Ausschnitt aus dem Buch "EIN QUANTUM BOND" (2020; NEUAUFLAGE): Kapitel "James Bond 007: Ein Quantum Trost"

 

James Bond 007: Ein Quantum Trost (2008)

 (Originaltitel: Quantum of Solace; Regie: Marc Forster)

 

 

 250 „trivial or severely violent acts“

 

(Laut einer 2012 veröffentlichten Studie der University of Otago in Neuseeland ist Marc Forster’s Ein Quantum Trost quasi ganz offiziell „the most violent film in the franchise“, also der gewalttätigste aller Bond-Filme, denn darin wurden eben an die 250 „gewalttätige Akte leichter oder schwerer Natur“ gezählt, was auch angesichts der kurzen Laufzeit des Films von nur 102 Minuten recht bemerkenswert ist; zum Vergleich: Beim Bond-Debüt Dr. No, das eine mit Ein Quantum Trost vergleichbare Laufzeit hat, führt die Universitäts-Studie nur 109trivial or severely violent acts“ an)

 

 

 

 Yeah, a door left open

 A woman walking by

 A drop in the water

 A look in the eye

 A phone on the table

 A man on your side

 Someone that you think

 That you can trust is just

 Another way to die

 

 (aus dem Titelsong Another Way to Die zu Marc Forster’s Bond-Film Ein Quantum Trost, gesungen von Alicia Keys und Jack White; der Song, der von White Stripes-Mastermind Jack White alleine geschrieben und auch produziert wurde, stellt das erste Duett der Bond-Geschichte dar; der Komponist David Arnold wiederum, der seit Der Morgen stirbt nie mit an Bord war, war bei Ein Quantum Trost für die restliche Musik verantwortlich, was Arnold‘s fünfte und bisher letzte Beteiligung an einem Bond-Film markierte; White‘s Song bewegt sich, wie schon Chris Cornell’s You Know My Name aus Casino Royale, weg von den souligen Titel-Songs vergangener Jahre und ist eher dem Alternative Rock zuzuordnen, zu dessen populärsten Exponenten White’s 2011 offiziell aufgelöste Band The White Stripes, dank Alben wie White Blood Cells und Elephant, erschienen 2001 und 2003, gehörte; der Song wurde von White und Keys, nachdem geklärt war, dass andere Titelsong-Kandidatinnen wie Amy Winehouse und Leona Lewis endgültig aus dem Rennen waren, letztendlich in Nashville, Tennessee, aufgenommen – White saß bei den Aufnahmen im Studio auch hinter den Drums, Keys natürlich am Piano; das zu dem Song produzierte Musik-Video, das am Ende auch eine Aufnahme von einem in einer „wüstenartig steinigen Umgebung“ stehenden Daniel Craig zeigt, gekleidet in einem Tom Ford-Anzug und in der Hand seine aus Casino Royale bekannte HK UMP mit Schalldämpfer, im Übrigen eine Aufnahme, die außerhalb des Musik-Videos nur im offiziellen Kino-Teaser von Ein Quantum Trost Verwendung gefunden hat, wurde 2009 bei den Grammy Awards in der Kategorie Best Short Form Music Video nominiert; der Song wurde oft dafür kritisiert, dass er als Bond-Titelsong völlig ungeeignet wäre, er ist in Wahrheit aber der mit Abstand beste Bond-Titelsong der Daniel Craig-Ära und auch besser als sämtliche Titelsongs der Brosnan-Ära, jedoch nicht unbedingt besser als die beiden ebenfalls „moderner ausgerichteten“ 80er-Jahre-Bond-Titelsongs The Living Daylights von a-ha und A View To A Kill von Duran Duran, die 1987 in Der Hauch des Todes beziehungsweise 1985 in Im Angesicht des Todes zu hören waren; während Another Way to Die im englischsprachigen Raum kein nennenswerter Chart-Erfolg war, erreichte der Song tatsächlich den Platz zwei der österreichischen sowie der portugiesischen Musik-Charts und sogar den Platz eins der finnischen)

 

 

 M

 Nur ein eiskalter Hund würde den Tod eines geliebten Menschen nicht rächen wollen.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; „M“ Judi Dench zu „James Bond“ Daniel Craig, dem sie bescheinigt, dass es ihm bei seinem aggressiven Feldzug gegen die mysteriöse Organisation hinter „Mr. White“ Jesper Christensen vor allem um Rache für den Tod von Vesper Lynd geht; in der Originalfassung sagt Dench: „Well, it’d be a pretty cold bastard who didn’t want revenge for the death of someone he loved.“)

 

 

 CAMILLE MONTES

 Ein Freund von Ihnen?

 

 JAMES BOND

 Ich hab keine Freunde.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; ein in einem Auto, mit dem sich die beiden durch Haiti’s Hauptstadt Port au Prince bewegen, stattfindender Dialog zwischen „Camille“ Olga Kurylenko und Craig, der es dabei irgendwie Sean Connery nachtut, welcher schon 1963 in Liebesgrüße aus Moskau zu „Tatjana Romanova“ Daniela Bianchi gemeint hat: „Und meine [Freunde] nennen mich James Bond.“)

 

 

  MR. WHITE

 Tja, „Toska“ ist nicht für jedermann.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; „Mr. White“ Jesper Christensen während der von 007 gleichsam „gecrashten“ Konferenz der Quantum-Organisation inmitten einer Vorstellung der Puccini-Oper Toska in „Bregenz, Austria“, wie es im Film heißt; Mr. White spricht die Worte angesichts der Tatsache aus, dass plötzlich fast alle Quantum-Mitglieder, einschließlich Haupt-Bösewicht Dominic Greene, aufgestanden sind und die Zuschauerränge verlassen haben)

 

 

 JAMES BOND

 Wir hatten einen gemeinsamen Freund!

 

 (aus: Ein Quantum Trost; Worte von „James Bond“ Daniel Craig, kurz bevor er durch eine Autoscheibe hindurch Carlos, den von Fernando Guillén Cuervo gespielten Chef der bolivianischen Polizei, erschießt, der letztendlich für den Tod von „René Mathis“ Giancarlo Giannini verantwortlich ist, den Bond also doch noch als einen „Freund“ bezeichnet; in der Originalfassung sagt Craig: „You and I had a mutual friend!“)

 

 

 CAMILLE MONTES

 Glaubst du, dass sie jetzt ihre Ruhe finden?

 

 JAMES BOND

Ich denke, den Toten ist Rache gleichgültig.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; abschließender Dialog zwischen Olga Kurylenko und Daniel Craig, bevor sie sich dann voneinander verabschieden)

 

 

 JAMES BOND

 Dann haben die richtigen Leute ihren Job behalten.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; Bond’s Reaktion auf M’s Nachricht am Ende des Films, dass sein CIA-Kollege Felix Leiter, gespielt von Jeffrey Wright, nach den Vorkommnissen in Bolivien befördert worden ist)

 

 

In Quantum of Solace, so der englische Originaltitel des 22. Bond-Films der Eon Productions Ltd. (Anmerkung: Der geniale Titel, und nur der Titel allein, wurde sozusagen von Ian Fleming’s 1959 erschienener Kurzgeschichte übernommen; der gängige deutsche Titel derselben lautet Ein Minimum an Trost), der fast unmittelbar an das großartige Ende von Casino Royale anschließt, kann man sich am allerbesten davon überzeugen, dass Daniel Craig’s James Bond 007 eine „rücksichtslose Killermaschine“ ist, aber eine, der man mitunter oder zumindest die meiste Zeit über ganz gerne bei der Arbeit zusieht.

Auch wenn Marc Forster’s Film, den ich selbst einmal, wegen der ganz „Bond-Film-untypischen“ Laufzeit von nur 102 Minuten (davor galten Dr. No mit 105 Minuten Laufzeit und Goldfinger mit 106 Minuten Laufzeit als die kürzesten Filme der Serie), in einem 2018 verfassten Internet-Artikel mit dem Titel „Daniel Craig in Spectre - Wie ein Flugdrachen in einem Hurricane oder: Warum Craig’s vierter Bond-Film in Wahrheit sein bester ist...“ als „Kurzfilm-Bond“ oder „Bond-Quickie“ bezeichnet habe, ab und an eher wie eine „Fußnote“ zu dem epischen Casino Royale wirkt, so endet das absolut nichts an der Unterhaltsamkeit des Werks, in dem es im Prinzip darum geht, dass Bond „Ein Quantum Trost“ für die Vorkommnisse rund um Vesper Lynd in Casino Royale erhält.

 

 

Die Handlung von Ein Quantum Trost:

James Bond liefert sich am italienischen Garda See eine Autoverfolgungsjagd mit den Männern von Mr. White, den er aus dessen Villa am Comer See entführt hat [Anmerkung: Bei der am Ende von Casino Royale als Mr. White’s Wohnsitz gezeigten Villa handelte es sich tatsächlich um die „Villa Gaeta“ am Comer See]. Nachdem er sämtliche Verfolger abgeschüttelt hat, bringt er den bekanntlich von ihm selbst angeschossenen Mr. White, der sich im Kofferraum seines Wagens befindet, zu seiner Chefin „M“ nach Siena, wo diese Mr. White nach der mysteriösen Organisation befragt, zu der er anscheinend gehört und die später als „Quantum“ bezeichnet wird [Anmerkung: Der Titel Quantum of Solace/Ein Quantum Trost hat somit eine eigentümliche Doppelbedeutung, da "Quantum" eben auch der Name der Verbrecher-Organisation ist, der Bond  im Film hinterherjagt]. M’s Bodyguard, Craig Mitchell, entpuppt sich als Doppelagent, der es Mr. White schließlich ermöglicht zu fliehen, da er einige andere MI6-Männer vor M’s Augen erschießt. „M“ selbst wird von Mitchell nur knapp verfehlt. Bond verfolgt Mitchell durch die Straßen von Siena und tötet ihn letztendlich. Zurück in London durchsuchen Bond und „M“ Mitchell’s Wohnung und finden heraus, dass dieser wohl einen Kontaktmann namens Edmund Slate hatte, der inzwischen nach Haiti gereist ist. 007 tötet Slate in dessen Hotelzimmer in Haiti’s Hauptstadt Port aus Prince und findet heraus, dass Slate ein Auftragskiller ist, der Camille Montes töten soll, und zwar anscheinend auf Geheiß ihres Liebhabers Dominic Greene hin, eines Unternehmers, der sich offiziell für den Umweltschutz stark macht. Bond observiert Camille Montes in der Folge während eines Treffens mit Greene und findet heraus, dass Greene offenbar dem sich im Exil befindlichen bolivianischen General Medrano hilft, der einst auch Camille’s Familie umgebracht hat. Medrano soll, nachdem die dortige Regierung destabilisiert wurde, dank Greene’s und somit Quantum’s Hilfe Präsident seines Landes werden, und das, wie es scheint, nur im Austausch für ein Stück nutzlose bolivianische Wüste.

Nachdem Bond Camille vor Medrano und dessen Handlangern gerettet hat, folgt 007 Greene zu einer Aufführung von Giacomo Puccini’s Oper „Toska“ nach Bregenz in Österreich. Währenddessen handeln Gregory Beam, der Leiter der Südamerika-Sektion des CIA, und ein skeptischer Felix Leiter mit Greene einen Deal aus, der den Amerikanern leichten Zugang zu bolivianischem Öl gewährt, das dort vermeintlich vorhanden ist - als Gegenleistung dafür sollen sich die CIA und somit die USA nicht in den von Greene mit Medrano geplanten Umsturz in Bolivien einmischen. Bond crasht die Konferenz von „Quantum“, die während der Opern-Aufführung stattfindet, indem er sich gleichsam in den Funkverkehr zwischen den in der Zuschauermenge verteilten führenden Organisations-Mitgliedern einmengt und diese mit seinem Handy beim fluchtartigen Verlassen der Vorstellung fotografiert. In der Folge entsteht eine Schießerei und ein Bodyguard des Quantum-Mitglieds Guy Haines, ein Berater des britischen Premierministers, wird von Bond von einem Dach geworfen, woraufhin Greene den Bodyguard von einem seiner Männer erschießen lässt, da der Mann auf der Motorhaube einer von Greene verwendeten Limousine gelandet ist und möglicherweise sein Gesicht gesehen hat. „M“ nimmt daraufhin an, dass Bond den Bodyguard getötet hat und ordert ihn zurück nach London. Da Bond dies aber ablehnt, lässt „M“ seine Kreditkarten sperren sowie Bond’s Pässe gleichsam für ungültig erklären. Bond reist nach Italien und sucht dort seinen alten Mitstreiter René Mathis auf, dem der MI6, nachdem er sich im Zusammenhang mit der Le Chiffre-Sache als unschuldig erwiesen hatte, als Entschädigung eine Villa geschenkt hat. Bond überzeugt Mathis, mit ihm nach Bolivien zu kommen, wofür Bond eben gültige Reisedokumente und Geld braucht. In Bolivien werden die beiden von Fields empfangen, einer Konsulats-Angestellten in Diensten des MI6, die Bond dazu bringen soll, umgehend nach London zurückzukehren. Bond verführt Fields schließlich und gemeinsam mit Fields und Mathis, der über seine bolivianischen Kontakte Einladungen besorgt hat, besucht 007 am Abend eine Umweltschutz-Spenden-Gala von Greene. Dort rettet er Camille das zweite Mal vor Greene. Nachdem Bond und Camille die Gala verlassen haben, wird ihr Auto von bolivianischen Polizisten angehalten, die offensichtlich in Diensten von Medrano stehen. Es stellt sich heraus, dass im Kofferraum von Bond’s Wagen, der auf Anweisung der Polizisten hin geöffnet werden muss, ein verletzter Mathis liegt. In dem daraufhin entstehenden Kampf zwischen Bond und den Polizisten werden nicht nur die beiden korrupten Polizisten getötet, sondern auch Mathis, der gleichsam in Bond’s Armen stirbt.

Am nächsten Tag wollen sich Bond und Camille das von Quantum erworbene Land, um das es der Organisation schließlich geht, aus der Luft ansehen, aber ihr Flugzeug, an dessen Steuer Bond selbst sitzt, wird dabei von einem bolivianischen Jet attackiert und abgeschossen. Die beiden springen mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug und landen weitgehend unbeschadet in einer „Sinkhöhle“ [Anmerkung: Eine Art „Einsturztrichter im Karst“], in der sie entdecken, dass es Quantum in Wahrheit nicht um Öl geht, sondern, dass die Organisation offenbar frisches bolivianisches Trinkwasser zurückhält und hortet, wohl um ein Monopol darauf zu erhalten [Anmerkung: Dieser „Wasser-Aspekt“ in Ein Quantum Trost soll, laut Aussage von Produzent Michael G. Wilson, eine Art Hommage an Roman Polanski’s Thriller Chinatown sein; Michael G. Wilson in dem Artikel The Secrets of Quantum of Solace, erschienen 2008 auf der Website IGN: „If you remember in „Chinatown“, if you control the water you control the whole development of the country“].

Zurück in La Paz trifft Bond auf „M“, die ihm die tote Fields präsentiert, deren Leiche vollständig mit Öl bedeckt ist und in seinem Hotelzimmer liegt. „M“ lässt Bond in Gewahrsam nehmen, letztendlich um ihn davor zu schützen, dass ihn die CIA, deren Interessen er mittlerweile im Weg steht, eliminiert. Bond kann aber M’s Leuten entkommen und trifft sich in der Folge dann mit Felix Leiter, der ihm erzählt, dass Greene und Medrano sich in einem Hotel in der Atacama-Wüste [Anmerkung: Als Kulisse diente den Filmemachern das sogenannte „ESO-Hotel“ am Cerro Paranal in Chile] treffen werden, um ihren Deal abzuschließen. Von Leiter gewarnt kann 007 auch der Einheit von SAD-Leuten [Anmerkung: SAD steht für Special Activities Division und ist eine Bezeichnung für eine CIA-Einheit, die für verdeckte Operationen eingesetzt wird] entkommen, die plötzlich auftaucht und Bond töten will.

In einem Eco-Hotel in der Wüste [Anmerkung: Ein „Eco-Hotel“, oder auch „Green Hotel“, ist eine Art „umweltfreundlich betriebenes Hotel“] offenbart Dominic Greene General Medrano dann, dass er und Quantum jetzt die Wasserversorgung Boliviens kontrollieren und Medrano einen Vertragszusatz akzeptieren muss, in dem „Greene Planet“, so der Name von Greene’s Scheinfirma, als alleiniger Wasserversorger des Landes installiert wird, und das zu höheren Preisen wie bisher. Bond und Camille dringen währenddessen in den Hotelkomplex ein. Bond tötet zunächst Carlos, den korrupten Chef der Polizei, der auch Mathis verraten hat, und liefert sich anschließend ein Duell mit diversen Securities, in dessen Verlauf das Hotel Feuer fängt. Bond macht Greene in dem Komplex ausfindig und die beiden duellieren sich inmitten des brennenden Hotels, während es Camille gelingt, an General Medrano endlich Rache für den Tod ihrer Eltern zu üben. Nachdem Bond, durch das Zerschießen einer Brennstoffzelle, für sich und Camille einen Weg nach draußen gefunden hat, schnappt sich 007 den am Fuß verletzten Greene und befragt diesen zu Quantum, bevor er ihn dann in der Wüste zurücklässt, nur mit einer Dose Motoröl und der Frage an Greene, wie lange dieser es wohl aushalten wird, bis er durstig genug ist, um daraus zu trinken.

Bond reist, nachdem er und Camille sich voneinander verabschiedet haben, nach Kazan in Russland, wo er Vesper Lynd’s früheren Liebhaber, Yusef Kabira, aufspürt, ein Quantum-Mitglied, das sozusagen darauf spezialisiert ist, Frauen mit guten Verbindungen zu verführen, welches Bond aber auch indirekt für Vesper’s Tod mitverantwortlich macht. Bond offenbart Kabira’s neuester Eroberung, der kanadischen Agentin Corrine Veneau, die Wahrheit über Kabira und dessen wahre Intentionen. Dann erlaubt er dem MI6, Kabira zu verhaften. Außerhalb des Gebäudes, in dem Bond mit Kabira seine Unterredung hatte, wartet „M“, die Bond mitteilt, dass man Dominic Greene tot in der Wüste aufgefunden hat, mit zwei Kopfschüssen und Motoröl in seinem Magen. „M“ meint zu 007, dass sie ihn beim MI6 zurückhaben will. Dieser antwortet, dass er eigentlich nie weg war. Beim Weggehen wirft Bond noch Vesper’s Anhänger in den Schnee.

 

Bevor sich Paul Haggis seiner großartigen Regiearbeit Nur 72 Stunden - The Next Three Days (2010; ein Remake des französischen Films Pour elle von Fred Cavayé aus 2008) mit Russel Crowe, Elisabeth Banks und Liam Neeson gewidmet hat, hat er von den Bond-Produzenten Michael G. Wilson und Barbara Broccoli, wie schon bei Casino Royale zuvor, im Zusammenhang mit Ein Quantum Trost den Auftrag erhalten, das von Neal Purvis und Robert Wade verfasste Ur-Skript zu dem Film als eine Art „Skript-Doktor“ zu überarbeiten. Haggis hat das Ein Quantum Trost-Skript angeblich nur wenige Stunden bevor in Hollywood dann der große „Writer’s Strike“ losgegangen ist fertiggestellt – der Autoren-Streik, in dem es im Prinzip darum ging, dass die Autoren verdientermaßen ein größeres Stück vom „Gewinn-Kuchen“ der Film-Studios haben wollten, sollte schließlich vom November 2007 bis Februar 2008 dauern und dieser ist mitunter daran schuld, dass einige beliebte TV-Serien von damals, so wie Dr. House (2004-2012; Originaltitel: House, M.D.) oder Desperate Housewives (2004-2012), sich im Jahr 2008 mit „Mini-Staffeln“, bestehend aus auffällig wenigen Folgen, begnügen mussten.

Ein Quantum Trost ist sicherlich, wie schon der Timothy Dalton-Bond Lizenz zum Töten von 1989, eine Art Rache-Film geworden, in dem Daniel Craig’s James Bond-Figur wiederum, und darauf hat vor allem Paul Haggis angeblich wertgelegt, als ein „menschlicher“ und durchaus „mit Makel behafteter“ Auftragskiller rüberkommt, der versucht, seinen „Überzeugungen von Gut und Böse“ irgendwie treu zu bleiben. Allerdings muss man festhalten, dass das mit „menschlicher Auftragskiller“, was im Zusammenhang mit einem James Bond-Film vielleicht ohnehin schon wie eine übertriebene Ambition klingt, in Ein Quantum Trost nicht unbedingt immer so rüberkommt, denn Regisseur Marc Forster hat Craig in einigen Szenen tatsächlich so agieren lassen, als würde sich da ein „Terminator“ seinen Weg zum Ziel bahnen. Vor allem in den Sequenzen, in denen Craig auf einem Motorrad durch Haiti’s Hauptstadt Port au Prince fährt und dabei Camille Montes und dann Dominic Greene beschattet, wirkt der Schauspieler nicht viel anders als der Motorrad fahrende Arnold Schwarzenegger in James Cameron’s Meisterwerk und Science Fiction-Meilenstein Terminator 2 - Tag der Abrechnung (1991; Originaltitel: Terminator 2: Judgment Day).

Dass Craig’s 007 auch in Ein Quantum Trost der „primitive Berserker“ ist, mit dem einige Exponenten der Filmkritik im Zusammenhang mit Forster’s Film durchaus so ihre Schwierigkeiten hatten und der auch „M“ Judi Dench darin zu den Worten „Und Bond. Wenn Sie nicht gleich jeden Verdächtigen umbringen, wäre ich Ihnen zutiefst verbunden“ animiert, davon kann man sich am besten in der Szene überzeugen, in der Bond in einem Hotelzimmer in Haiti den Auftragskiller Edmund Slate (gespielt von Neil Jackson) in einem kurzen, aber absolut brutal geführten Kampf tötet, der Slate als eine mit Blut überströmte Leiche zurücklässt, die man so in einem James Bond-Film auch noch nicht gesehen hat – „Shocking! Positively shocking!“, so wie Sean Connery in der Vortitel-Sequenz von Goldfinger sagt, damals bekanntlich noch übersetzt mit „Widerlich! Einfach widerlich!“.

Die 2008 in Bezug auf Ein Quantum Trost von einigen aufgeworfene Frage, wie weit man eine legendäre Filmfigur noch weiter „entmystifizieren“ darf (die britische Sunday Times ließ sich diesbezüglich auf keinerlei Diskussion ein und stellte gleich fest: „Bond has been stripped of his iconic status“), scheint sicherlich zum Teil berechtigt, vor allem, weil man auch weiß, dass radikale Umdeutungen von Figuren oder von positiven Identifikationsfiguren schlecht sein können. Ein „abschreckendes“ Beispiel in diesem Kontext bleibt der Film Unbreakable - Unzerbrechlich von The Sixth Sense-Regisseur M. Night Shyamalan, in dem den ganzen Film über die Zuschauersympathien der von Samuel L. Jackson gespielten Figur des an der Glasknochen-Krankheit leidenden „Elijah Price“ gelten, bis sich dieser am Ende als Terrorist entpuppt, der Anschläge verübt hat, um einen „unzerstörbaren Menschen“ zu finden, der in der Person von „David Dunn“ Bruce Willis schließlich aufgetaucht ist (Anmerkung: Das „irritierende“ Ende von Unbreakable - Unzerbrechlich ist aber wahrscheinlich vor allem M. Night Shyamalan’s nach The Sixth Sense verständlicherweise entstandenem Zwang zu verdanken, seinen Filmen möglichst „originelle“ oder „überraschende“ Enden zu verpassen).

Eine weitere Szene, die der Zuseher in Ein Quantum Trost als etwas „shocking“ empfinden könnte oder zumindest als leicht „verstörend“, ist jene, in der Bond den toten René Mathis plötzlich in La Paz in Bolivien in einem Müllcontainer aus Metall am Straßenrand ablegt. Einen Müllcontainer als letzte Ruhestätte für James Bond‘s „Freund“ Mathis zu wählen mag der atemlosen und brutalen Effizienz von Craig’s 007-Figur geschuldet sein, aber dennoch hat die ganze Szene etwas „bemüht Radikales“ an sich, dessen Sinn sich einem nicht so recht erschließen mag. Vielleicht ist die gesamte Szene aber nur Ausdruck der Tatsache, dass, wie es das Online-Magazin Telepolis in einer Kritik zu Forster’s Film einmal so ähnlich bemerkt hat, Craig’s Bond einfach für nichts mehr Zeit hat.

Ein Highlight hingegen ist die davor, also unmittelbar vor Mathis’ Tod, stattfindende Dialogsequenz zwischen Craig und dem sterbenden Giancarlo Giannini, den man in Casino Royale fälschlicherweise noch jenes Verrats an Bond bezichtigt hat, den bekanntlich Vesper Lynd getätigt hat, wenngleich, wie sich in Ein Quantum Trost noch einmal zusätzlich herauskristallisiert, auch, um Bond’s Leben in letzter Konsequenz zu retten. Mathis, der von einigen Kugeln getroffen wurde, bringt den Antrieb, den Craig’s 007 im Film hat, nämlich die Tatsache, dass er schwer unter seiner durch seine Liebe zu Lynd hervorgerufenen Fehleinschätzung der ganzen Le Chiffre-Vesper Lynd-Mr. White-Geschichte leidet, auf den Punkt:

 

 MATHIS

 Vergeben wir einander?

 

 JAMES BOND

 Ich hätte Sie nicht allein lassen dürfen.

 

 MATHIS

 Vespa. Sie hat alles für Sie gegeben. Vergeben Sie ihr! Vergeben Sie sich selbst!

 

 (aus: Ein Quantum Trost)

 

 

Dass Ein Quantum Trost, der bis heute der Bond-Film mit Daniel Craig ist, der am wenigsten eingespielt hat, nämlich, bei Produktionskosten von stattlichen 230 Millionen US-Dollar, weltweit etwa 586 Millionen US-Dollar (zum Vergleich: Casino Royale reüssierte mit rund 600 Millionen US-Dollar, Skyfall gar mit 1,1 Milliarden US-Dollar und Spectre mit ungefähr 880 Millionen US-Dollar), stets ein Haufen Kritik über sich ergehen lassen musste, und das auch abseits der angesprochenen „James Bond-Entmystifizierungs-Thematik“, liegt vor allem auch daran, dass der deutsch-schweizerische Regisseur Marc Forster, im Übrigen der erste Bond-Regisseur, der nicht aus einem Commonwealth-Land kommt, eben ein paar inszenatorische Entscheidungen getroffen hat, die den Film, der mittlerweile zum engeren Kreis meiner persönlichen Bond-Film-Favoriten zählt, vielleicht ein wenig „schwierig zu konsumieren“ gemacht hat.

Forster liebt es sicherlich, „Filme mit einem gewissen Anspruch“ zu drehen, eine Tendenz, die manchmal zu Meisterwerken führt, wie eben bei Monster’s Ball (2001; Hauptdarstellerinnen-Oscar, als erste Afroamerikanerin überhaupt, für Halle Berry; Heath Ledger in einer Nebenrolle, in der er aber eine der besten Leistungen seiner leider nur kurzen Karriere abgeliefert hat), oder zu akzeptablen Filmen, wie den 2007 erschienenen Afghanistan-Film Drachenläufer (Originaltitel: Kite Runner; literarische Vorlage: Khaled Hosseini).

In Ein Quantum Trost jedenfalls hat sich Forster, der laut eigenen Angaben nie ein Bond-Fan gewesen ist, sehr wohl aber, wie einige seiner Filme zeigen, ein Fan von „emotional unterdrückten Protagonisten“, fast für einen dokumentarischen Stil entschieden, der auch Locations wie Haiti oder Bolivien (Anmerkung: In Wirklichkeit musste Panama-Stadt als „Bolivien“ und dessen Hauptstadt „La Paz“ herhalten) manchmal so einfängt, als wäre man plötzlich in einer BBC-Doku gelandet, die den Anspruch hat, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel „Lokalkolorit“ zu präsentieren.

Aber das wäre vielleicht nicht das Problem gewesen, sondern viel eher der hektisch-elaborierte Schnitt, den manche auch als „hochenergetisch“ oder „konfus“ bezeichnet haben und der einen teilweise tatsächlich fast schwindlig macht und das Auge überfordert. Forster hat den teils großartigen Actionszenen seines Films, so gehört die Autoverfolgungsjagd ganz zu Beginn zweifellos zu den besten Autoverfolgungsjagden der gesamten Bond-Geschichte, offenbar nicht genug vertraut und dieses Misstrauen durch einige „Schnitt-Spielereien“ überkompensiert. Bezogen auf diese Tatsache meinte auch wiederum das Online-Magazin Telepolis sinngemäß, dass Forster’s Inszenierungsstil eher ein Fall von „Narzissmus“ wäre als von „Genie“. Und für Pete Travers vom Rolling Stone-Magazin stellte Ein Quantum Trost 2012 in seinem Bond-Film-Poll überhaupt ein „Fiasko“ dar, dessen Kennzeichen vor allem ein „zusammenhangloser Schnitt“ sei. Dem Regisseur Marc Forster selbst attestierte Travers, „keinen Sinn für die Darstellung von Action“ zu haben. Es mag also nicht verwundern, dass Travers Ein Quantum Trost damals auf die 24. und letzte Stelle seiner Bond-Film-Wertung beförderte, die wie gewöhnlich von den „üblichen Verdächtigen“ angeführt wurde, nämlich von Goldfinger (Platz 1), Liebesgrüße aus Moskau (Platz 2) und Im Geheimdienst Ihrer Majestät (Platz 3). Craig’s Bond-Debüt fand aber selbst bei Travers großen Anklang und Casino Royale landete auf Platz 4 von „James Bond’s Best and Worst: Peter Travers Ranks All 24 Movies“.

 

 

 

 DOMINIC GREENE

 Ihr gebt allerdings ein schönes Paar ab! Ihr seid beide, wie sagt man, „beschädigte Ware“!

 

 (aus: Ein Quantum Trost; Bösewicht „Dominic Greene“ Mathieu Amalric bringt den Gemütszustand der beiden „Rache-Engel“ Bond und Camille irgendwie auf den Punkt)

 

 

 JAMES BOND

 We are teachers on sabbatical and we have just won the lottery.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; ein von „James Bond“ Daniel Craig eigentlich auf Spanisch gesprochener und deshalb im Film englisch untertitelter Satz, den dieser dem Hotel-Rezeptionisten eines bolivianischen Luxushotels sagt, in dem er ein Zimmer beziehen möchte, da ihm das heruntergekommene Hotel, das ihm die junge Konsulats-Angestellte „Fields“, gespielt von Gemma Arterton, zuvor unterjubeln wollte, so gar nicht gefallen hat)

 

 

 M

 Was würde sie zu Ihrer Theorie sagen, dass es kein Öl gibt? Ihre Lungen sind voll davon.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; „M“ Judi Dench konfrontiert Bond mit den Auswirkungen seines Vorgehens gegen Greene und zeigt ihm die auf seinem Hotelzimmerbett liegende Leiche von „Fields“ Gemma Arterton, die vollständig mit Öl bedeckt ist)

 

 

Die gebürtige Ukrainerin Olga Kurylenko, die in Ein Quantum Trost das Haupt-Bond-Girl Camille Montes spielt, wurde aus 400 Bewerberinnen für die Rolle ausgewählt, und das angeblich deshalb, weil sie, wie Regisseur Marc Forster gemeint hat, „the least nervous“, also „die am wenigsten nervöseste“, der Bewerberinnen war. Ein Problem für Kurylenko, die zum Beispiel 2013 auch neben Tom Cruise in dem Science Fiction-Film Oblivion (Regie: Joseph Kosinski) zu sehen war sowie 2018 in der britischen Spionage-Komödie Johnny English – Man lebt nur dreimal (Originaltitel: Johnny English Strikes Again; Regie: David Kerr), stellten allerdings die diversen Stunts dar, die sie im Film notwendigerweise zu absolvieren hatte. Doch mit Craig’s Hilfe, der ohnehin meinte, dass der Vorgänger-Film Casino Royale, was den körperlichen Aufwand betraf, im Vergleich zu Ein Quantum Trost, „ein Spaziergang im Park“ gewesen wäre, konnte Kurylenko letztendlich ihre diesbezüglichen Ängste überwinden und kommt im Film eigentlich recht überzeugend in den Action-Szenen rüber. Die Figur der Camille Montes ist, als Bond-Girl, weniger Bond’s „love interest“, sondern vielmehr so etwas wie ein „strong female counterpart“, ein „starkes weibliches Gegenstück“, in dem Bond quasi die perfekte Partnerin für seinen Rachefeldzug gefunden hat, da das Motiv ihres Handelns eben das gleiche ist wie das von Bond: Rache.

Der Kampf der Titanen-Star Gemma Arterton spielt das Neben-Bond-Girl Fields, eine Angestellte im britischen Konsulat, die Bond dazu bringen soll, Bolivien schleunigst wieder zu verlassen und nach London zurückzukehren, die letztendlich aber dessen Verführungskünsten erliegt. Arterton’s Figur wird im Film nur „Fields“ genannt, heißt aber vollständig „Strawberry Fields“ (also: „Erdbeerfelder“), was natürlich eine Anspielung auf den legendären Beatles-Song Strawberry Fields Forever vom Album Magical Mystery Tour (1967) ist und gleichzeitig einen weiteren sexuell konnotierten Bond-Girl-Namen darstellt. Als Vorbilder für ihre Rolle der Strawberry Fields hat Gemma Arterton die beiden 60’s-Bond-Girl-Ikonen Honor Blackman und Diana Rigg genannt, wenngleich die Bond-Girls „Pussy Galore“ und „Tracy di Vicenzo“ mit der zunächst eher naiv daherkommenden „Strawberry Fields“ recht wenig gemeinsam haben. Die rote Perücke, die Arterton trägt, soll aber, laut Aussage der Schauspielerin, eine Hommage an Diana Rigg in Im Geheimdienst Ihrer Majestät sein.

Eine mehr als nur eindeutige Hommage an Goldfinger hingegen ist die Szene, in der Bond von „M“ mit Fields‘ vollständig mit Öl bedeckter Leiche konfrontiert wird, die noch dazu in seinem Hotelzimmerbett liegt. Die Absicht, hier auf eine der ikonischsten aller Bond-Film-Szenen anzuspielen, nämlich auf den Moment in Goldfinger, als „James Bond“ Sean Connery die gänzlich mit Goldfarbe bedeckte Leiche von „Jill Masterson“ Shirley Eaton entdeckt, gehört zu den heimlichen Höhepunkten von Ein Quantum Trost. Ein weiterer Bond-Klassiker wird übrigens auch in der Szene zitiert, in der Craig in Bregenz im Umfeld der Toska-Vorstellung den Leibwächter des Quantum-Mitglieds Guy Haines (gespielt von Paul Ritter), ein Berater des britischen Premierministers, von einem Dach befördert. Auf ganz ähnliche Weise wie Craig entledigt sich nämlich Roger Moore 1977 in Der Spion, der mich liebte des Kontrahenten „Sandor“ (gespielt von Milton Reid), und zwar auf einem Gebäude in Kairo.

Den Reigen der weiblichen Co-Stars von Craig rundet in Ein Quantum Trost natürlich Judi Dench ab, die wiederum 007’s Chefin „M“ spielt. Die Beziehung zwischen Bond und „M“ intensiviert sich im Laufe des Films noch einmal und findet schließlich dann in Sam Mendes‘ Skyfall ihren Höhepunkt, wobei „M“, laut Regisseur Marc Forster, natürlich stets die einzige Frau bleibt, die von Bond nicht in einem „sexual context“ betrachtet wird.

 

 

 

GREGORY BEAM

 Sie haben recht, wir sollten nur mit netten Leuten arbeiten.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; sarkastische Bemerkung von Gregory „Gregg“ Beam, dem Leiter der Südamerika-Sektion des CIA, gespielt von David Harbour, zu dem Dominic Greene-skeptischen „Felix Leiter“ Jeffrey Wright am Bregenzer Flughafen, als sie dort Mathieu Amalric zur Toska-Vorstellung verabschieden)

 

 

 MR. WHITE

 Nun, das Erste, was Sie über uns wissen sollten, ist, wir haben unsere Leute überall. Hab ich recht?

 

 (aus: Ein Quantum Trost; „Mr. White“ Jesper Christensen zu „M“ Judi Dench während des Verhörs zu Filmbeginn im italienischen Siena, bevor M’s Leibwächter Craig Mitchell, gespielt von Glenn Foster, dann tatsächlich beginnt um sich zu schießen und beinahe auch „M“ tötet, was nur der ebenfalls anwesende Bond verhindern kann)

 

 

 M

 Sagt jemand "Wir haben Leute überall" geht man von einer rhetorischen Floskel aus. Viele sagen sowas. Floristen sagen sowas täglich. Was aber nicht heißt, dass man gleich im selben Raum mit einem steht.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; „M“ drückt in Craig Mitchell’s Wohnung noch einmal gegenüber 007 ihre Verwunderung darüber aus, dass ihr persönlicher Leibwächter offenbar tatsächlich in den Diensten von Quantum gestanden hat; in der Originalfassung sagt Dench: „Florists use that expression.“)

 

 

 DOMINIC GREENE

 Aber etwas sollten Sie über mich und die Leute, mit denen ich arbeite, noch wissen. Wir machen Geschäfte mit den Linken, den Rechten, mit Diktatoren und Befreiern. Wäre der amtierende Präsident kooperativer gewesen, würde ich gar nicht mit Ihnen reden. Also, wenn Sie nicht unterzeichnen, wachen Sie eines Morgens mit Ihren Eiern im Mund auf, während Ihre glücklichen Nachfolger sich über Sie beugen.

 

 (aus: Ein Quantum Trost; Haupt-Bösewicht „Dominic Greene“ Mathieu Amalric macht Neben-Bösewicht „General Medrano“ Joaquin Cosio bei der „Vertragsunterzeichnung zur Übernahme des Landes“ in der Atacama-Wüste klar, dass mit ihm und der Quantum-Organisation nicht zu spaßen ist, sollte er sich doch dafür entscheiden, nicht auf den „Wasser-Deal“ einzugehen, der Quantum gleichsam zum alleinigen Wasserversorger Boliviens macht)

 

 

Zunächst war tatsächlich die Schweizer Schauspiel-Legende Bruno Ganz (Filmographie-Highlights: 1987: Der Himmel über Berlin von Wim Wenders; 2004: Der Untergang von Oliver Hirschbiegel) im Gespräch gewesen, die Rolle des Haupt-Bösewichts in Ein Quantum Trost, Dominic Greene, zu spielen. Doch letztendlich erhielt Mathieu Amalric die Rolle, ein französischer Schauspieler, der international bereits in Steven Spielberg’s München (2005; Originaltitel: Munich) auf sich aufmerksam gemacht hatte, einer Aufarbeitung des Rachefeldzugs des israelischen Geheimdienstes Mossad gegen palästinensische Terroristen, die 1972 bei der Sommer-Olympiade in München ein Massaker an israelischen Sportlern verübt hatten, das elf Todesopfer forderte. Für Amalric und Craig war Ein Quantum Trost allerdings nicht die erste Zusammenarbeit, denn Craig war bereits in München einer der Co-Stars des Franzosen und verkörperte den Mossad-Agenten „Steve“.

Amalric selbst hat im Zusammenhang mit der Figur des Dominic Greene gemeint, dass er diesen als eine Mischung aus den Politikern Tony Blair und Nicolas Sarkozy angelegt hat. Von Blair soll sich Amalric das Lächeln abgeschaut haben und von Sarkozy die „Verrücktheit“, denn Sarkozy, so Amalric, soll als französischer Staatspräsident agiert haben, als wäre er in einem Bond-Film (Amalric: „[…] walks around thinking he’s in a Bond film“).

Dominic Greene gilt, im Vergleich zu seinem „Vorgänger“ Le Chiffre in Casino Royale, bei vielen Fans und Kritikern als „schwacher Bond-Bösewicht“, doch Amalric’s Dominic Greene ist, im Vergleich zu Kunstfiguren und Superschurken wie Ernst Stavro Blofeld, eine durchaus realistische Figur, eine Art „angriffslustiger Terrier“, den es in verschiedenen Schattierungen bekanntlich durchaus auch in der Realität gibt.

Eine großartige und nicht weniger schlüssige Figur als Greene gibt auch der Bond-Neben-Bösewicht General Medrano ab, der von Joaquin Cosio gespielt wird. Cosio, der 2012 den mexikanischen Drogenbaron „El Azul“ in Oliver Stone’s unterschätztem Thriller Savages gespielt hat und 2019 auch im fünften Teil von Sylvester Stallone’s Rambo-Reihe (Arbeitstitel: Rambo V: Last Blood) zu sehen sein wird, mimt den „entmachteten Exil-General“, der zurück an die Spitze Boliviens möchte, mit eindrucksvoll-unangenehmer körperlicher Präsens und mit der Hilfe von Blicken, die einen Medrano’s Grausamkeit und Vergewaltigungs-Trieb nachhaltig spüren lassen.

 

 

Wie schon Casino Royale ist auch Ein Quantum Trost ein Film, in dem „007“ Daniel Craig nicht unbedingt inflationär mit Gadgets ausgestattet wird, ganz im Gegenteil, außer mit seinem Sony Ericsson C902 Cybershot in Titanium-Silber, das, wie man sich bei der Toska-Aufführung in Bregenz überzeugen kann, über eine wahrlich potente Kamera verfügt, hantiert Craig eigentlich nur noch mit seiner Walther PPK, dem James Bond-Handfeuerwaffen-Klassiker schlechthin, dem die Filmemacher in Ein Quantum Trost zu einem Comeback verholfen haben, denn in Casino Royale feuerte Bond bekanntlich noch aus einer „moderneren“ Walther P99.

 

Marc Forster’s tendenziell unterbewerter Ein Quantum Trost (Welt-Premiere: 29. Oktober 2008 im "Odeon Leicester Square" in London) ist gewiss ein etwas atemloser und manchmal auffällig brutaler Bond-Film, der aber 007 auch nicht zu einem „normalen Action-Helden“ degradiert und diesen in der „Action-Massenware“ untergehen lässt, nein, Quantum of Solace, so der Originaltitel, gehört eigentlich zu den sehr guten Filmen der Serie und markiert ein weiteres Highlight des Serien-Neustarts mit einem Hauptdarsteller Daniel Craig, der die James Bond-007-Figur eben nicht als "The Last of the Famous International Playboys" (eigentlich Titel eines 1992 veröffentlichten Songs des britischen Sängers und Ex-The Smiths-Frontmanns Morrissey) spielt. Und deswegen könnte auch der Umstand, dass in Ein Quantum Trost vor Beginn des Abspanns zum ersten Mal in der Daniel Craig-Ära die berühmte Pistolenlauf-Sequenz in ihrer klassischsten Form vorkommt, letztendlich nicht passender sein, denn Ur-Bond-Erfinder Ian Fleming hätte mit Craig’s „Ruthless Killing Machine“ gewiss seine helle Freude gehabt.

 

(NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassung: 10.02.2019)