Die „Braut“ steigt schließlich die zahlreichen Stein-Treppen hinauf, um in den „White Lotus Temple“ zu gelangen [Beschreibung des Tempels im Skript: „The huge temple is exactly like it must have been a hundred years ago, except now it’s empty and dusty“].
Oben angekommen [„[…] She‘s winded[im Sinne von: „kurzatmig“] from climbing up those fuckin steps“; QT-Skript] trifft sie Pai Mei sitzend an [QT-Skript-Beschreibung des Aussehens des „Kung Fu-Priesters“: „Long White Hair, Long White Beard, Long White Eyebrowes, […] long flowing White Robe“; Anm.: Im Grunde sieht Pai Mei, wie QT im Skript und mit Bezug auf die geplanten Shaw Brothers-Filmausschnitte meint, die in der Kinofassung von Kill Bill – Volume 2 dann doch nicht zum Einsatz gekommen sind, „by about hundred years older“ aus, als er das eben in den alten Filmen getan hat].
Sie kniet vor ihm nieder und sagt „Meister“ auf Mandarin zu ihm [Anmerkung: Der angesprochene „Meister“ spricht in sämtlichen Szenen Chinesisch; die hier angeführten Dialoge zwischen „master & student“ geben den Text der deutschen Untertitel wieder].
Nach einer „Sprach-Debatte“ zwischen Pai Mei und der „Braut“ [PAI MEI: „Dein Mandarin ist miserabel. Es tut meinen Ohren weh. […] Sprich nur, wenn ich dich anspreche. Ist es zu viel zu hoffen, dass du Kantonesisch verstehst?“ / THE BRIDE: „Ich spreche Japanisch“ / PAI MEI: „Ich habe dich nicht gefragt, ob du Japanisch sprichst, sondern, ob du Kantonesisch sprichst“ / THE BRIDE: „Ein wenig“] bringt der Meister das Ziel ihres Aufenthalts gleichsam auf den Punkt: „Du bist hier, die Geheimnisse des Kung Fu zu erlernen, keine Sprachen“.
Pai Mei lenkt das Gespräch dann kurz auf Bill und weist in der Folge auf ihr mangelndes Können hin [PAI MEI: „Dein Meister hat mir gesagt, du bist nicht gänzlich unwissend. Was kannst du?“ / THE BRIDE: „Ich beherrsche den Tiger-Kranich-Stil. Und besonders gut beherrsche ich die hohe Kunst des Samurai-Schwerts“ / PAI MEI: „Dass ich nicht lache“], um sich schließlich über die „Wut“ der „BRIDE“, die sich langsam bei ihr zeigt, lustig zu machen [PAI MEI: „Deine Wut amüsiert mich […]“; Anm.: QT hat in das Pai Mei-Segment, neben dem Shaw Brothers-Zoom, der natürlich gleich mehrmals vorkommt, ein weiteres unverkennbares Merkmal des klassischen alten chinesischen Kung Fu-Films der 60er- & 70er-Jahre eingebaut, nämlich die „Gewohnheit“ von Bösewicht-Figuren, in diversen Situationen laut & hämisch aufzulachen, um sozusagen unmissverständlich jedem zu zeigen und klarzumachen: „Ich bin böse“ oder „Ich bin der Bösewicht“– Skript-Passage, die der oben zitierten PAI MEI-Aussage „Your anger amuses me […]“ vorausgeht: „Pai Mei softly LAUGHS to himself, and strokes his long white beard“].
Pai Mei fordert „Die Braut“ dann -sozusagen- zu einem Kampf heraus [Best of „PAI MEI-Kampfansagen“ an die „BRIDE“ an jener Stelle: „Glaubst du, du wärst mir gewachsen?“ / „Weißt du, dass ich jeden töten kann?“ / „Willst du sterben?“ / „[…] meine jämmerliche Freundin, gibt es etwas, was du wirklich beherrschst?“] und sie soll aus einem Schwertständer, der aber „[…] filled with just about every type of edged weapon“ [QT-Skript] ist, ein Schwert ziehen [laut Skript ein „large heavy steel Chinese Sword“].
„Mal sehen, wie gut du bist. Wenn du einen Treffer landest, ernenne ich dich zur Meisterin“ [QT-Skript-Version des im Film natürlich auf Chinesisch gesprochenen Satzes: „If you land a single blow, I’ll bow down and call you master“] – „Die Braut“ lässt sich das nicht zweimal sagen und greift den herablassend agierenden „Kung Fu-Priester“ an [„[…] she ATTACKS with the sword“; Skript], kämpft aber in der Folge natürlich von Beginn an einen völlig vergeblichen Kampf gegen ihn [dazugehörige Kampf-Beschreibungen im Skript: „The fighting style is now like an old Shaw Brothers film, with Pai Mei dodging[ausweichen] at will all of her rapid sword slashes. Quick and skillful as her moves are, they are also full of Effort and Frustration. While Pai Mei effortlessly[mühelos] moves out of the sword’s path“].
Pai Mei springt hoch und „landet“ dann auf ihrem Schwert [„He LEAPS HIGH UP IN THE AIR, and LANDS STANDING on the Blade of her sword“; Skript], um die Aktion dann noch mit einem „Bruce Lee-artigen“ Rückwärtssalto zu toppen, bei dem sie von einem Fuß des Meisters im Gesicht getroffen und gegen einen Baum geschleudert wird [„He does a BACKFLIP off the sword, kicking the Bride in the face […]“; Skript].
Anschließend fällt Pai Mei wiederum vernichtende Urteile über die „Braut“ [PAI MEI: „Deine Fechtkunst ist dilettantisch“ / „Dein sogenanntes Kung Fu ist wirklich erbärmlich“] und schleudert das Schwert zurück in den Schwertständer. Dann fordert er die „Bride“ erneut zum Kampf [PAI MEI: „Ist dein Tiger-Kranich-Stil meiner Adler-Klaue gewachsen?“] – und zu Klängen von „70s-Kung Fu-Film-Music“ liefern sich die beiden einen weiteren Fight im Stile der alten Shaw Brothers-Filme [QT-Skript: „Like a Gordon Liu and Loh Lieh film, they do their animal style martial arts dance“], bei dem es auch dazu kommt, dass der alte „Kung Fu-Priester“ [Anm.: In seinem Ur-Skript hat Tarantino PAI MEI noch folgende „Altersangabe“ gegenüber der „Braut“ machen lassen: „I’m a hundred and fifty years old[…]“] gleichsam jene „Verachtung für Frauen“ zum Ausdruck bringt, vor der Bill die „Braut“ zuvor gewarnt hat, denn er sagt: „Wie alle Yankee-Frauen kannst du nur in Restaurants etwas bestellen und Geld ausgeben“.
Pai Mei beendet den ungleichen Kampf, schnappt sich das Handgelenk der „Braut“ und verdreht es auf für sie äußerst schmerzhafte Weise [Ausschnitte aus den zugehörigen Skript-Passagen: „[…] She’s on the [ground], with her arm stuck out in the air behind her, her wrist still between his fingers. He could literally break her arm in half. […] He TWISTS her wrist…The pain is excruciating[qualvoll]…[…] She CRIES OUT“], wobei am Ende der Tortur, nach einigen „Fragen“ Pai Meis an die „BRIDE“, die wiederum darauf zielen, dass sie ihre Unterlegenheit & ihr mangelndes Können eingesteht [PAI MEI: „Musstest du je so etwas ertragen? […] Du bist hilflos wie ein Wurm im Kampf gegen den Adler? […] Willst du auch eine solche Kraft besitzen?“], folgende „erlösenden“ Worte stehen: „Dein Training beginnt morgen“.
„TIME CUT“ [Skript] – Pai Mei befindet sich bei einer „wood wall three inches in front of him“ [Skript] und scheint sich auf einen bestimmten Punkt darauf zu konzentrieren. Die „Braut“, „the new student“ [Bezeichnung an der Stelle aus dem QT-Skript], die hinter ihm steht, wird nun Zeugin davon, wie der Kung Fu-Meister die Holzplatte durchschlägt [QT-Skript: „He lets out a SCREAM, and puts his fist THROUGH THE WALL“]. Bevor Pai Mei dann den Vorgang wiederholt und ein zweites Loch in das Holz schlägt [„He HITS the wall again leaving another hole“; Skript], zeigt er sich wiederum über die „Einstellung“ der „Braut“ empört [PAI MEI: „Kannst du das?“ / THE BRIDE: „Ich kann es, aber es ist zu nah“ / PAI MEI: „Dann kannst du es nicht! Was ist, wenn ein Feind 10 cm von dir entfernt steht? Was tust du dann? Gibst du klein bei? Oder durchbohrst du ihn?“].
Dann sagt er zur „BRIDE“: „Fang an!“ - und diese platziert sich vor der Holzplatte und führt einen Schlag gegen diese aus, was aber nur zu dem Ergebnis führt, dass ihre Hand blutig ist [QT-Skript bezüglich der Konsequenzen des Schlags & der Reaktion der „Braut“: „She HITS it. Only managing to stain the wall with the blood from her scraped knuckles[aufgeschürfte Knöchel]. […] She looks at her fucked-up hand[…]“].
„Das Holz soll sich vor deiner Hand fürchten, nicht umgekehrt! Kein Wunder, dass du es nicht schaffst. Du gibst auf, bevor du angefangen hast“ – nach diesen Worten verschwindet PAI MEI [„He walks off in a huff[im Zorn]“; Skript] und die „Braut“ bearbeitet „THE WOOD WALL“ [Skript] weiter.
In weiterer Folge bekommt man eine Reihe von „Trainingssequenzen“ zu sehen, die die „Braut“ im Rahmen ihrer Ausbildung zeigen: „Die Braut“ trägt zwei Wassereimer, die an einer Stange befestigt sind, mühevoll die lange Stein-Treppe hinauf – „Die Braut“ beim Kung Fu-Training [„The BRIDE Practicing her Tiger/Crane combo Kung Fu“; Skript] – „Die Braut“ versucht wieder, die „Holzwand“ zu durchschlagen, wobei Pai Mei auf der Holzwand sitzt und ihr mit einem Stock auf den Kopf schlägt, weil sie „versagt“ [„Pai Mei WHACKS her on top of her head with his stick“; Skript] – „Die Braut“ beim Kung Fu-Training, gleichsam als Silhouette vor einem roten Hintergrund – „Die Braut“ beim Kung Fu-Training gemeinsam mit Pai Mei als Silhouetten vor einem roten Hintergrund [Anm.: Die beiden -relativ kurzen- Sequenzen, in denen die BRIDE als Silhouette bzw. dann die BRIDE & PAI MEI als Silhouetten vor einem roten Hintergrund trainieren, gehören zu den Höhepunkten der „White Lotus Temple“-Szenen, wobei auch hier ähnliche Sequenzen aus alten Shaw Brothers-Kung Fu-Filmen Pate gestanden haben].
Am Ende dieser „Trainingssequenzen“-Reihe zeigt sich Pai Mei (ohne, dass die „Braut“, die gerade wieder mit dem Versuch beschäftigt ist, die Holzplatte zu durchschlagen, dies sieht) das erste Mal stolz auf seine Schülerin [„We do a Shaw Brothers ZOOM into a CU[Close-up] on Pai Mei, he gives an affirmative NOD and GRUNT[bestätigendes Nicken & Brummen]; Skript].
„INT. DINNER TABLE […]“ [QT-Skript] – Pai Mei & „Die Braut“ sitzen an einem Tisch. Während der Kung Fu-Meister seinen Reis isst, hat seine Schülerin durch die vom Training geschundene & verletzte Hand so ihre Schwierigkeiten, den Reis mit Stäbchen zu essen [Skript: „She tries to eat a bowl of rice with chopsticks, but her fingers won’t work“], was dazu führt, dass sie eben versucht, mit den Fingern ein wenig Reis zu sich zu nehmen.
Pai Mei drückt sein Missfallen aus und meint: „Wenn du wie ein Hund essen willst, musst du leben wie ein Hund“. Dann befördert er die Schale mit Reis auf den Boden und ergänzt: „Willst du wie ein Mensch leben, dann nimm diese Stäbchen“.
„THE BRIDE“ versucht es schließlich, trotz Anstrengung & Schmerz, noch einmal und: isst ihren Reis schließlich mit Stäbchen! Der Meister ist abermals stolz auf sie.
„BACK TO COFFIN, SIX FEET UNDER“ [QT-Skript] – „Die Braut“ in ihrem Sarg im Grab von Paula Schultz [Skript: „[…] The Flashlight Beam turns on. CU[Close-up] The BRIDE in Profile“]. Der Anflug von Panik ist vorbei [„Her breathing is normal. […] Her composure[Fassung, Beherrschung] is back“; Skript] und sie scheint zu überlegen, was sie tun kann.
Ihre „Red Cowboy Boots“ [Skript] bieten offenbar die Lösung und es gelingt ihr, diese mühsam im Sarg auszuziehen und sogar in die Hände zu bekommen [zugehörige Skript-Passagen: „Raising her knees, as much as the coffin will allow, and wiggling her feet, she slips her bare feet out of the boots and the belt’s binding...Then, using her bare feet, then her bound-at-the-wrist hands, to pass one of the boots up to her“; Anm.: QT bezeichnet den angesprochenen „Gürtel“, mit dem seine Heldin an den Füßen gefesselt wurde, im Drehbuch kurz zuvor als „leather belt“]. Sie dreht einen Stiefel um und aus dem Cowboy-Boot heraus fällt ein: „STRAIGHT RAZOR“ [Skript].
Mit dem Rasiermesser schneidet sie sich ihre noch verbliebenen Fesseln beim Handgelenk durch [THE BRIDE – quasi zu dem Strick: „Komm schon, du Miststück!“]. Anschließend beginnt sie, den Sarg „abzuklopfen“, und sagt dann: „OK, Pai Mei. Ich werde kommen“ [im Original: „Here I come“].
„[…] she begins to concentrate. Her eyes focus on the wood above her, her [right] hand reaches out, touches the pine, passing her energy to it“ [QT-Skript] – „Die Braut“ ballt ihre rechte Hand zu einer Faust und beginnt, auf den Sargdeckel zu schlagen [„[…] that FIST begins STRIKING the coffin lid above her. With each Strike she lets out a KARATE SCREAM“; Skript]. Nach und nach bekommt der Sargdeckel Sprünge und Erde dringt in den Sarg ein, bis der Sargdeckel durch die Faustschläge zerstört ist und der Sarg selbst mit Erde überfüllt wird [„More dirt […] Even more dirt […] THE LID SMASHES and dirt pours into the coffin like water“; Skript].
„EXT. PAULA SCHULTZ’S GRAVE – NIGHT“ [Skript]: Wie in einem Zombie-Film schießt die Hand der „Braut“ aus der Erde und sie steigt sozusagen aus dem Grab wieder empor [QT-Skript-Passagen: „A SHOT straight out of an Italian horror film. We see the tombstone of `PAULA SCHULTZ`, and the mound[Haufen] of dirt over her grave. WHEN…The Bride’s Hand breaks the surface...then like one of Fulci’s Zombies, Claws, Digs, and Pulls herself from mother earth’s womb[Schoß]“; Anm.: Tarantino nennt hier quasi den italienischen Kult-Regisseur Lucio Fulci als Vorbild für die „atmosphärische Ausrichtung“ der Szene – Fulci inszenierte bedeutende Gore- & Horror-Filme wie Ein Zombie hing am Glockenseil (1980) oder Das Haus an der Friedhofsmauer (1981)].
Wieder an der Oberfläche, bleibt die „Braut“, die natürlich von der Erde völlig verschmutzt ist, erschöpft liegen und „tankt“ gleichsam Frisch-Luft – „SHE looks like a beautiful sculpture, made out of dirt“ [Skript].
Ortswechsel: Ein texanisches Diner in der Nähe des Friedhofs. Ein junger Angestellter [im Ur-Skript von Tarantino noch als „SODA JERK“ bezeichnet, also, wenn man’s sinngemäß übersetzt, als „Tresendödel“ - was aber in den USA auch als Bezeichnung für jemanden verwendet wird, der einen „soda fountain“ bedient, um „soda drinks“ zu bereiten], der allein in dem Diner ist und in der „Nachtschicht“ auf Gäste wartet, erblickt etwas durch das „big picture window“ [Skript], was ihn gleichsam dazu bringt zweimal hinzusehen, denn: „Die Braut“ spaziert auf das Diner zu und sieht dabei aus wie eine „six-foot tall female version of the Peanuts character `PIG PEN´“ [Skript; Anm.: Wie „PIG PEN“, der ständig verschmutzte Junge bei den Peanuts, ist die „Braut“ quasi umgeben von einer „Wolke“ aus Staub & Schmutz].
„The dirty blonde“ [Skript] betritt schließlich das Diner, setzt sich vor dem Angestellten auf einen Stuhl beim Tresen und sagt: „Ich hätte gern ein Glas Wasser, bitte“.
(ENDE von TEIL 1.4 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 16.07.2020)