Ausschnitt aus "HITCHCOCK TEIL 2 - MORE MOVIES TO BE MURDERED BY": "DIE VÖGEL / THE BIRDS" (TEILE 2.1 & 2.2)

 

Ihr solltet ein bisschen vorsichtiger sein. Warum fliegt ihr auch zum Hafen rüber? Da ist doch alles ölverschmiert. Da verkleben euch nur die Federn. Bleibt doch bei mir in den Bergen, da ist es viel sauberer. So, sieht schon viel besser aus. Komm, halt dich ruhig, kannst gleich wieder fliegen. Da hast du nochmal Schwein gehabt

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Stella, I like you

  

(zur Kategorie „Filme, die über mein Schicksal als Filmfan entschieden haben“; aus dem „Action im Dienste des Tierschutzes-Film“ Die Brut des Adlers / OT: A Breed Apart (Regie: Philippe Mora) aus dem Jahr 1984 mit Rutger Hauer, Powers Boothe, Kathleen Turner & Donald Pleasence; beide Aussagen stammen von Rutger Hauer, wobei das ZITAT 1 aus einer Szene entnommen ist, in der „Vogelfreund Jim Malden“ Rutger Hauer gerade einen aufgefundenen & eben „ölverschmierten“ Vogel säubert, und das (originale) ZITAT 2 aus einer Szene, in der „Stella Clayton“ Kathleen Turner den „ihr gegenüber überaus `sperrig` agierenden“ Hauer gleichsam „zur Rede stellt“, ihm eine „Why don’t you give me a chance“-Frage stellt und ihm somit eine „Reaktion“ abverlangt; // zur Story dieses „Kultfilms mit Vogel-Bezug“ aus den 80er-Jahren, der auch so etwas wie ein „frühes Ökoabenteuer im Angesicht eines aufkeimenden Umweltbewusstseins in den `early 80s`“ darstellt: Jim Malden, ein hochdekorierter Vietnamveteran, dessen Frau & Kind verstorben sind, lebt als eine Art schrulliger Einsiedler auf einer Insel, die ansonsten vor allem von seltenen Vogelarten bewohnt ist; seinen „only contact to the world outside“ stellen die schöne Stella Clayton & ihr Sohn dar, die in der Nähe von Malden’s „Naturreservat“ am Fluss den Laden „Stella Clayton & Son“ betreiben; zu ernsthaftem „trouble in paradise“ kommt es, als der Kletterer Mike Walker (gespielt von Boothe) im Auftrag des zwielichtigen Multi-Millionärs & leidenschaftlichen „egg-collector[s]“ J. P. Whittier (gespielt von Pleasence) die wertvollen Eier eines seltenen weißköpfigen Seeadler-Pärchens aus dessen Nest stehlen soll; im „Naturreservat“ und „on the top of a mountain“, wo sich eben das Adler-Nest befindet, kommt es dann zum Showdown zwischen Malden & Walker, also zwischen Rutger Hauer & Powers Boothe)

 

 

 

Ich bin überzeugt, das Kino ist erfunden worden, damit Filme wie dieser gedreht werden. Ganz alltägliche Vögel, Spatzen, Möwen, Krähen greifen alltägliche Menschen an, die Bevölkerung eines kleinen Küstenortes. Das ist ein Künstlertraum; um etwas daraus zu machen, braucht es viel Kunst und den besten Techniker der Welt

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Das Gesamtdesign, das mir von Beginn an für diesen Film vorschwebte, war von Edvard Munch‘s Gemälde `Der Schrei` inspiriert – diesem Gefühl ungeschützter Kälte und des Wahnsinns in einer Art von Wildnis, die einen inneren Zustand ausdrückt. Das war genau das, was Hitch wollte. Er bestand auf einem subjektiven Zugang zum Film, damit die Zuschauer aus eigenem Gefühl die Emotionen der Figuren im Film teilen konnten, wie auch ihre Ängste vor körperlicher Verletzung. Die Schauspieler arbeiteten an dem Film fast sechs Monate, aber die Künstler und Spezialeffekt-Techniker und die in den Trickstudios mehr als ein Jahr

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Wie sind Sie auf Daphne du Maurier’s Kurzgeschichte `The Birds` gekommen? […]“

Ich habe sie in einem dieser Sammelbände, `Alfred Hitchcock presents`, gelesen. Dann hörte ich, dass man vergeblich versucht hatte, sie fürs Radio und fürs Fernsehen zu adaptieren

 

(ZITAT 1: François Truffaut über Hitchcock’s „bösen filmischen Traum“ Die Vögel im Veröffentlichungsjahr 1963; // ZITAT 2: Produktionsdesigner Robert Boyle über „atmosphärische Vorbilder aus Norwegen“ für das Produktionsdesign von Die Vögel, das zur „Identifikation mit den Figuren auf der Leinwand“ einladen sollte; // ZITAT 3: „Q&A“ zwischen Truffaut & Hitchcock bezüglich der literarischen Vorlage, aus der Hitchcock ja lediglich die Grundidee und vielleicht die „gloomy atmosphere“ übernommen hat)

 

 

 

Ich hatte schon daran gedacht, einen Film aus dem Werk eines Dichters zu holen, der mich für einige Zeit wirklich erregt und bewegt hat, Dostojewski. […] Doch ich möchte klarstellen, dass die von einem Kunstwerk abgeleitete Nahrung – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – mir gefährlich scheint, sie kann wie eine Art Gift wirken. Für einen Künstler ist die direkte Ernährung durch das Leben das Wichtigste

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Ich brauche ein Drehbuch mit sehr elastischem Spielraum, nicht zum Zweck der Improvisation, sondern um die Möglichkeit zu haben, eine bestimmte Gestalt oder Situation auszubauen. Bereichernde Elemente und Farbe treten unweigerlich zu der bloßen Erzählung erst im Verlauf des Drehens eines Filmes hinzu. Ich halte es für kein gutes System, den Schauspielern zuzumuten, dass sie eine Geschichte mit unübersteigbaren, unverrückbaren Grenzen in dem Gefühl verlebendigen sollen, so sei sie zuvor theoretisch festgelegt und so müsse man sie spielen

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Improvisation ist Trug, der nur Leute narrt, die mit der für jede schöpferische Arbeit unerlässlichen Technik unvertraut sind. Diese betrachten die Inspiration als eine Art von Wunder, als einen Zustand der Hypnose, die einen gewissermaßen jeder materiellen Rücksichtnahme enthebt. Tatsächlich müsste man endlich dieser Legende vom inspirierten Künstler, der außerhalb der Welt lebt, ein Ende bereiten. Er muss die klare Einsicht seines Geistes in den Dienst eines Werkes stellen, das strenge Forderungen erhebt, er muss zugleich die Logik seiner Person, die Durchschlagskraft eines Films, die Gebote der Technik, die er dabei voraussetzt, berücksichtigen. Die Improvisation beschränkt sich auf eine gewisse Form des Gefühls für die Erfordernisse des Augenblicks, zum Beispiel wenn es darum geht, im letzten Augenblick irgendetwas zu ändern. Sie betrifft im Grunde immer nur das Detail. Das Ganze jedoch muss mit geradezu mathematischer Präzision erarbeitet werden. […]“

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Bei den Dreharbeiten zu `The Elephant Man` nannte mich Kameramann Freddie Francis immer Lucky Lynch, denn wir hatten es dauernd mit glücklichen Zufällen zu tun. In solchen Momenten muss man zugreifen und sich die zunutze machen, die einem gefallen. Das Drehbuch ist eine Blaupause, es bringt einen nur bis zu einem gewissen Punkt – darüber hinaus können die Schauspieler, der Drehort, ein Kostüm einen noch auf Ideen bringen. Nichts ist festgelegt, bevor der Film abgedreht ist

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Wenn ich mir eine Kampfszene überlege, dann kommt für mich die Action an erster Stelle. Dann erst das Drehbuch. In `Police Story` gibt es eine Kampfszene in der Shopping Mall. Als ich mich mit meinen Drehbuchautoren traf, sagte ich, dass ich vier Dinge in diesem Film haben wollte. Erstens: Eine Verfolgungsjagd mit dem Bus. Dann die Shopping Mall. Ich wollte etwas Komödiantisches. Ich wollte, dass ein Auto durch ein Dorf hindurchfährt. […] Wie kommt es, dass ich durch das Dorf fahre? Wenn ich jemanden jage. Setzen wir die Szene an den Anfang oder das Ende? Ich finde, wir müssen das Publikum von Anfang an mitreißen. Nehmen wir also die Dorfszene für den Anfang. […] Wir schoben unsere Action-Szenen hin und her. Und so wurde es ein komplettes Drehbuch. Kein amerikanischer Drehbuchautor würde so arbeiten

 

(ZITATE 1 - 3: diverse „thoughts“ von Federico Fellini; im ersten Zitat gibt er sich skeptisch bezüglich „Literaturverfilmungen“, im zweiten definiert er, dass ein Drehbuch ihm und den „actresses & actors“ gewisse „Spielräume“ lassen muss, und im dritten stellt er klar, dass Kunst mit einem Beherrschen der Technik zu tun haben sollte, und nicht mit bloßer „Inspiration“ & Improvisation; // ZITAT 4: David Lynch über „glückliche Zufälle“ beim Drehen, die man sich zunutze machen muss [wobei einem da auch John Ford einfällt, der überhaupt einmal, sinngemäß wiedergegeben, gemeint hat, dass „alle guten Dinge beim Film ohnehin nur durch Zufall entstehen würden“]; // ZITAT 5: Jackie Chan in einem TV-Interview über seine Arbeitsweise bei der Entwicklung von Drehbüchern, die eben auch bei seinem Hongkong-Klassiker Police Story zur Anwendung gekommen ist, der mit der „Bus-Chasing-Scene“, der „Village-Scene“ sowie der „Shopping-Mall-Scene“ sicherlich gleich drei der „besten Action-Szenen, die je auf Zelluloid gebannt wurden“ aufzubieten hat; // Alfred Hitchcock, ein Regisseur, der möglichst detaillierte Drehbücher liebte und laut Truffaut eben seinerzeit „der beste Techniker der Filmwelt“ war, hat, wie bereits in der Zusammenfassung des Inhalts erwähnt, bei „The Birds“ für seine Verhältnisse erstaunlich viel „im Atelier improvisiert“, vor allem gegen Ende des Films, bei der „Attacke auf das Brenner-Haus“ sowie bei dessen „Belagerung durch die Vögel“; dennoch gilt „The Birds“, das auf jeden Fall sein teuerstes & „technisch ambitioniertestes“ Werk war, auch als Hitchcock’s am strengsten geplantes „Work of Art“)

 

 

Der Hitchcock, den ich bewunderte, ist der Mann, der in einem Regiestuhl sitzt und den Drehort mustert, der für die nächste Szene hergerichtet wird. Das ist Hitchcock, die Kamera“ (Copyright: ein Mitarbeiter Hitchcocks Anfang der 60er-Jahre) – wahrscheinlich hätte sich nach dem durchschlagenden Erfolg von Psycho, nach dem „Siegeszug von Norman Bates rund um die Welt“, keiner groß gewundert, wenn sich Hitchcock etwas länger Zeit genommen hätte, ein adäquates „Folgeprojekt“ zu finden, aber: nachdem „Hitch“, nach der Lektüre der „The Birds“-Kurzgeschichte, auch noch jenen Zeitungsartikel mit der „Eine Invasion von Seevögeln trifft Häuser an der Küste“-Schlagzeile gelesen hatte, rief er umgehend Joseph Stefano, den Drehbuchautor von Psycho, an, um mit ihm die „possibility“ zu besprechen, die Daphne-du-Maurier-Story in einen Film umzuwandeln.

Stefano hat Hitchcock damals relativ bald klargemacht, dass er weder von der Kurzgeschichte „impressed“ sei noch von der Idee, einen „Vogel-Thriller“ zu schreiben (Anmerkung: Tatsächlich ist die „Short Story“ „Die Vögel“ nicht mit einem „Daphne-Meisterwerk“ wie der „Long Story“ „Don’t Look Now“ aus 1971 zu vergleichen, die bekanntlich ebenfalls als Vorlage für einen genialen Psycho- & Horror-Thriller diente, nämlich für Nicolas Roeg’s Wenn die Gondeln Trauer tragen mit Julie Christie & Donald Sutherland, der 1973 in die Kinos kam).

Daraufhin und nach „conversations“ mit seiner Frau Alma sowie mit seiner Assistentin Peggy Robertson fasste Hitchcock den Entschluss, vorzugsweise einen Romancier zu engagieren, der ihm eine „filmtaugliche“ Handlung konstruieren sowie „filmtaugliche“ Charaktere entwerfen konnte, denn aus der literarischen Vorlage ließen sich aus der Sicht des Filmemachers genau diese zwei zentralen Dinge, also: Handlung & Charaktere, nicht wirklich sinnvoll ableiten.

Das primäre Interesse Hitchcocks bei Die Vögel galt dem „unerklärbaren Schrecken“, der ja schließlich auch beim Betrachter des Films zurückbleibt, wenn er mit der „Plötzlichkeit & `inexplicability` einer sich umkehrenden Natur-Ordnung“ konfrontiert wird. Die „characters“, die, „Hitchcock-typisch“, letztendlich allesamt Protagonist:innen einer „kleinen & heilen Welt, in der wiederum ein reichlich verstörendes Chaos ausbricht“ sind, sollten aber, im Gegensatz zu jenen von Psycho, möglichst sympathisch sein.

Nachdem Autoren wie Samuel Taylor (Vertigo – Aus dem Reich der Toten) und Ernest Lehman (Der unsichtbare Dritte) nicht verfügbar waren und sein „4-maliger-Screenwriter“ John Michael Hayes, der ihm wiederum angeraten wurde, „keine Option mehr“ für „Hitch“ darstellte, wandte der Regisseur sich an Evan Hunter (1926 – 2005), den er flüchtig kennengelernt hatte, als er selbst 1959 Regie bei der 155. Folge von „Alfred Hitchcock Presents“, betitelt mit „The Crystal Trench“, führte. Zwei Romane von Hunter, der auch unter dem Pseudonym Ed McBain publiziert hat, waren damals bereits verfilmt worden und der Autor hatte auch diverse Beiträge zu den Alfred-Hitchcock-Krimi-Magazinen geliefert sowie aus der Story eines anderen „writers“ ein Fernseh-Drehbuch für Hitchcock’s TV-Sendung gemacht.

Im September 1961 erhielt Hunter in Hitchcock’s Büro bei Paramount sozusagen den „offiziellen“ Auftrag, eine Handlung für „The Birds“ zu entwickeln, der, so Hitchcock sinngemäß damals zu Hunter, „am Beginn einer goldenen Periode innerhalb seiner Regie-Karriere“ stehen sollte, in der er, nachdem er fünfmal (bei: „Rebecca“, „Lifeboat“, „Spellbound“, „Rear Window“ & „Psycho“) in der Kategorie „Bester Regisseur“ leer ausgegangen war, endlich auch einen Regie-Oscar erhalten sollte.

Der „Master of Suspense“ gab dem Autor darüber hinaus den Rat, sich beim Schreiben bloß keine Gedanken um etwaige „technical problems“ im Zusammenhang mit „Angriffen von Vögeln“ zu machen, denn diese technischen Probleme, die dann bei den Dreharbeiten eben mit der Hilfe von trainierten Vögeln / Zeichentrick-Effekten / diversen anderen „filmischen Tricksereien“ gelöst worden sind, wären schließlich eine Angelegenheit der Spezialeffekt-Leute („Unsere Absicht, erklärte er mir, müsse es lediglich sein, den Leuten einen höllischen Schrecken einzujagen. Noch stärker, als er es bereits in `Psycho` gemacht hatte, wollte er [im] Publikum intensivste Gefühle erwecken“ – Evan Hunter).

Ganz am Ende des Jahres legte Hunter schließlich die erste Drehbuchfassung vor und Hitchcock versah diese gleichsam Szene für Szene mit diversen „kritischen Kommentaren“. Der Regisseur gab sich, wie auch Hitchcock-Biograf Donald Spoto anmerkte, ziemlich große Mühe mit dem Birds-Drehbuch, vielleicht nur vergleichbar mit der Sorgfalt, mit der er einst die Entstehung des Vertigo-Drehbuchs „überwachte“ & begleitete.

Anfang 1962, Hitchcock stand kurz vor dem Umzug vom Paramount-Gelände auf das Gelände von Universal (Anmerkung: Im Februar 62 war dieser Umzug auf das Universal-Gelände dann vollbracht und „Hitch“ bezog, einhergehend mit der vertraglichen Bindung an das Studio, jene Arbeitsräume, die bis zum Ende seiner Karriere die Heimat der „Alfred J. Hitchcock Productions, Inc.“, die eine Art „`small but powerful empire` innerhalb der Filmindustrie“ darstellte, bleiben sollten), intensivierte er die Arbeit an den „Birds“ noch einmal und stellte Hunter ständig „Fragen zum Drehbuch“ wie „Warum handelt diese oder jene Person so?“ oder „Warum zeigt diese oder jene Person in dieser Situation keine andere Reaktion?“.

Die endgültige Fassung des Drehbuchs, die dann auch das „Open End“ enthielt, das, wie in Wahrheit auch schon das „ambivalente“ Ende von Psycho, etwas von einem „fehlenden Trostpflaster für `the audience`“ an sich hat, war dann kurz vor dem Drehbeginn in Nordkalifornien im März 62 fertig geworden.

Wir kamen fabelhaft miteinander aus – für den Augenblick, bis zu der Auseinandersetzung über `Marnie`“ (Copyright: Evan Hunter) – wie bei so einigen seiner Drehbuchautoren zuvor begann die Zusammenarbeit zwischen Evan Hunter und dem tendenziell „besitzergreifenden / `monopolisierenden`“ Alfred Hitchcock „freundlich & ohne große Probleme“, aber sie endete in der Verärgerung Hunters, denn als dieser sich dann weigerte, „Hitch“ die verlangte „rape-scene“ / „But I do want to go to bed, Marnie! I very much want to go to bed“-Szene zwischen „Mark Rutland“ Sean Connery und „Marnie“ Tippi Hedren in Marnie zu schreiben, wurde er, wie ich in „Six Movies To Be Murdered By – Das Kino des Alfred Hitchcock“ dargelegt habe, einfach entlassen.

 

 

 

 

 

„[…] like a body without a head / lookin‘ like a zombie from Night of the Livin‘ Dead

 

(aus dem Song „W.T.P.“ von Eminem aus dem „fantastic“ Album „Recovery“, erschienen 2010; Night of the Living Dead / dt. Verleihtitel: Die Nacht der lebenden Toten: legendärer US-Horrorfilm aus dem Jahr 1968 von George A. Romero; // wie Psycho ist Die Vögel eindeutig als „Horrorfilm“ zu klassifizieren, in dem noch dazu der Horror sozusagen „kein Ende“ kennt; wie bereits erwähnt, haben sämtliche Darsteller:innen ihre „Holzhammer-artigen“ schauspielerischen Momente in dem Hitchcock-Film, sind aber auch gerade deswegen für die Grundstimmung des Films perfekt, weil sie damit gleichsam den „style“ eines „Zombie-Movies“ in die „Bodega-Bay-Kleinstadtidylle“ bringen)

 

 

 

Ich frage mich manchmal, ob man die Künstler nicht in zwei Kategorien einteilen kann, die Vereinfacher und die Komplizierer. Unter den Komplizierern gibt es natürlich große Künstler, gute Schriftsteller. Aber meinen Sie nicht auch, dass man, wenn man auf dem Gebiet des Schauspiels Erfolg haben will, besser ein Vereinfacher sein sollte?

Das ist schon deshalb wichtig, weil man dem Publikum nur die Emotionen vermitteln kann, die man selbst verspürt

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Wenn ich meine Schauspieler einmal gewählt habe, werden wir Freunde, ich verliebe mich in sie: so wie ein Puppenspieler sich in seine Puppen verliebt. Die Wahl der Schauspieler [hingegen] ist tatsächlich ein ziemlich unbehaglicher, kritischer, ermüdender, unangenehmer Moment […]“

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Ich halte nichts davon, die Schauspieler mit Tricks und Terror zu manipulieren. Ich versuche einfach, ihre Seelen anzusprechen. Mag sein, dass ein Schauspieler mal von einer Rolle ganz verrückt gemacht wird. Aber ich habe noch keinen in die Neurose getrieben

 

(„Meister des Kinos und ihre Ansichten zur Schauspielerei & zu Schauspieler:innen“; ZITAT 1: wiederum „Q&A“ zwischen Truffaut & Hitchcock, die in der Schauspielerei eine unmittelbare, eine einer unnötigen „Komplexität“ enthobene und eine aus „selbst verspürten Emotionen“ hervortretende Kunstform sehen; // ZITAT 2: Worte des „verliebten Puppenspielers“ Federico Fellini, der aber den „Auswahlprozess“ davor nicht mag; // ZITAT 3: Statement von David Lynch, der behauptet, kein „Trickser & `Terrorist`“ zu sein, wenn es darum geht, seine Schauspieler:innen zu einem „Rollen-adäquaten Schauspielern“ zu bringen)

 

 

 

Ich werde immer gefragt: `Warum machst du das? Willst du dich umbringen mit diesen gefährlichen Stunts? Du bist doch schon reich, berühmt und hast Fans überall auf der Welt`. Ich glaube, es liegt daran, dass das mein Familiengeschäft ist. Meine `JC`-Produktionsfirma ist wie eine Familie für mich. Meine Stuntleute, meine Kameramänner, meine Beleuchter. Was wird aus ihnen, wenn ich mich zur Ruhe setze, wenn ich nur noch ruhig dasitze, Wein trinke und mit teuren Autos herumfahre? Soll das mein Leben sein? Nein, das werde ich nicht tun. Und was werden meine Fans sagen? […]“

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Ich denke immer nochIch liebe Action immer noch. Ich weiß, ich kann das nicht mehr lange machen. AußerdemIch persönlich mag Action. Ich denke, die Leute gehen aus einem Film, treffen einen Freund und sagen ihm: `Wow, Jackie war so gut! Das war tolle Action!` Sie würden das niemals sagen, wenn ich ein Drama drehe. Sie würden nie sagen: `Du musst dir Jackie ansehen! Die Kuss-Szene, toll!` Das würden sie nicht tun, oder? Ich liebe Action-Sequenzen immer noch. Ja, Action hält mich jung

 

(zwei in den 2000er-Jahren getätigte Aussagen, die zweite davon übrigens im Rahmen einer Pressekonferenz in Köln zum Release von New Police Story (2004; Regie: Benny Chan), von Jackie Chan, der ja im Grunde eine ganze Filmkarriere/Schauspielkarriere darauf aufgebaut hat, in Filmen Szenen/Action-Szenen zu präsentieren, für die es vorher fast keinerlei Beispiele oder Entsprechungen gab (so wie auch für die gefährliche „Birds in the Attic“-Szene in Hitchcock’s Die Vögel, die man als „pure action-scene“ bezeichnen könnte und die der Hauptdarstellerin Tippi Hedren „injuries“ sowie ein „mental breakdown“ bescherte); // Alfred Hitchcock inszenierte zwischen 1925 und 1938 in England 23 Filme, von 1939 bis 1959 drehte er 24 Spielfilme, zwei „Short Films“ sowie 15 Fernsehspiele; nach dem „Psycho“-Jahr 1960, ab dem er sich keinerlei finanzielle Sorgen mehr um seine Zukunft machen musste und bei der Arbeit, was vertraglich zugesichert war, keinerlei Einmischungen von außen mehr fürchten musste, schuf Hitchcock, der 1980 verstarb, nur noch sechs weitere Kinofilme und fünf Fernsehspiele, was eine deutliche Reduktion des kreativen Outputs bedeutete; Hitchcock blieb aber, obwohl er nach Familiengrab von 76 kein Projekt mehr realisieren konnte, „künstlerisch aktiv“, denn „Hitch“, der sein ganzes Leben lang auch den „Freuden des Essens & der Bar“ bekanntlich nicht abgeneigt war, hat, wie’s François Truffaut einmal ausgedrückt hat, letztendlich „[…] nur durch und für seine Arbeit gelebt […]“, welcher er „[…] mit außerordentlicher Sorgfalt, einer alles andere ausschließenden Leidenschaft und einer hinter ungewöhnlicher technischer Meisterschaft versteckten Sensibilität […]“ nachgegangen ist)

 

 

 

Das Filmgeschäft ist makaber. Grotesk. Es ist eine Kombination von Fußball und Bordell

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„[…] [D]ann wurde mir dieses Angebot in den Schoß gelegt. Es hörte sich nach einer faszinierenden neuen Möglichkeit an. Später habe ich mir dann überlegt, dass ich wirklich alles so neu und schwierig fand – ich hatte keinerlei Schauspielerfahrung –, dass ich überkompensierte, indem ich zu hart arbeitete, indem ich mich den grausamen Anforderungen des Geschäfts des Filmemachens zu sehr anpasste

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Er begann mir vorzuschreiben, was ich in meiner Freizeit tragen sollte, was ich essen sollte und welche Freunde ich treffen könnte. Er wies darauf hin, dass dieser oder jener keine gute Gesellschaft für mich sei oder dass jemand, mit dem ich mich auf einer gesellschaftlichen Ebene verabredet hatte, nicht gut für mich sei. Und er wurde ärgerlich und war verletzt, wenn ich nicht um seine Erlaubnis bat, wenn ich am Abend oder am Wochenende Freunde besuchte

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Es waren zwei verschiedene Männer in ihm. Er war ein unendlich sorgfältiger und sensibler Regisseur, der in jede Szene so viel hineinlegte und so viel Gefühle aus ihr herausholte – und er war ein Mann, der alles machen würde, nur um aus mir einen bestimmten Ausdruck herauszuholen

 

(ZITAT 1: ein Federico-Fellini-Urteil über das Filmbusiness aus dem Jahr 1965, in dem Fellini den großartigen Julia und die Geister in die Kinos brachte, der, im Gegensatz zu Hitchcock’s Die Vögel, welcher die drei Einheiten des klassischen Dramas, die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung, berücksichtigt & „respektiert“, mehr wie ein „inhaltlich auf zehnerlei Arten beschreibbarer Film“ wirkt, der eher einem „Gedicht mit Metrum & Kadenz“ gleicht als „erzählender Prosa“; // ZITATE 2 - 4: Nathalie Kay Hedren aka Tippi Hedren (Jahrgang 1930) über ihre damalige Situation als „Neo-Schauspielerin“ beim „The Birds“-Dreh und über die, wie Donald Spoto es nannte, „Beschlagnahme“ ihrer Person durch Alfred Hitchcock, welche dann, wie ich in „Six Movies…“ beschrieben habe, bei den Marnie-Dreharbeiten überhandnahm und zu einem dauerhaften Bruch zwischen Hedren und Hitchcock geführt hat, der sich als ihr „Erfinder“ betrachtete, welcher sie gleichsam „aus dem Nichts geholt und zu einem großen Hollywood-Star gemacht hatte“; // auf dem Set von Die Vögel wurde Hitchcock’s Umgang mit Hedren durchaus als eine „Ein erfahrener Regisseur führt eine verängstigte & unerfahrene Newcomerin mit großer Sorgfalt jeden Schritt auf ihrem Weg“-Situation empfunden, wobei man grundsätzlich sagen muss, dass „Hitch“ beim Regie-Führen am „Birds“-Set gleichsam tatsächlich „jede Augenbewegung“ und „jede Kopfdrehung“ Hedrens kontrollierte, aber auch nicht davor zurückschreckte, so wie es auch Spoto in „The Dark Side of Genius“ eingehender beschrieben hat, unmittelbar vor Drehbeginn „unangebrachte“ Kommentare „of an obscene nature“ einzustreuen, um „den gewünschten schauspielerischen Effekt“ zu erzielen)

 

 

Um Oscar Wilde abzuwandeln: `Man zerstört das, was man liebt`“ (Alfred Hitchcock des Öfteren zu Presseleuten während der Zeit der „Birds“-Dreharbeiten) – dass Hitchcock eine Schwäche für, wenn man so will, „kühle Blondinen nordischen Typs“ hatte ist kein Geheimnis und ebenso wenig, dass seine Filme, und eben nur seine Filme, sozusagen „die Affären mit ihnen“ darstellten.

Im Zusammenhang mit Tippi Hedren jedoch scheinen die beiden gemeinsamen Werke, Die Vögel & Marnie, wie „permanente Grenzüberschreitungen“ des Regisseurs im Hinblick auf seine Hauptdarstellerin.

Bei Die Vögel gilt das vor allem auch für den „letzten großen Angriff der `Birds`“ auf Hedren, bei dem „MELANIE DANIELS“ eben in einem Dachboden auf diverse (von Vogel-Dresseur Ray Berwick dressierte) Krähen / Möwen / Raben trifft, die sich wie wild auf sie stürzen und auf sie einhacken, so lange, bis sie in einem „State of Shock“ zusammenbricht.

Nachdem man Hedren mitgeteilt hatte, dass, wie von mir bereits in der Inhaltsangabe erwähnt, mechanische Vögel, aus Gründen des Realismus, keine Option für Hitchcock darstellten, wurden, als Robert Burks’ Kamera dann lief, von „Männern mit Schutzhandschuhen“ lebende Vögel in ihre Richtung geschleudert (Tippi Hedren: „Es gab kein Beispiel für diesen Vorgang, und niemand wusste, was genau zu erwarten war. Wir dachten alle, das ließe sich schnell erledigen und dass wir nach ein oder zwei Aufnahmen genug Film haben würden“).

Der Dreh dauerte, entgegen allen Erwartungen, zunächst den gesamten Tag und die „Birds“, für die die Prozedur natürlich keineswegs diversen Tierschutzstandards entsprach, wurden von Hedren zunehmend mit aufrichtig empfundener Angst abgewehrt. Anschließend wurden ihre „Veränderungen“ während der Angriffe, also die Kratzer & Wunden am Körper / die Risse in der Kleidung, mittels Theaterblut & Make-up etc. hinzugefügt und das „filming“ begann, mit veränderten Kamerapositionen und einem „nervous“ sowie hin und her gerissenen Alfred Hitchcock, der, so wie Evan Hunter berichtete, „die Szene gleichzeitig drehen & nicht drehen“ wollte, von neuem.

Auch Cary Grant, der im Laufe der gesamten „Arbeitswoche“, die diese „Birds in the Attic-Scene“ dann tatsächlich in Anspruch nehmen sollte, einmal am Set vorbeischaute, da er in einer benachbarten Studiohalle gerade ebenfalls einen Film drehte, hob Hedren’s „bravery“ hervor, wobei in den diversen „kritischen Nachbetrachtungen“ der Die-Vögel-Dreharbeiten und der Situation Hedrens natürlich die Begriffe „extremer Missbrauch“ sowie „körperliche & emotionale Quälerei“ fielen.

Am Ende jener „Horror-Woche für Hedren“ (Hedren: „Diese Woche war absolut grauenhaft, wirklich die schrecklichste Woche meines Lebens. Jeden Tag dachte ich – und das sagte man mir auch –, nur noch eine Stunde länger, nur noch eine Einstellung“), in der Hitchcock und sein Cutter George Tomasini immer wieder unzufrieden mit den Ergebnissen oder mit einzelnen Aspekten wie der „Dauer des Vogel-Verbleibs im Bild“ waren, drehte einer der „Birds“, denen die Arbeit selbstredend genauso wenig „Spaß“ bereitete wie der Darstellerin, sozusagen durch und hackte nach Hedren’s „left eye“, was, und das kann man noch als „Glück“ bezeichnen, zu einer Wunde am unteren Augenlid geführt hat.

Allerdings brach Hedren nach der Attacke zusammen und dieser „total nervous breakdown“ führte dazu, dass die Dreharbeiten letztendlich für eine Woche unterbrochen werden mussten. Seit Verdacht von 1941, wo Hitchcock’s Hauptdarstellerin Joan Fontaine erkrankte, waren Dreharbeiten zu einem „Hitchcock-Movie“ nicht mehr „aus medizinischen Gründen“ ausgesetzt worden.

Es mag einen, betrachtet man Hedren’s wahrlich fragwürdige „Hitchcock-Experience“, vor allem eben beim Dreh dieser „In a Dark Place Tryin‘ to 2 get out“-Action-Szene, also nicht verwundern, dass die Schauspielerin im Grunde, um es mit dem Titel eines Songs von Billy Joel zu sagen, nach den „Birds“ und nach Marnie eine Art „Say Goodbye to Hollywood“-Phase einlegte, bevor sie 1967 dann einen Film-Auftritt in Charlie Chaplin’s „Final Movie“ Die Gräfin von Hongkong (Starring: Marlon Brando & Sophia Loren) hatte.

 

Unterm Strich jedoch, wirft man einen Blick auf das „End-Resultat“, hat man es bei Die Vögel mit einem „rundum konsistenten Meisterwerk“ zu tun, welches einem eine Art apokalyptische Welt-Vision ohne eine abschließende „helping hand“ wie etwa jener von Cary Grant, die in Der unsichtbare Dritte Eva Marie Saint vorm Absturz bewahrt, präsentiert.

Die „Beunruhigung“ der „audience“ erreicht Hitchcock dabei mit dem Einsatz sämtlicher technischer Finessen, die ihm 1962/63 zur Verfügung standen, sowie auch mit der Hilfe dramaturgischen Raffinements. So ist Robert Burks‘ Kamera bereits in den Anfangsszenen „leicht / kaum merkbar verkantet“, sodass die präsentierten Bilder einen beunruhigenden Effekt erzielen. Der Soundtrack aus „schrillen Vogelschreien, meist erzeugt durch ein elektronisches Trautonium“, der Bildausschnitt, die Bewegungen der Kamera, die eine mit realistischen Details ausgestattete Szenerie einfangen, das alles fügt sich zu einem virtuosen filmischen Alptraum zusammen, der auch nach 60 Jahren noch „beunruhigt“ und vielleicht ja auch „aktueller denn je“ ist.

Auf jeden Fall aber steht „The Birds“, der zusammen mit Steven Spielberg’s Der weiße Hai gleichsam die „künstlerisch wertvolle“ Speerspitze der klassischen Tierhorror-Movies bildet, am Ende einer filmischen Entwicklung Hitchcocks, die einst mit Melodramen begann, dann zum Genre des „Romantic Thriller“ überwechselte, um schließlich zu „Thrillern mit `beschädigten` Akteurinnen & Akteuren“ zu gelangen, bevor gleichsam „`the horrors & terrors of life` an sich“ zum zentralen Thema wurden.

 

 

 

(ENDE der TEILE 2.1 & 2.2; // NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassungen vom 26.02.2023 & vom 28.02.2023)