Ausschnitt aus "SIX MOVIES TO BE MURDERED BY - DAS KINO DES ALFRED HITCHCOCK": "PSYCHO / PSYCHO" (Teile 2.1 & 2.2)

 

Sie müssen Ihre Filme entwerfen, wie Shakespeare seine Stücke baute, fürs Publikum

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Er hat keine Botschaft, die das Publikum interessiert hätte. Auch keine besondere schauspielerische Leistung hat es bewegt. Und es gab auch keinen besonders angesehenen Roman, der das Publikum gepackt hätte. Es war der reine Film, der die Zuschauer erschüttert hat. […] Und deshalb bin ich bei `Psycho` auch so stolz darauf, dass dieser Film uns Filmemachern gehört, Ihnen und mir, mehr als alle anderen Filme, die ich gedreht habe

 

(Alfred Hitchcock zu François Truffaut – über die notwendige Publikumsorientiertheit im Shakespeare’schen Sinne, aber auch darüber, dass Psycho auf das Publikum gewirkt und der Film dieses, durch „[…] eine Anordnung von Filmstücken, Fotografie, Ton, lauter technischen Sachen […]“ (Copyright: Hitchcock), sozusagen „zum Schreien“ gebracht hat)

 

 

 

Mama’s gonna make all of your /

Nightmares come true /

Mama’s gonna put all of her fears into you /

Mama’s gonna keep you right here /

Under her wing /

[...] Of course Mamas gonna help build the wall

  

(aus „Mother“ von Pink Floyd, einem Song vom Album The Wall“ von 1979, welches man gut & gerne als „musikalischen / in Noten verpackten Psycho-Thriller“ bezeichnen könnte; in Hitchcock’s Werk gibt es eine ganze Reihe „dominanter Mütter & Mutter-Figuren“, aber in Psycho sowie später auch in Marnie werden diese zum Teil ganz explizit „mitverantwortlich“ gemacht für diverse „Fehlentwicklungen“ der Hauptfiguren)

 

 

 

Buñuel sagt manchmal, er denke nicht ans Publikum und mache seine Filme nur für ein paar Freunde, aber ich glaube, die Freunde sind für ihn schwierige und anspruchsvolle Zuschauer, und weil er sich so unendlich viel Mühe gibt, sie zu fesseln, bewirkt er zugleich, dass ihn die Cinephilen in der ganzen Welt verstehen, bewundern und lieben

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Eins ist sicher, Sie sind ein großer potenzieller Mörder

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Und jetzt hör gut zu...hab keine Angst. Der, der behauptet, dein Vater zu sein, wacht jede Nacht auf, um ein Glas Milch zu trinken. In dem kleinen Schrank im Badezimmer findest du eine blaue Flasche. Heute Nacht, wenn er schläft, gieß den Inhalt in sein Glas. Das ist die letzte Bitte deiner Mutter. Adieu, mein Sohn

 

(ZITAT 1: Aussage von Catherine Deneuve, die mit Luis Buñuel bekanntlich nicht nur Belle de Jour – Schöne des Tages gedreht hat, sondern auch den großartigen & düsteren Tristana (1970) mit Fernando Rey & Franco Nero, den der Regisseur vor der wahrlich beeindruckenden sowie „historisch anmutenden“ Kulisse von Toledo inszeniert hat – auch Alfred Hitchcock mochte die Werke von Luis Buñuel, dem „Auge des Jahrhunderts“, so wie der Spanier aus Calanda oft genannt wurde, vor allem Ein andalusischer Hund (1929; Co-Director: Salvador Dali); // das ZITAT 2 stammt aus Buñuel’s 1955 in Mexiko entstandenem „satirischem Ausflug ins Thriller-Fach“ Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz / OT: Ensayo de un crimen, in dessen Zentrum gleichsam ein „Möchtegern-Frauenmörder“ steht, der seine Mordpläne stets in die Tat umsetzen möchte, jedoch durch diverse Zufälle immer wieder davon abgehalten wird, für den Tod der Frauen letztendlich tatsächlich verantwortlich zu sein, denn: sie sterben alle durch diverse „coincidences“ und nicht durch die Hand von „Archibaldo de la Cruz“ Ernesto Alonso; der Film, der, wie fast alle Buñuel-Filme, eine „Lust an der Provokation“ hat, ist gespickt mit Anspielungen psychoanalytischer & sexueller Natur - wobei natürlich auch der Umstand, dass „Archibaldo“ nur ein „potenzieller Frauenmörder“ ist, auch jegliches „Geständnis“ ad absurdum führt, so wie ein Richter, von dem die oben zitierte Aussage stammt, dies der Hauptfigur, die ihm „alles gestehen“ will, gegen Ende des Films klarmacht; // ZITAT 3: aus Buñuel‘s in Frankreich entstandenem surrealistischem Klassiker Der diskrete Charme der Bourgeoisie / OT: Le charme discret de la bourgeoisie von 1972, in dem eine illustre Abendgesellschaft (Fernando Rey, Stéphane Audran, Bulle Ogier, Jean-Pierre Cassel u. a.) wiederholt versucht, „Essen zu gehen“, und dabei auch wiederholt scheitert, weil stets etwas dazwischenkommt, wie z. B. die Tatsachen, dass der tote Restaurantbesitzer in der Nähe des Speisesaals aufgebahrt ist oder eine Truppe von Soldaten, die ins Manöver zieht, das Gastmahl stört; inmitten der genialen Satire, in deren center, wenn man so will, ein „genusssüchtiges Großbürgertum“ steht, bringt Buñuel das beliebte „Vergiftungsmotiv“ unter, mit dem auch Hitchcock in Psycho spielt, und in der Szene, aus der das Zitat stammt, erzählt der junge „Leutnant Hubert“ einer Damenriege rund um Stéphane Audran in einem Restaurant gerade von einem „Kindheitserlebnis“, nämlich davon, wie ihn einst, kurz bevor er in die „Kadettenschule“ geschickt worden ist, seine tote Mutter, quasi als „Geist im Kleiderschrank“, heimgesucht und ihm aufgetragen hat, den „falschen Vater“ zu vergiften, der seinen richtigen Vater umgebracht haben soll – bei dem Zitat handelt es sich also um die Worte, welche „die verstorbene Mutter von Hubert“, die wie eine Leiche aussieht, zu ihrem Sohn in der Rückblende spricht, mit der Buñuel die Erzählung von „Hubert“ im Restaurant quasi unmittelbar in Bilder umsetzt)

 

 

 

Ich dusche nicht mehr. Ich kann nicht mehr duschen, denn es war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen, wie verletzbar und schutzlos man dabei ist. Ich hatte nie darüber nachgedacht, bis ich den Film sah

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Das ist nur der Rohschnitt, Joseph

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`Psycho` ist bedeutend nicht so sehr für das, was er ist, sondern für das, was er nicht ist

 

(ZITAT 1: die „Marion Crane“-Darstellerin Janet Leigh (1927 – 2004) darüber, dass sie nach der „Duschmord-Szene“ ein wenig „traumatisiert“ war und beim Duschen Angst verspürt hat; // ZITAT 2: Hitchcock zu seinem Drehbuchautor Joseph Stefano, der den Film in der „Rohschnitt-Fassung“, also: auch ohne die berühmte und nur mit „Streichern“ eingespielte Musik von Bernard Herrmann, zunächst nach eigenen Angaben „schrecklich“ fand; // ZITAT 3: Joseph Stefano über die „innovative Kraft“ des Hitchcock-Thrillers, ausgehend von den „falschen Fährten“ und dem damit zusammenhängenden Aspekt des „fehlenden Anhaltspunktes, der den Story-Ablauf erkennen lässt“)

 

 

 

Eine englische Kritikerin hat geschrieben, `Psycho` sei der Film eines Mannes, der gleichzeitig sophisticated und barbarisch sei. Das stimmt vielleicht, wie?“ (Frage von Alfred Hitchcock an Truffaut in „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“) – nach Vertigo - Aus dem Reich der Toten, der in gewisser Weise die Summe von Hitchcock’s „romantischen Fantasien“ als Filmemacher bildete, und dem „Verfolgungsthriller“ Der unsichtbare Dritte, der wie die Summe von „Hitch’s“ „leichteren“ US-Filmen jenseits von „Vertigo“ wirkte, kam es durch den epochalen „Schocker“ Psycho zu einem dauerhaften Abschied des Regisseurs von „Glamour & Romance“ sowie von US-Stars eines Kalibers wie James Stewart, Cary Grant oder Grace Kelly, wobei Hitchcock Letztere ja schon ein paar Jahre früher, nach Über den Dächern von Nizza, an das Fürstentum Monaco „verloren“ hatte.

Durch die merkliche Entwicklung einer „zunehmend düsteren Weltsicht“ war die Hinwendung Hitchcocks zum „Horror-Thriller“ keine ganz unlogische – und in „Psycho“ herrscht, obwohl das Werk eben auch leicht ironische Züge hat, durchwegs eine Atmosphäre des Schreckens, der Verdammnis und des Wahnsinns.

Im Sommer 1959 entschied sich Hitchcock dafür, das erste Mal einen Horror-Thriller als Vorlage für seinen nächsten Film zu nehmen, wobei Robert Bloch (1917 – 1994), der Autor des Romans „Psycho“, für „Hitch“ kein Unbekannter war, denn diverse Stories von Bloch hatte man für das TV-Format „Alfred Hitchcock Presents“ verwendet, wenngleich auch für Episoden, bei denen Hitchcock nicht selbst als „Director“ fungierte.

Der Roman, der im Übrigen weit brutaler als der Film ist, denn „Marion Crane“ wird darin unter der Dusche von „Norman Bates“ sogar geköpft, hatte tendenziell „good Reviews“ und Hitchcock las das Buch während eines England-Aufenthalts und soll dann seine Mitarbeiterin Peggy Robertson angerufen haben, damit diese Paramount anweist, die Rechte zu erstehen – „Ich habe unser nächstes Projekt, `Psycho`“ (Hitchcock zu Robertson am Telefon).

Bloch hatte sich bei dem Roman vor allem auch von einer der makabersten Figuren in der US-Serienkiller-Geschichte inspirieren lassen, nämlich von Edward Gein, der in den Vereinigten Staaten gewissermaßen „Kultstatus“ genießt und zweifellos Teil der Populärkultur ist/war und neben Psycho auch andere Horror- & Thriller-Meisterwerke, wie etwa Tobe Hooper’s Blutgericht in Texas (1974; OT: The Texas Chain Saw Massacre) oder Jonathan Demme’s Das Schweigen der Lämmer (1990; OT: The Silence of the Lambs; mit Anthony Hopkins & Jodie Foster), sozusagen entscheidend beeinflusste (Anmerkung: Zum Fall Ed Gein: Gein, ein echter „Weirdo“ vor dem Herren, wurde 1906 in Plainfield (Wisconsin) im amerikanischen Midwest geboren; nach dem frühen Tod des Vaters wurden er und sein 1944 bei einem Brand (unter nicht restlos geklärten Umständen) ums Leben gekommener Bruder Henry von der dominanten & „Frauen-hassenden“ Mutter Augusta Wilhelmine Gein erzogen; als Gein’s „Mother“, die ihm jegliche Frauen-Kontakte verboten hat, dann Mitte der 40er-Jahre stirbt, kommen bei dem farmer“ gewisse „Neigungen“ zum Vorschein, so wie das Ausgraben von Leichen & das Anfertigen von „Trophäen“ aus Leichenteilen; in den 50s tötet (und häutet – post mortem) Gein dann zwei ältere Frauen aus der Umgebung von Plainfield und wird schließlich 1957 von der Polizei, die letztendlich seine „Horror-Farm“ durchsucht, auf der sich eine geköpfte und auf einem Fleischerhaken im Stall aufgehängte Frauenleiche & diverse „Sammlerstücke“ (z. B.: ein Schuhkarton mit Geschlechtsteilen / zahlreiche Organe im Kühlschrank) finden, verhaftet; Gein, „The Butcher of Plainfield“ & definitiv „One of America’s Most Notorious Psychos“, starb 1984 in einem „Mental Health Institute“/einer Anstalt in Wisconsin).

Nachdem der junge Fernseh-Autor James P. Cavanagh, der einige „Alfred Hitchcock Presents“-Folgen verfasst hatte, ein aus der Sicht Hitchcocks „langweiliges“ Skript abgeliefert hatte, wurde „Hitch“ über einen „agent“ mit Joseph Stefano bekannt gemacht – und bereits die erste Szene, die Stefano schrieb, nämlich die „Hotel Room Scene in Phoenix“, animierte Hitchcock wiederum dazu, das für ihn „größtmögliche“ Kompliment auszusprechen, nämlich: „Alma loved it“ (Pat Hitchcock O‘Connell: „Bei ihrem[Alma’s] Tod machte Charles Champlin(!) von der Los Angeles Times eine schöne Aussage. Er sagte: `Hitchcock’s Touch hatte vier Hände, und zwei davon gehörten Alma‘“).

Bei seinem ersten Treffen mit „Hitch“ teilte dieser dem diesbezüglich etwas verblüfften Stefano mit, dass Psycho ein „Schwarzweißfilm“ sein soll und „unter einer Million Dollar kosten wird“ (Hitchcock: „Ich kann den Film nicht in Farbe machen, das wird zu blutrünstig. […] Außerdem möchte ich ihn so einfach und günstig wie möglich machen, und ich nehme das TV-Team“; // Anmerkung: Um die Kosten eben so niedrig wie möglich zu halten, griff Hitchcock also auf das Film-Team des TV-Formats „Alfred Hitchcock Presents“ zurück, und das ist auch der Grund, warum John L. Russell und nicht Robert Burks als „Director of Photography“ fungierte – Russell stand übrigens auch bei „Lamb to the Slaughter“ hinter der Kamera; als „unentbehrlich“ für Hitchcock galt aber sein Cutter George Tomasini, auf den er aus naheliegenden Gründen bei Psycho nicht verzichten konnte & wollte; allerdings gilt ganz grundsätzlich, was „Lob“ oder Gagen betraf, das, was Donald Spoto einmal festgehalten hat, nämlich: „Hitchcock war mit Gagen und Gehältern ebenso geizig wie mit Lob“ – Hitchcock’s „Standing“ in der Filmwelt führte aber dazu, dass Schauspielerinnen & Schauspieler sowie auch diverse „`Helpers` & `Assistants` hinter der Kamera“ gleichsam „Niedrigst-Gagen“ akzeptierten, um mit ihm arbeiten zu können).

Die Grundidee hinter dem auf den ersten Blick (und vor allem für die damalige Zeit) vielleicht merkwürdigen Vorhaben eines großen & sehr bekannten Regisseurs wie Hitchcock, eine Low Budget-Produktion zu drehen, war eine Art „Wie wäre es, wenn `ein Guter` eine Low Budget-Produktion machen würde?“-Überlegung – und letzten Endes stellte „Psycho“ dann quasi „die Erfüllung der letzten vertraglichen Verpflichtung“ des Filmemachers gegenüber Paramount dar, denn „Hitch“ stand damals vor einem Wechsel zu Universal.

Wie bereits erwähnt, Joseph Stefano hatte einiges an „Psychotherapie-Erfahrung“ (und das noch dazu auf Grund von „Mutter-Problemen(!)“) - und bereits Stefano’s „First Draft“ des vollständigen Drehbuchs, der alles, inklusive der „Schauerroman-Elemente“, die den Film dann beherrschen (entlegener Handlungsort / ein „Hexenhaus“ / „die dunkle, drohende Nacht“ / „geistig gestörte Verwandte“ / „bizarre & unentdeckte Morde“ / verschleierte Identitäten - „so gut wie jeder & jede hat etwas zu verbergen“), beinhaltete, fand Hitchcock’s Zustimmung.

Für die Dreharbeiten, die von Ende November 1959 bis in die ersten Januar-Wochen 1960 stattfanden, wurden von Paramount die Revue-Studios von Universal Pictures angemietet. Im Sinne der strengen Geheimhaltung, die die Psycho-Dreharbeiten umgab, hieß der Film innerhalb der Produktionsgesellschaft und auf der „offiziellen“ Drehklappe „Wimpy“ („feige, schwächlich“), wobei eine Zeit lang gegenüber der Presse auch so getan wurde, als wäre man eifrig auf der Suche nach einer geeigneten Darstellerin für die Rolle der „Mrs. Bates“.

Da Hitchcock durch seine TV-Show so bekannt war, entschied er sich zunehmend dafür, seine berühmten Gastauftritte/„Cameos“ stets zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im jeweiligen Film zu absolvieren, quasi bevor „eine gewisse Stimmung“ erzeugt worden ist, und bei dem „inhaltlich völlig atypisch verlaufenden“ Psycho machte diese Vorgehensweise noch mehr Sinn als bei anderen Werken, was dazu führte, dass „Hitch“ seinen Cameo gleich in der Szene absolvierte, in der Janet Leigh, nach ihrem „intimen Treffen“ mit John Gavin im Hotelzimmer, das Büro von „Mr. Lowery“ betritt und sich dann sozusagen mit „Hitch’s“ Tochter Pat unterhält (Pat Hitchcock O‘Connell: „Aber er castete mich nur, wenn es perfekt zur Rolle passte“) – Hitchcock ist jener „etwas füllige Mann mit Hut“, der vor dem Eingang zu dem „Real Estate Office“ steht und in Richtung Straße blickt.

Überdenken Sie die Rolle der Mary[Marion]“ – diese Nachricht legte Hitchcock einem Exemplar des Romans „Psycho“ bei, das er Janet Leigh geschickt hatte. Leigh wollte unbedingt mit dem Regisseur arbeiten, aber auch der „innovative Aspekt“ des Thrillers überzeugte die Schauspielerin, die in dem „abrupten Ende von Marion Crane“ im Übrigen nie ein Problem gesehen hat (Janet Leigh: „Es war so anders, so eine Neuheit und so ein ungewöhnlicher Ansatz für einen Film“).

Eine besondere Herausforderung für Leigh war auch Hitchcock’s „Machen Sie Ihren Job, ich mache meinen“-Ansatz, mit dem some actors / actresses im Lauf von Hitchcock’s Karriere so ihre Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrem Schauspiel-Stil hatten, denn Leigh schätzte Hitchcock’s „Kamera-zentrierte“ Herangehensweise in puncto Filmschauspielerei: „Die einzige Kontrolle besteht darin, dass meine Kamera das Zentrum darstellt. Bewegt sich meine Kamera, bewegen Sie sich“ (Hitchcock zu Janet Leigh im Vorfeld der Dreharbeiten).

 

 

 

 

 

Sie hatten einen tollen Abend mit all diesen Morden gehabt

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Mich interessierte der Erfolg dieses Films genug, um mich mit dem Forschungsinstitut der Stanford University in Verbindung zu setzen. Aber sie wollten 75.000 Dollar für eine Untersuchung der Hintergründe des Erfolgs. Ich teilte ihnen dann mit, so neugierig sei ich nicht

 

(ZITAT 1: Hitchcock’s Mitarbeiterin Peggy Robertson liefert eine naheliegende, zutreffende und vergleichsweise „simple“ Erklärung für den Erfolg von Psycho ab; // ZITAT 2: Alfred Hitchcock über seinen, angesichts der „Bedingungen von Seiten der Wissenschaft“, mangelnden Willen, den Gründen für den riesigen Erfolg von Psycho, der auch zu den meistanalysierten Filmen der Filmgeschichte gehört, nachzuspüren)

 

 

 

Jeder kennt Norman Bates

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Es ist 22 Jahre später und Norman Bates kommt nach Hause

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Who are you?

I’m you

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Die Rache der Killerglucke – ein Mordsspaß!

 

(ZITAT 1: der Horrorfilm-Regisseur Clive Barker, bekannt vor allem durch den „Body Horror“-Klassiker & Meilenstein Hellraiser – Das Tor zur Hölle / OT: Hellraiser (1987), über den „enormen Bekanntheitsgrad“ des von Anthony Perkins (1932 – 1992) so brillant verkörperten Psychopathen „Norman Bates“ – wobei es sich mit den insgesamt drei Fortsetzungen von 1983, 1986 & 1990 zu dem Hitchcock-Klassiker (das ZITAT 2 gibt die Aufschrift auf einem Filmplakat zu Psycho II wieder) so verhält wie mit den Fortsetzungen zu dem Spielberg-Schocker Der weiße Hai (1975): die Sequels wurden von Teil zu Teil „konsequent“ schlechter (obwohl Joseph Stefano für die TV-Produktion Psycho IV – The Beginning sogar noch einmal das Drehbuch verfasste); natürlich haben auch das wahrlich „originalgetreue“ Psycho-Remake von Gus Van Sant aus dem Jahr 1998 („Norman Bates“: Vince Vaughn / „Marion Crane“: Anne Heche / „Lila Crane“: Julianne Moore / „Sam Loomis“: Viggo Mortensen / „Milton Arbogast“: William H. Macy), das den Hitchcock-Film, auf der Basis von Stefano’s Drehbuch, quasi Einstellung für Einstellung „nachstellt“, und die zumindest auf Motiven des Psycho-Films von 1960 basierende Fernsehserie Bates Motel (2013 – 2017; „Norman Bates“: Freddie Highmore / „Norma Louise Bates - `Mother`“: Vera Farmiga / in der 5. & 6. Episode der 5. Staffel als „Marion Crane“: Rihanna(!)) zu dem Erhalt von „Norman Bates‘ Standing & Ruf“ beigetragen, obwohl die beiden Werke, selbstredend, mit Hitchcock’s Original nicht mithalten können; // ZITATE 3 & 4: Dialog zwischen Kathleen Turner & Anthony Perkins in Ken Russell’s kühnem China Blue bei Tag und Nacht / OT: Crimes of Passion (1984), einem meiner persönlichen Favoriten aus dem Genre Erotik-Thriller; in dem Werk des britischen Regie-Exzentrikers Russell spielt die wunderbare Kathleen Turner eine „kühl & distanziert“ agierende Modedesignerin namens „Joanna Crane(!)“, die nachts aber im Rahmen ihres „Nebenjobs“, nämlich als Prostituierte „China Blue“, auch „extremere“ erotische Wünsche erfüllt; allerdings trifft sie dann irgendwann auf den „unheilbar verrückten“ und von Anthony Perkins verkörperten „Reverend Peter Shayne“, der sich mit ihr, wie aus dem oben zitierten Dialog hervorgeht, „über die Maßen identifiziert“, sie in der Folge permanent „stalkt“ sowie ständig „durch ein Loch in der Wand“, das direkt neben ihrer Arbeitsstätte als „China Blue“ liegt, beobachtet; die eindeutigen Analogien zu Psycho ergeben sich nicht nur aus dem Nachnamen „Crane“, den Turner im „normalen Leben“ trägt, und darin, dass Perkins in dem intensiven und teilweise „vulgär“ daherkommenden Werk eine Art (gelungene) Parodie auf „Norman Bates“ abliefert, sondern auch darin, dass Russell im Finale des Films, im Rahmen einer doppelten Hitchcock-Hommage“ an Bei Anruf Mord & Psycho, Anthony Perkins in Frauenkleidern, nämlich in jenen von „China Blue“, auftreten lässt – bevor er dann, selbst eine blitzende Schere in Händen haltend und außerdem die blonde Perücke von „China Blue“ tragend, von „Joanna Crane“ mit einem großen Messer erstochen wird; // ZITAT 5: aus einem „Werbetext“ zu John Waters „schwarzhumoriger“ Eine scheinbar perfekte Hausfrau schreckt vor nichts zurück, um ihre Nachbarschaft vor `Subjekten` zu schützen, die nicht ihrem Moralkodex entsprechen-Satire Serial Mom – Warum lässt Mama das Morden nicht? / OT: Serial Mom von 1994, in der wiederum „the great“ Kathleen Turner glänzt, aber diesmal eben als „Serien-Killerin“ und somit als „Mom“, die, was das Morden betrifft, im Gegensatz zu jener von „Norman Bates“ in Hitchcock’s Psycho, tatsächlich Ernst macht)

 

 

 

Mögt ihr Phil Collins? Ich bin ein großer Genesis-Fan, seit der Veröffentlichung ihres Albums von 1980, `Duke`. Davor habe ich ihre Musik nicht so richtig verstanden...zu künstlerisch, zu intellektuell. Erst auf `Duke`, wo Phil Collins‘ Anwesenheit spürbarer wurde. Ich finde, `Invisible Touch` ist das unangefochtene Meisterwerk der Gruppe. Es ist eine epische Meditation über das Nicht-Greifbare. Gleichzeitig vertieft und bereichert es die Bedeutung der vorhergehenden drei Alben. Hört euch das brillante Zusammenspiel von Banks, Collins und Rutherford an. Man kann praktisch jede Nuance von jedem Instrument hören. […] Phil Collins‘ Solokarriere scheint kommerzieller und daher befriedigender zu sein, und das auf eine vereinfachte Weise, speziell Songs wie `In the Air Tonight` und `Against All Odds`. Aber ich denke auch, dass Phil Collins innerhalb der Grenzen einer Gruppe besser arbeitet als als Solokünstler. Und ich betone das Wort Künstler. Das ist `Sussudio`, ein ganz toller Song, ein Lieblingssong von mir

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Ich will, dass niemand davonkommt

 

(so wie Psycho, wie bereits erwähnt, eben der „Granddaddy des heutigen Horror-Kinos“ ist, so ist „Norman Bates“ der „Granddaddy zahlreicher Film-Psychopathen“, die in den Post-„Psycho“-Jahren den Weg auf die Leinwand gefunden haben, so auch, um wirklich nur einen, und zwar „einen wirklich guten“, herauszupicken, „Patrick Bateman“; die beiden Zitate stammen folglich aus Mary Harron’s American Psycho (2000), der im Grunde durchaus gelungenen Verfilmung des Skandalromans von Bret Easton Ellis, in dessen Zentrum eben der Serienkiller „Patrick Bateman“ steht, ein „Yuppie im Blutrausch im New York der ausgehenden 80er-Jahre“, der bevorzugt Frauen, aber, wenn es die „Umstände“ sozusagen „erfordern“, auch Männer tötet; die im ZITAT 1 wiedergegebene Passage, den Vortrag über Genesis & Phil Collins, spricht der „Patrick Bateman“-Darsteller Christian Bale zu zwei Prostituierten, „Christie & Sabrina“ (gespielt von Cara Seymour & Krista Sutton), die gerade in seine Wohnung gekommen sind und denen der „Musikliebhaber“ klarmachen will, dass er, was Genesis betrifft, nicht der „The Lamb Lies Down on Broadway“ (1974)-Typ ist, sondern eher der „Invisible Touch“ (1986)-Typ – und von zweiterem Album spielt er den „two Hookers“ in der Szene zunächst den Love-Song „In Too Deep“ vor, bevor er zu „Sussudio“ übergeht, einem Hit von Collins‘ excellent“ Solo-Album-effort „No Jacket Required“ von 1985; // das ZITAT 2, eine Art „Serienkiller-Credo“, stammt aus dem grandiosen Schluss-Voiceover, das Christian Bale (der seine Sache als „wohlhabender & erfolgreicher junger Wall Street-Mann mit Problemen, die Maske der geistigen Gesundheit aufrechtzuerhalten“ in dem Film ganz großartig macht) am Ende des durchaus anspruchsvollen „Shocker[s]“ spricht)

 

 

 

Wiederum war es François Truffaut, der einmal gemeint hat: „Hitchcock ist augenblicklich der einzige Cineast der Welt, der genau weiß, was er will und wie er es erreichen kann“. Und tatsächlich ist der Erfolg von Psycho, seine Wirkung auf das Publikum, ganz und gar nicht verwunderlich, denn „Hitch“ geht in dem Film mit der „natürlichen Unangestrengtheit eines visuellen Genies“ (Copyright: Donald Spoto) vor und schafft es, auf der Basis der technischen Brillanz des Films, dass „die Konflikte der im Film handelnden Personen“ während des Betrachtens förmlich auf das Publikum überspringen.

Das Spannungsfeld „Identifikation / zwiespältige Reaktion“, mit dem man bei „Psycho“ fast unweigerlich konfrontiert wird, ist im Grunde schon in der ersten Szene präsent, in der man sozusagen gezwungen wird, „einem halbnackten Paar“ in einem „intimate moment“ zuzusehen (Anmerkung: Die „im BH“ vor der Filmcrew agierende Janet Leigh hatte anfänglich so ihre Schwierigkeiten, in der Szene mit John Gavin im Hotelzimmer die „Leidenschaft“ zu zeigen, die Hitchcock bei der Szene vorschwebte – und der Regisseur erhielt erst „ein ihn zufriedenstellendes Ergebnis“, nachdem er Leigh beiseite genommen hatte und meinte: „Janet, ich spüre nicht die Leidenschaft, die in der Szene herrschen sollte. Geht es irgendwie anders?“).

Von Anfang an kreiert Hitchcock also eine Art „Willenskonflikt“ beim Publikum, bei dem es gleichsam zu einer Übertragung jener „verwirrten Gefühle“ kommt, welche wie ein quälender Schatten auch die Charaktere des Films verfolgen & beherrschen.

Diese „transmission“ wäre unmöglich, wenn Hitchcock in seinem denkbar „untrivialen“ Horror-Thriller aber nicht auch mit einer Art „Wiedererkennung“ arbeiten würde, nämlich mit der Wiedererkennung von „im Alltag vorhandenen Gefühlen & Situationen“, die so gut wie keinem fremd sind.

We say no one – and we mean no one – not even the manager‘s brother, the President of the United States, or the Queen of England (God bless her!)“ (Aufschrift auf einem Alfred Hitchcock-„Pappkameraden“ von 1960, der vor einem Kino stand, um  Moviegoers daran zu erinnern, dass sie nach Beginn der Psycho-Vorstellung nicht mehr in den Saal dürfen) – die Filmkritik war, aus heutiger Perspektive kaum zu glauben, seinerzeit wenig begeistert von dem Werk und man sprach sogar davon, dass es „ein Schmutzfleck auf einer ehrenhaften Karriere“ sei oder, angesichts der „neuen Form der Gewalttätigkeit gegenüber Frauen in Hitchcock’s Filmen“, das Werk eines „sadistischen Hundes“ oder eben eines „Barbaren“. Allerdings kam es vor, dass dieselben critics, welche Psycho einst abgelehnt hatten, sich ein paar Jahre später für Roman Polanski’s Ekel / OT: Repulsion (1965; mit Catherine Deneuve & Ian Hendry) begeisterten, und zwar mit der Begründung, dass das in Großbritannien entstandene Polanski-Werk im besten Sinne „ein Psycho-Thriller im Sinne von Hitchcock’s Psycho“ sei.

Der Grund für die Ablehnung anno 1960 wurde aber des Öfteren auch daran festgemacht, dass Hitchcock durch seine hartnäckige „Geheimhaltungs-Politik“ sowie durch das „Betretungsverbot nach Filmbeginn“ und durch die „aggressive Werbekampagne“ das „ego“ zahlreicher Kritikerinnen & Kritiker verletzt hatte, die außerdem gezwungen waren, sich den Film mit dem „normalen“ Kino-Publikum anzusehen, da es keinerlei „Pressevorführungen“ oder dergleichen gab.

However“, Psycho ist ein Film, genauer: ein filmisches Kunstwerk, an dem so gut wie alles „gewagt“ war – und der Mord unter der Dusche, welcher ursprünglich sogar ohne „Begleit-Musik“ geplant gewesen ist und der unzählige Interpretations- & Analyse-Versuche nach sich gezogen hat (Anmerkung: Hitchcock-Biograf Donald Spoto sah darin gar, was nicht untypisch für die Interpretationsansätze von Spoto ist, eine „stilisierte Vergewaltigung“), hat die Geschichte des Kinos und die Geschichte Hollywoods für immer verändert.

Alfred Hitchcock selbst hat 1966 in „Torn Curtain“ noch einmal versucht, was „Murder-Scenes“ betrifft, gleichsam „einen draufzusetzen“ und hat mit Paul Newman eine „überlange Mordszene“ gedreht, in der Newman in einem „Bauernhaus“ in der Nähe eines „DDR-Ackers“ und gemeinsam mit einer „Bäuerin“ & gleichzeitig Exponentin der Fluchtorganisation „Pi“ den Stasi-Agenten „Hermann Gromek“ (gespielt von Wolfgang Kieling) ermordet – der „Meister der Suspense“ verdeutlicht dabei reichlich schonungslos, „wie schwierig & vor allem langwierig“ das sein kann, jemanden umzubringen (Anmerkung: Der taiwanesische Regisseur Ang Lee hat in Gefahr und Begierde (2007; Starring: Tang Wei & Tony Leung) auch einmal eine „sehr lange Mordszene“ mit einer ganz ähnlichen Es ist in Wahrheit verdammt schwer, jemanden ohne Schusswaffe umzubringen-Botschaft präsentiert).

Die „kraftvolle, sinnliche Gewalttätigkeit“ (Copyright: „The Dark Side of Genius“) der Duschmord-Szene, die auch für Hitchcock selbst schwer zu toppen gewesen ist & wäre, hat im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Regisseure zu „Nachahmungstaten“ bewegt – allen voran den „Hitchcock-Fan & -Epigonen“ Brian De Palma, der 1980 Angie Dickinson (bekannt vor allem aus dem John Wayne-Klassiker Rio Bravo von 1959) „in der Manier von Hitchcock’s Psycho“ brutal mit einem Rasiermesser in einem Fahrstuhl ermorden hat lassen. Der Name des Films, in dem außerdem Michael Caine als „psychopathischer Psychiater mit Hang zur Transsexualität“ glänzt: „Dressed to Kill“.

 

 

 

(Neu überarbeitete Fassung; // ENDE der TEILE 2.1 & 2.2; Ur-Fassungen vom 03.04.2022 & vom 05.04.2022)