Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers) - Staffel 4 (Schwarzweißstaffel) mit Diana Rigg (Eine kampfkunsterprobte Ikone in Leder!)

Oft beginnen die intensivsten Beziehungen, gerade auch die cineastischen, durch reinen Zufall! 

Ein solcher Zufall war es wohl auch, der mich 2009, bei einem "routinemäßigen" Streifzug durch das DVD-/CD-Geschäft meiner Wahl, auf diese DVD-Box stoßen ließ, auf der irgendwas von "Edition 1" steht und "8 DVDs", und die, in Schwarzweiß, einen gesetzteren Herren mit Melone auf dem Kopf und eine im Vergleich dazu jüngere Frau abbildet.

 

Zugegeben, das angesprochene Titelbild ist ein bisschen albern, denn Patrick Macnee lacht darauf, als ob er etwas eingenommen hätte, aber der deutsche Titel selbst, nämlich "Mit Schirm, Charme und Melone", weckte ein paar, wenn auch äußerst ungenaue, Erinnerungen - in der Form von Schwarzweißbildern, die wohl, im Nachhinein betrachtet, zwar so in der Serie nicht vorkommen, aber mir zweifelsfrei bestätigten, dass irgendetwas bei einer Fernsehausstrahlung wohl hängengeblieben sein musste.

Zu den besagten Schwarzweißbildern gesellte sich auch gleich ein Name: Emma Peel!  

Ach ja, und dass da irgendwas in ihrem Zusammenhang mit Leder war, fiel mir auch noch ein...Und dass an der Rolle irgendetwas legendär war, das ins kollektive Unterbewusste gedrungen sein musste, ebenfalls.

 

Die Rückseite der DVD-Box verriet mir auch sofort, dass Emma, in perfekter Ergänzung zu "Gentleman-Agent" John Steed, "schlagfertig und supersexy" war sowie mit "Karate-Künsten" dienen konnte.

Nun, mir fällt bis heute nicht ein, wie die geflügelten Worte heißen, die ich ebenfalls mit dem Namen Emma Peel in Verbindung bringe ("Emma Peel für..." Für Anfänger? Für Fortgeschrittene? Für Arme?), aber eines ist sicher: Die DVD-Box wurde gekauft und...es vergingen, weil der Kauf wohl in eine ausgedehnte Jackie Chan-/Martial Arts-Periode meinerseits fiel, Wochen, bis ich wirklich begann mich mit der Serie zu beschäftigen.

 

Schon die erste Folge der neuen Staffel ("Stadt ohne Rückkehr"/"The Town Of No Return") gilt unter Fans als ein "Must See", und das kann man verstehen! Nach Honor Blackmans überraschendem Abgang hatte man nämlich intensiv nach einer Nachfolgerin gesucht und eine solche in der jungen Diana Rigg, die noch neu beim Fernsehen war, gefunden.

 

Das anfängliche Fechtduell zwischen Macnee, der ab Staffel 4 so aussieht, wie ihn die ganze Welt heute kennt ([stahlverstärkte!] Melone auf dem Kopf und stets einen Regenschirm bei sich tragend, in der sich ein Degen befindet), und Rigg, Agent John Steed und Mrs. Emma Peel, in "Stadt ohne Rückkehr" ist aufregend anzusehen und zeigt sowohl Emmas Verteitigungskünste als auch das bereits früher schon angesprochene spezielle Verhältnis zwischen beiden Figuren. Denn Steed tritt eben nicht nur als älterer Mentor auf, sondern es gibt da durchaus, wie das auch bei Gale und Steed schon der Fall war, eine mehr oder weniger versteckte erotische Komponente, die in diversen "Flirtereien" immer wieder unterschiedlich stark zum Ausdruck kommt. So schlägt Steed Emma Peel während des besagten Fechtkampfes sogar einmal neckisch mit dem Degen auf ihr Hinterteil, ohne dass das jetzt übertrieben chauvinistisch rüberkommen würde.

 

Es spricht für die Vielschichtigkeit der Serie, dass man aus den ganzen phantasievollen "Agenten gegen böse Verbrecher"-Geschichten, den kompliziertesten und sicherlich auch bizarrsten Kriminalfällen, auch viele andere Komponenten und Ebenen herausfiltern kann. Zu verdanken ist das sicherlich vor allem dem exzellenten Autorenteam um Brian Clemens, das seiner Zeit wohl mehr als weit voraus war. 

 

Noch ein Highlight darf zu Beginn, bevor es dazu kommt, dass Steed Peels Wohnung betritt und es sozusagen bald zum erwähnten Fechtkampf übergeht, nicht unerwähnt bleiben: Emma Peels Türspion! Dieser ist nicht nur riesig, sondern er ist auch einem weiblichen Auge nachempfunden, mit langen Wimpern. Als Steed die Türglocke betätigt, öffnet sich dieses feminine Auge und man hört das erste Mal Diana Riggs Stimme - ein wunderbar originelles Detail schon zu Beginn!

Überhaupt empfiehlt es sich natürlich, wie das bei fast jeder Serie oder jedem Film generell der Fall ist,  "Mit Schirm, Charme und Melone" im englischen Original anzusehen, denn Emma zum Beispiel klingt im Original viel strenger, vielleicht ein kleines bisschen "blechern", was aber keineswegs abwertend gemeint ist, sondern ihrer Rolle und ihrem Charakter viel mehr entspricht als die teilweise fast zu lieblich geratene deutsche Synchronisation.  

  

Fest steht jedenfalls: Diana Rigg ist nicht nur so oder so wunderschön, sie hat auch ein gewaltiges Charisma auf dem Bildschirm, dem man sich nur schwer entziehen kann. Kein Wunder also, dass mit ihr an Macnees Seite der Welterfolg dieser Serie begann und man heute noch, in der Erinnerung, die gesamte Serie vor allem mit Rigg und ihrer Figur Emma Peel in Verbindung bringt.

 

An dieser Stelle sollen zwei wichtige Folgen der 4. Staffel kurz besprochen werden, nämlich einerseits das bereits erwähnte Emma Peel-Debüt "Stadt ohne Rückkehr" und andererseits die seinerzeitige Skandalfolge "Die Nacht der Sünder" ("A Touch Of Brimstone"), die in Deutschland überhaupt erst 1998 ausgestrahlt wurde, weil sie den Sendeverantwortlichen 1966 wohl "zu heiß" oder "zu kühn" war.

 

STADT OHNE RÜCKKEHR (THE TOWN OF NO RETURN) (Staffel 4/Folge 1)

 

In GB im Oktober 1965 gesendet, haben wir es mit folgender Ausgangsposition zu tun: Vier Agenten verschwinden auf mysteriöse Weise in einem kleinen Ort am Meer, Little Bazeley genannt. Steed und Peel sollen den Fall aufklären, werden aber mehr als nur abweisend und kühl von den anscheinend wenigen Dorfbewohnern, die ganz offensichtlich etwas zu verbergen haben, empfangen.

 

Ein interessantes Detail am Rande: Im Zug, auf dem Weg nach Little Bazeley, treffen Steed und Peel im Zugabteil auf einen Mann namens Smallwood. Der beleibte Herr, der seinen Bruder Tom in der besagten Stadt besuchen will, wird von Patrick Newell dargestellt, der später, in den Avengers-Folgen mit Linda Thorson,  "Mutter" spielt, den an den Rollstuhl gefesselten Chef des Geheimdienstes. Überhaupt treten bei "Mit Schirm, Charme und Melone" immer wieder die gleichen Schauspieler in verschiedenen Rollen auf, so auch Newell, der dann beispielsweise auch in einer Folge der Emma Peel-Farbstaffel ("Eins, zwei, drei - Wer hat den Ball?"/"Something Nasty In The Nursery")  zu sehen ist, aber dort eben noch nicht als Steeds Chef  "Mutter".

Allerdings, ein langes Leben ist Newell alias Smallwood in "Stadt ohne Rückkehr" nicht gegönnt, denn er muss bald erkennen, dass die Stadt mehr oder weniger verlassen ist und sein Bruder Tom unauffindbar. Nachdem er schließlich noch die irritierende Entdeckung macht, dass der Gesang in der Dorfkirche auch nur vom Band kommt, wird er letztendlich von einem brutal aussehenden Mann verfolgt und von dessen Hund zu Tode gehetzt.

 

Diese ganze Suche sowie die Hetzjagd, beides findet in der Nacht statt, sind in sehr atmosphärischen Schwarzweißbildern eingefangen - überhaupt ist "Stadt ohne Rückkehr" eine der atmosphärisch dichtesten Folgen der gesamten Serie, denn die Kameraarbeit, mit ihren düsteren Bildern, ist wirklich exzellent!

 

Steed und Peel hingegen "checken" sozusagen in Little Bazeley in einem Gasthaus ein; Steed gibt vor, etwas mit Immobilien zu tun zu haben, während Peel sich als Lehrerin ausgibt.

 

In dieser Kleinstadt ist wirklich alles sehr seltsam: Die Stadt selbst ist heruntergekommen und morbide. Die schäbigen Hotelzimmer haben zugenagelte Fenster. In der Nacht hört man ein mysteriöses Marschieren; und die Schule, in der Mrs. Peel unterrichten soll, hat keinen einzigen Schüler, obwohl keine Ferien sind.

Letztendlich entpuppen sich alle für Steed und Peel sichtbaren Personen, der Besitzer des Gasthauses, der Pater, der Schulinspektor, eine Lehrerin, der Schmid, der sich noch dazu als Tom Smallwood ausgibt, als Teil einer großen Verschwörung, einer geplanten Invasion, bei der die einheimische Bevölkerung sozusagen langsam ausgetauscht wird - der kalte Krieg und diverse (Albtraum-)Szenarien lassen hier grüßen!

Nachdem Mrs. Peel zufällig in der Schule einen Mann (einen echten Schulrat) entdeckt, der ihr, sterbend, mitteilt, dass "irgendetwas im Untergrund passiert", schreitet das Agentenduo zur Tat.

Am Ende kann man sich dann von Steeds und Peels Kampfkünsten überzeugen, denn die beiden räumen unterhalb der Stadt, im besagten "Untergrund", nicht nur mit den falschen Lehrern und dem falschen Pastor auf, sondern halten auch geschickt eine Armee in Schach und verhindern so eine militärische Invasion.

 

Die "Stadt ohne Rückkehr" lebt, wie schon erwähnt, von der düsteren Atmosphäre und fast schon etwas gruseligen Grundstimmung. Die Kameraarbeit trägt hier ihren entscheidenden Teil dazu bei.

 

Emma Peel erlebt einen großartigen Einstand und trägt auch hier schon sehr "stylisch" wirkende Kleidung, größtenteils in Leder. Auch ihre Kopfbedeckungen sind sehr eigentümlich - heute würde man diese wohl in den "High Fashion"-Bereich einordnen. John Bates, der damals für Diana Riggs Kostüme zuständig war, Edward Payne, der ihre Schuhe kreiert hat, und Anne Trehearne, die im Abspann als "Fashion Consultant" bezeichnet wird, haben wirklich ganze Arbeit geleistet und einen revolutionären Look geschaffen!

 

Ein zusätzliches fixes Ritual wird ebenfalls eingeführt -  neben den bereits erwähnten abwechselnden Treffen in den Wohnungen von Steed und Peel und den ebenfalls bereits erwähnten diversen gemeinsamen Aktivitäten, auf die ich schon in einem vorherigen "Mit Schirm, Charme und Melone-Artikel" hingewiesen habe.  

Am Ende jeder Folge entfernt sich das Agentenduo nun stets gemeinsam vom Ort des "kriminellen Geschehens" mit einem anderen Fortbewegungsmittel; in "Stadt ohne Rückkehr" ist dies ein Mofa, in anderen Folgen z.B. ein Heuwagen oder ein Tandemfahrrad oder einfach nur ein Auto. Auch Pferde kommen einmal für dieses Schlussritual, bevor der Abspann loslegt, zum Einsatz.     

 

Die Musikdramaturgie ist hier, in der 4. Staffel, völlig anders als in den vorherigen Staffeln: Man hat es, beginnend schon im Vorspann, dank Laurie Johnsons eingängiger Titelmelodie, mit "richtiger Filmmusik" zu tun. Also keine Drums oder Jazzelemente mehr als Musikuntermalung während der Kämpfe, wie das in der Steed/Gale-Ära noch der Fall war.

 

Auch die Einteilung jeder Folge in drei Akte (zum Vergleich: Die ebenfalls bekannte 60er-Jahre-US-Kult-Serie "Solo für O.N.C.E.L."/"The Man From U.N.C.L.E." hat in ihrer Schwarzweißphase gleich 4 Akte pro Folge!) , die, in den Vorgängerstaffeln, doch eher einen Fernsehspielcharakter betont hat, ist hier nicht mehr vorhanden. Mit anderen Worten: "Mit Schirm, Charme und Melone" ist filmischer geworden!

 

 

DIE NACHT DER SÜNDER (A TOUCH OF BRIMSTONE) (Staffel 4/Folge 21)

 

Die Frage, wer der beste und einprägsamste Schurke der 4. Staffel von "Mit Schirm, Charme und Melone" ist, ist leicht beantwortet: Peter Wyngarde als John Cleverly Cartney!

 

Ja genau, der Peter Wyngarde, der mit "Department S" und der daraus hervorgegangenen Nachfolgeserie (heute würde man eine solche  wohl modern als Spin-off bezeichnen) "Jason King" Ende der 60er-Jahre und Anfang der 70er-Jahre einmal extrem populär war, bevor ihm ein homosexueller Akt auf einer öffentlichen Herrentoilette karrieretechnisch zum Verhängnis wurde.

 

Aber zurück zu "Die Nacht der Sünder", einem wahren Meisterstück der gesamten Serie (Buch: Brian Clemens; Regie: James Hill), das einige spektakuläre Komponenten aufzuweisen hat, vor allem was Emma Peel betrifft.

 

Eine Anarchisten-Gruppe mit offensichtlich bizarrem Humor stört, durch eine Reihe von "Scherzen" (ein Beispiel: beim Fernsehauftritt eines Ost-Diplomaten explodiert plötzlich dessen Zigarre im Mund), einen Annäherungs-/Verständigungsprozess zwischen Ost und West.

 

John Steed bezeichnet diese ständigen Störungen als "kindisch", teilt Emma aber gleichzeitig mit, dass diese, selbstverständlich, trotzdem Schaden anrichten und dass ein gewisser John Cleverly Cartney der Hauptverdächtige sei, hinter diesem üblen Treiben zu stecken, das langsam zu ernsthaften Destabilisierungen führt.

 

Überhaupt macht Wyngarde seine Sache hervorragend: Seine diebische Freude an den Scherzen, seine stechenden Augen, sein höhnisches Grinsen!

 

Mit jeder Faser seines Gesichts und Körpers drückt er eine gefährliche, sadistische und größenwahnsinnige Persönlichkeitsstruktur aus, bei der man sofort das Gefühl hat, dass es nicht mehr lange nur bei diesen "Scherzen" bleiben wird.

Cartney ist ohne Zweifel ein Psychopath, wenngleich auch einer mit starkem Charisma, der Anhänger um sich scharen kann, und Wyngardes Darstellung würde ich als große Schauspielkunst bezeichnen, die also weit subtiler und einprägsamer daherkommt, als die Darstellung anderer Bösewichter bei "Mit Schirm, Charme und Melone", ganz egal, welche Staffel man da durchforsten würde.

 

Peter Wyngardes J. C. Cartney wird auch als Hedonist (also als einer dem "Lustprinzip zugewandter Mensch") gezeichnet. Frauen sieht er ohnehin nur als eine Art "sexuelles Spielzeug" an, als, wie er einmal sagt, bloße "Freudenspender" und bezeichnet sie gleichzeitig auch als "Höllenbräute".

Seinen ständig unter der Oberfläche lodernden Hang zur Gewalt kann er, auch Frauen gegenüber, oft nur schwer unterdrücken.

 

In dem von ihm neu gegründeten "Höllenfeuer-Club", der offenbar einem alten, originalen "Höllenfeuer-Club" nacheifert, der laut J. Steed "1759" gegründet wurde und offensichtlich schon damals nach politischer Macht und nach dem Sturz der Regierung trachtete, gibt man sich ohne Scheu hemmungslosen Saufgelagen sowie Kampfritualen "unter Männern" hin. Die Frauen, die dabei sein dürfen, wirken dabei eher wie "Freiwild", das sich jeder Mann, gleichsam nach Belieben, nehmen kann.

"Es lebe die Hölle auf Erden!", stellt beispielsweise ein zentrales Motto des Clubs dar. Der Glaube an die "Macht des Bösen und der Todsünde" wird ebenfalls beschworen.

J. C. Cartney erwähnt in seinen Reden auch den "Hades", also den griechischen Gott der Unterwelt, und in diesem Zusammenhang auch den "Vorhof von Hölle und Verdammnis!".

 

Aber, bevor es mir hier selbst etwas zu akademisch wird, nun wirklich zurück zum Verlauf der Geschichte dieser exzellenten Folge, denn schließlich steht in dieser Serie immer noch unser bewährtes Agentenpaar John Steed und Emma Peel im Vordergrund!

 

Wie nicht anders zu erwarten, wird aus einem von Cartneys erdachten "Scherzen", natürlich bewusst, tödlicher Ernst, und bei einer feierlichen Eröffnung, die mit dem simplen Durchschneiden eines Bandes hätte eingeleitet werden sollen, bricht ein ausländischer Politiker durch einen Stromschlag leblos zusammen. Eigentlich hätte nur eine Gummischere das Durchschneiden des Bandes verhindern und dem Ganzen den Aspekt einer Farce verleihen sollen.

Steed und Peel kommen zu spät und können die Tragödie nur mehr auf dem Fernseher in Steeds Wagen verfolgen.

 

Zuvor ist Folgendes geschehen: Peel hat auf Anraten von Steed Kontakt zu Cartney aufgenommen. Zwischen den beiden herrscht auf Anhieb sogar eine gewisse Anziehung und Peel beschreibt Cartney gegenüber Steed sogar als "dynamisch, faszinierend, verführerisch".

 

Währenddessen ist Steed bei der Durchsuchung von Lord Darcys Haus, einem Mann, den Peel bei Cartney kennengelernt hat und der ebenfalls Mitglied des besagten "Höllenfeuer-Clubs" ist, auf eine Gummischere gestoßen, die Steed sofort als Hinweis auf einen möglichen nächsten "Scherz" deutet.

 

Lord Darcy, der, auf Grund seiner Verbindungen, dafür sorgen konnte, dass eine solche Gummischere für die besagte Eröffnung verwendet wurde, hat sofort Gewissensbisse und ist entsetzt plötzlich Teil eines Mordes zu sein!

 

Letztendlich wird Darcy, der Cartney und seinen Club zur Rede stellt und droht "die Behörden einzuschalten", vom "Rat der Oberen" ermordet, indem man Darcy in einer Katakombe durch eine Falltür stürzen lässt.

Der besagte "Rat der Oberen" trägt eine Art Kutte mit Kapuze und dazu Gesichtsmasken, die die Gesichter allerdings nur mehr oder weniger verhüllen.

Die kunstvollen Großaufnahmen, vor allem von Wyngarde in dieser Aufmachung, gepaart mit seinem kalt-grausam-despotischen Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verheißt, haben etwas Gruseliges und man ahnt sofort, dass Lord Darcy sich hier mit dem falschen Mann anlegt!

Emma Peel, die an dieser Stelle, auf Cartneys Einladung hin, Gast beim "Höllenfeuer-Club" ist, ahnt sofort, dass Darcys empörtes Auftreten bei der Feier und sein anschließendes Verschwinden mit dem "Rat der Oberen" wohl seinen Tod besiegelt haben.

 

Auf Darcys Beerdigung stellt Emma J. C. Cartney dann John Steed vor, der Interesse vortäuscht Mitglied des Clubs zu werden.

Nachdem Steed sämtliche Aufnahmerituale/Initiationsrituale gleichsam mit Cleverness und Bravour bestanden hat, wird er aufgenommen und, wie auch Emma Peel, zur "NACHT DER SÜNDER" eingeladen.

Einem Fest, bei dem alle in ihren 18. Jahrhundert-"Retro-Gewändern" auftauchen, das Cartney letztendlich aber nur als Tarnung für einen Terroranschlag mit Sprengstoff dient, der der britischen Regierung gelten soll. Durch die Katakomben unterhalb des Festsaales gelangt man nämlich zu einem Ort, über dem am  Abend des Festes auch eine Sitzung der britischen Regierung stattfinden soll.

 

Doch nun endlich zum spektakulärsten Moment der gesamten Folge und zu einem der spektakulärsten Momente der gesamten "Mit Schirm, Charme und Melone"-Serie: John Cleverly Cartney ruft Emma Peel zur "QUEEN OF SIN" aus, zur "Königin der Sünde", zum Inbegriff der Nacht der Sünde!

Zu diesem Zweck wird Emma kurz weggebracht und kommt in einem Outfit wieder, das für die damalige TV-Zeit mehr als gewagt war (kein Wunder, dass das biedere deutsche Fernsehen damals vor einer Ausstrahlung gekniffen hat!):

Sie trägt sexy Lederstiefel, die bis hinauf zu den Knien reichen; darüber hinaus Handschuhe, welche auch noch die Ellbogen bedecken; dazu ein knappes, trägerloses und mehr als figurbetontes Kleidungsstück, das Becken, Bauch und Brüste verhüllt; ihr Haar ist hochtoupiert und auf den Augenlidern trägt sie so etwas wie funkelnde Steine (richtige Diamanten? - keine Ahnung...).

Doch das Allerwichtigste, der Clou schlechthin, ist natürlich das Stachelhalsband, ein Accessoire, welches man zweifellos schon dem Fetisch-Bereich zuordnen kann!

Die Tatsache, dass sie dazu noch eine Würgeschlange, eine Boa, auf den Händen trägt, rundet diesen "Magic Moment" noch zusätzlich ab!  

 

Cartney gibt Emma sozusagen im Anschluss an ihren Auftritt an seine Meute frei und sie wird von den Männern in einen anderen Raum getragen, was Steed zwar etwas skeptisch-besorgt beobachtet, ohne sich jedoch, ganz Profi, wenn man so will, allzu viel anmerken zu lassen.

Wenig später sitzt Emma aber wieder, und das absolut fit, im "Publikum" - was mit ihr oder überhaupt passiert ist, darüber lässt sich nur spekulieren!

 

Nun aber zum Finale von "Die Nacht der Sünder":

Steed wird durch Horace, Lord Darcys Diener, der ihn damals beim Einbruch und beim Auffinden der Gummischere erwischt hat und den Steed daraufhin kurzerhand niederstrecken musste, durch Zufall erkannt. Der enttarnte Agent muss sich dann zuerst einem Fechtduell stellen, bevor er sich vor der ganzen Meute in Sicherheit bringen muss, was ihm auch gelingt.

 

Emma hingegen verschwindet hinunter in die Katakomben. Als Cartney das sieht, greift er sich eine Peitsche(!) und verfolgt sie. Nachdem Emma, noch immer in ihrem außergewöhnlichen Outfit, mit ihren Karatekünsten die Männer, die gerade den Sprengstoff vorbereiten, ausgeschaltet hat, muss sie sich Cartney stellen, der wie verrückt mit der Peitsche herumschlägt und versucht Emma Peel damit zu treffen.

 

Ohne hier zu viel hineininterpretieren zu wollen oder gar in zu abenteuerliche Interpretationen zu verfallen, hat die ganze Aktion doch einen beträchtlichen S/M-Charakter, nur dass Cartney hier wie eine wild gewordene Domina agiert und versucht die "Höllenbraut" Peel zu züchtigen und zu bändigen und in der Folge sicherlich auch zu töten!

Eines ist jedenfalls klar: Mit "Indiana Jones" hat seine Peitschen-Aktion nichts zu tun :-).

Für den werten John Cleverly Cartney geht das natürlich nicht lange gut, denn er trifft in seinem Zorn irgendwann genau jene Fackel, die die Falltürfunktion auslöst, die schon Darcy getötet hat.

 

Die Folge "Die Nacht der Sünder" hat viele Highlights und ist von Brian Clemens wieder einmal exzellent geschrieben.

Sie ist aber vor allem "Peter Wyngardes Show", denn seine Darstellung des Bösewichts bleibt einem, wie schon angedeutet, in Erinnerung. 

Diana Riggs Outfit mit Stachelhalsband ist natürlich ohnehin für jeden Fan ein unvergesslicher Moment!

Und auch Patrick Macnee vermag hier vielleicht noch mehr zu gefallen als in anderen Folgen der Serie, denn er darf hier ein paar subtilere Gesichtsausdrücke und Zwischentöne zeigen als das sonst der Fall ist.

 

Und eines kann man heutzutage wohl auch nicht leugnen: Der Aspekt mit diesem dubiosen "Höllenfeuer-Club", dessen Mitglieder letztendlich nur daran interessiert sind Unfrieden zu stiften, Terrorakte zu verüben und folglich Menschen zu töten, hat auch heute zweifellos wieder traurige Aktualität!

 

Eine ergänzende Bemerkung zum Schluss: Weder "Die Stadt ohne Rückkehr" noch "Die Nacht der Sünder" gehören, streng genommen, zu meinen Lieblings-Folgen der 4. Staffel. Sie gefallen mir natürlich überaus gut und sind allgemein anerkannte "Pflicht-Folgen", die innerhalb der Serie und der Staffel ohne Zweifel ihren absoluten Wert und Stellenwert besitzen.

 

Meine Lieblingsfolge der Diana Rigg-Schwarzweißstaffel ist allerdings das formidable "Gefährliche Tanzstunde" /"Quick-Quick-Slow Death" (Staffel 4/Folge 19) - Emma Peel als Tanzlehrerin, im Rahmen eines Undercover-Auftrags, darf man sich nicht entgehen lassen!!!

 

Weitere Highlights von Staffel 4, die zu meinem engeren Favoritenkreis zählen, sind:

  • "Tödlicher Staub"/"Silent Dust" (abermals sehr atmosphärische Kameraarbeit; John Steed wird sogar angeschossen!)
  • "Club der schwarzen Rose"/"The Danger Makers" (herrlich abgründiger/schwarzer Humor; inszeniert vom legendären Charles "Ein Fisch namens Wanda" Crichton)
  • "Robin Hood spielt mit"/"A Sense Of History" (spielt im Akademiker-/Studentenmilieu; verfügt mit Duboys, gespielt von Patrick Mower, über einen einprägsamen "Jung-Bösewicht", einen echten "Widerling")
  • "Mörderischer Löwenzahn"/"Man-Eater Of Surrey Green" (Höhepunkt: Emma und Steed kämpfen gegeneinander, weil sich die außerirdische Pflanze Emmas Gedanken bemächtigt hat! - Ich weiß, klingt albern, ist aber unerhört amüsant...)

 

Zu guter Letzt seien hier aber auch noch die beiden absolut schwächsten Folgen von Staffel 4 erwähnt, mit denen ich stets weniger anfangen konnte und auch weiterhin kann:

 

  • "2:1=1"/"Two's A Crowd" (eine etwas langweilige Folge, die nie so recht in die Gänge kommt!)
  • "Mrs. Peel zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten"/"The Girl From Auntie" (Diana Rigg kommt nur am Anfang und am Ende dieser Folge kurz vor; Emma Peel wird nämlich zu Beginn in eine Falle gelockt und soll an irgendwelche Verbrecher versteigert werden! Den Rest über wird Steed von einer naiven "Vertreterin", einer Schauspielerin, die sich als Emma Peel ausgeben muss, begleitet; langweilig - gibt wirklich nicht viel her!)

 

 

(geschrieben: 2016)