). 

„M“ Bernard Lee hingegen gewinnt in Im Geheimdienst Ihrer Majestät nicht unbedingt einen Preis für „Mitarbeiterführung“, denn zunächst zeigt er sich ganz zu Beginn des Films, am Anfang der Vortitelsequenz, betont desinteressiert gegenüber Q’s „radioaktiver Faser“ (im Original: „radioactive lint“), die ihm dieser als state of the art-Überwachungsinstrument anpreist, und zieht dann auch noch Bond von der „Operation Bedlam“ ab („M“ zu Bond: „Eine Lizenz zum Töten ist sinnlos, solange man das Ziel nicht ausmachen kann“), was diesen zu dem unüberlegten Kündigungsschreiben bewegt.

Gemäß der Broccoli-Saltzman-Vorgabe „drop the gadgets & focus on the plot“ spielen die Gadgets (und somit auch „Q“ Desmond Llewelyn) nur eine sehr untergeordnete Rolle in Im Geheimdienst Ihrer Majestät.

007“ George Lazenby fährt einen grünen Aston Martin DBS, der, was die Optik betrifft, aber mit dem klassischen Aston Martin DB5, welcher in Goldfinger und Feuerball so spektakulär in die Film-Serie eingeführt wurde, nicht ganz mithalten kann. Bond’s Dienstwagen hat keine „Extras“ im herkömmlichen Sinn, jedoch befindet sich im Handschuhfach ein zerlegbares Scharfschützengewehr (Modell: Armalite AR7) – die Szene, in der Bond im Rahmen der Vortitelsequenz durch das Zielfernrohr hindurch die lebensmüde Contessa Teresa di Vicenzo (Anmerkung: Diese fährt im Film einen roten Mercury Cougar – der Wagen fungiert dann in den Schweiz-Szenen auch als „Tracy‘s & 007’s Fluchtauto“) über den Strand wandern sieht und sie gleichsam im Fadenkreuz des Zielfernrohrs „fixiert“, gehört zu den absoluten visuellen Highlights von Im Geheimdienst Ihrer Majestät (und vielleicht sogar des gesamten 60er-Jahre-Kinos!).

Beim Einbruch in das Gumbold-Büro in Bern verwendet 007 dann ein riesiges Safeknacker-Gerät, das ihm der MI6-Agent Shaun Campbell auf dem Balkon des Gumbold-Büros, mit der Hilfe eines durch Darco’s Baufirma bereitgestellten Krans, „zustellt“. Das Gerät ermittelt den korrekten Code, nachdem man einen entsprechenden Aufsatz über Kabel mit dem Drehschloss des Safes verbunden hat. Der „Safeknacker“ verfügt aber auch über eine Kopierfunktion und kann somit Fotokopien erstellen – diese Funktion nutzt Bond, um den Safe-Inhalt, in dem die Korrespondenz von Blofeld alias „Balthazar de Bleuchamp“ mit Sir Hilary Bray dokumentiert ist, zu kopieren.

Bei der Attacke auf die Blofeld-Klinik benutzt Bond schließlich noch eine MINOX-B-8x11-Miniatur-Kamera. Mit dieser fotografiert der Agent die Einsatzorte von Blofeld’s „Angels of Death“, die allesamt in Blofeld’s Labor auf einer Karte zu sehen sind.

 

 

Die Premiere von Im Geheimdienst Ihrer Majestät fand am 18. Dezember 1969 im „Odeon Leicester Square“ in London statt. George Lazenby kam tatsächlich mit Bart und schulterlangen Haaren zur Premiere, „looking very un-Bond-like“, was vor allem Broccoli im Nachhinein erzürnt hat. Für seine „performance“ auf der Leinwand jedoch wurde Lazenby 1970, und dies, obwohl viele Kritiker sofort in die „Lazenby is not a good actor“-Kerbe schlugen, sogar für einen Golden Globe in der Kategorie „Bester Nachwuchsdarsteller“ nominiert.

Der Film brach seinerzeit bei der US-Kinoauswertung auf Anhieb drei Rekorde („höchstes Einspielergebnis am 1. Auswertungstag“/„höchstes Einspielergebnis an einem Tag“/„höchstes Einspielergebnis am 1. Wochenende“) und hielt sich in der Folge ganze vier Wochen lang an der Spitze der US-Kino-Charts, um dort dann schließlich von einem Werk abgelöst zu werden, das unterschiedlicher nicht sein könnte, nämlich von Dennis Hopper’s „cult road movie“ Easy Rider, in dem Hopper selbst bekanntlich neben Peter Fonda und Jack Nicholson zu sehen ist.

Bond-Film Nummer 6, der 1969 insgesamt zum zweit-erfolgreichsten Film des Jahres avancierte und lediglich von dem Edel-Western Zwei Banditen (Butch Cassidy and the Sundance Kid; Regie: George Roy Hill; Drehbuch: William Goldman) mit Paul Newman und Robert Redford ausgebotet wurde, lukrierte aber dann weltweit schließlich nur rund 82 Millionen US-Dollar, was einen „considerably drop“ des Einspielergebnisses gegenüber Man lebt nur zweimal bedeutete, der immer noch, mit einem inflationsbereinigten Box Office von rund 756 Millionen US-Dollar, der sechst-erfolgreichste Film der Serie ist. Im Geheimdienst Ihrer Majestät gilt heute, mit inflationsbereinigten fast 506 Millionen US-Dollar Box Office, als kommerziell fünfzehnt-erfolgreichstes Werk der Serie.

 

  

Die Leser des „007-Magazine“ machten Peter Hunt’s Im Geheimdienst Ihrer Majestät 2012 im Rahmen eines Votings zum „greatest ever Bond-film“ und zogen das Werk sogar den beiden Connery-Klassikern Goldfinger und Liebesgrüße aus Moskau sowie auch dem gefeierten Daniel Craig-Einstand Casino Royale vor, denn die genannten Filme landeten dementsprechend nur auf den Plätzen zwei bis vier hinter Hunt’s Meisterstück - eine Tatsache, die im Nachhinein auch den ursprünglich ungeliebten „Einmal-Bond“ George Lazenby ein wenig rehabilitiert, der „007“ überraschenderweise als eine Figur gespielt hat, die „not immune to heartbreak“ ist sowie auch dazu fähig ist „Verletzlichkeit & Angst“, „vulnerability & fear“, zu empfinden.

Ach ja – by the way: Einen aufrichtigen Fan hatte der damalige „Neo-Bond“ Lazenby Ende der 60er-Jahre auf Anhieb, denn die feministisch geprägte US-Filmkritikerin und Autorin Molly Haskell gab sich in der Wochenzeitung „The Village Voice“ begeistert über den Umstand, dass Lazenby einen James Bond 007 spielt, der offenbar Folgendes zu denken scheint: „[…] one woman who is equal is better than a thousand part-time playmates“.

 

 

 

(ENDE von TEIL 4[von 4]; NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassung: 07.01.2020)