Ausschnitt aus dem Buch "EIN QUANTUM BOND" (2020; NEUAUFLAGE): Kapitel "James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau"

 

James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau (1963)

 (Originaltitel: From Russia with Love; Regie: Terence Young)

 

 

 From Russia with love I fly to you

Much wiser since my goodbye to you

I’ve travelled the world to learn

I must return

 From Russia with love

 

 (aus dem Song From Russia with Love, gesungen von Matt Monro, komponiert von Lionel Bart, orchestriert von John Barry, der im zweiten Bond-Film bereits alleine für die Musik verantwortlich war; der Song kommt allerdings in der gesungenen Version erst am Ende von Liebesgrüße aus Moskau vor)

 

 

  JAMES BOND

 Sie sind Tatjana Romanova.

 

TATJANA ROMANOVA

 Meine Freunde nennen mich Tanja.

 

JAMES BOND

Und meine nennen mich James Bond.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau; Dialog innerhalb der Kennenlern-Szene, in der „Tatjana Romanova“ Daniela Bianchi „James Bond“ Sean Connery in dessen Hotelzimmer erwartet; der anschließende Liebesakt wird von „Rosa Klebb“ Lotte Lenya und einem Komplizen von hinter einem präparierten Spiegel aus mitgefilmt)

 

 

 ALI KERIM BEY

 Wissen Sie, ohne Sie wird es für mich in Istanbul langweilig sein, James.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau)

 

 

 TATJANA ROMANOVA

 Eine furchtbare Frau.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau; finales Urteil von Tatjana Romanova über Rosa Klebb)

 

 

Für viele, übrigens auch, denn das ist durch diverse Interviews dokumentiert, für die beiden Bond-Darsteller Sean Connery und Daniel Craig, zählt Liebesgrüße aus Moskau, der auf Ian Fleming‘s 1957 erschienenem Roman (vorheriger Roman: Diamantenfieber/nachfolgender Roman: James Bond jagt Dr. No) basiert, zu den absoluten Highlights der Bond-Serie.

So landete Terence Young’s zweiter Bond-Regie-Streich in einem 2012 vom Rolling Stone-Magazin veröffentlichten Vergleich der bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen 24 Bond-Filme auf Platz zwei. Auch das bereits im James Bond – 007 jagt Dr. No-Kapitel erwähnte 007 Magazine sah den Film im selben Jahr, also wiederum 2012, ganz vorne in der Bond-Film-Hierarchie: Liebesgrüße aus Moskau erhielt sozusagen die Bronzemedaille und wurde dort als drittbester Bond eingestuft, nach Im Geheimdienst Ihrer Majestät und nach Goldfinger. Lediglich Entertainment Weekly erwies sich als eher kritisch gegenüber dem ansonsten stets geschätzten zweiten Connery-Bond und stufte diesen lediglich als neuntbesten Film der Serie ein und bekrittelte dessen „langsames Tempo“.

 

 

Die Handlung von Liebesgrüße aus Moskau:

Kronsteen, ein virtuoser Schachmeister, der aber gleichzeitig Chef-Stratege der Verbrecherorganisation PHANTOM [in der englischen Originalfassung: S.P.E.C.T.R.E.] ist, schlägt Ernst Stavro Blofeld, der „Nr. 1“ der Organisation, vor, den Tod des PHANTOM-Mitglieds Dr. No zu rächen. Parallel soll der Sowjetunion eine Dechiffriermaschine mit der Bezeichnung „Lector“ gestohlen werden, mit dem Ziel, sich diese dann wieder von den Sowjets abkaufen zu lassen.

Tatjana Romanova, eine eher arglose Dechiffrier-Spezialistin des sowjetischen Konsulats in Istanbul, wird von Rosa Klebb, einer ehemaligen sowjetischen Geheimdienst-Chefin, die sich mittlerweile aber auch in den Diensten von PHANTOM befindet, für eine „Spezialmission“ engagiert. Teil dieser Mission ist es, mit 007 eine Affäre zu beginnen. Der britische Geheimdienst erhält in der Folge die Nachricht, dass sich eine Sowjetagentin in Bond verliebt hätte und ihm die Dechiffriermaschine verschaffen möchte. 007 reist, nachdem ihn „Q“ mit einem Aktenkoffer voller Gadgets ausgestattet hat, nach Istanbul, um sich die Dechiffriermaschine zu beschaffen sowie der abenteuerlichen Geschichte um Romanova, mit der er schließlich eine Affäre beginnt, auf den Grund zu gehen.

Mit Hilfe Tatjanas sowie des MI6-Vertrauten Ali Kerim Bey gelingt es Bond dann auch, die „Lector“ aus der russischen Botschaft zu stehlen. Bond flieht mit Tatjana und in Begleitung Kerim Beys im Simplon-Orient-Express durch Jugoslawien. Mit an Bord sind allerdings auch ein russischer Agent sowie der PHANTOM-Agent Donald „Red“ Grant, der schon in Istanbul so etwas wie Bond’s Schatten war. Kerim Bey und der russische Agent werden von Bond schließlich tot in einem Zugabteil aufgefunden. Die beiden wurden von „Red“ Grant ermordet, der wenig später auch Bond in eine Falle lockt. Grant offenbart ihm den geheimen Plan, der hinter der ganzen Aktion gesteckt hat. Schließlich kann sich 007 aber mit Hilfe seines Aktenkoffers voller Gadgets aus der gefährlichen Situation befreien und tötet Grant in einer Schlägerei im Zugabteil. Weitere PHANTOM-Agenten verfolgen die beiden dann mittels Hubschrauber und Booten auf ihrer weiteren Flucht, die schließlich, unbeschadet, in Venedig ein Ende findet.

PHANTOM-Chef Blofeld zitiert daraufhin Kronsteen und Klebb zu sich, wobei die beiden sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern der ganzen Operation zuschieben. Blofeld jedoch hat längst Kronsteen als Schuldigen auserkoren und lässt ihn vor seinen und Klebb’s Augen töten. Diese erhält von Blofeld noch eine weitere Chance, Bond zu eliminieren, und attackiert diesen schlussendlich in einem Hotelzimmer in Venedig mit einer vergifteten Klinge, die aus ihrer Schuhspitze fährt, also mit demselben Mord-Instrument, mit dem Blofeld schon Kronsteen hat töten lassen. Tatjana Romanova jedoch, die mittlerweile tatsächlich in Bond verliebt ist, verweigert Klebb die eingeforderte Hilfe und erschießt Klebb und rettet somit Bond.

 

 

Auch heute noch besticht Liebesgrüße aus Moskau mit seiner unvergleichlichen Kalter Krieg-Atmosphäre. Die Bond-Figur selbst wurde schließlich seinerzeit von Ian Fleming vor allem als „Waffe des Kalten Krieges“ konzipiert und macht als solche auch am allermeisten Sinn. Aber generell könnte man sagen, dass Connery’s zweiter 007-Auftritt in einem Film stattfindet, der bis heute der atmosphärischste aller James Bond-Filme geblieben ist.

Der Zuseher wird in Liebesgrüße aus Moskau aber zunächst auch Zeuge davon, wie eine Film-Serie sozusagen zu sich selbst findet und zentrale Aspekte zu kultivieren beginnt.

So haben die Macher gleich zu Beginn für eine gewisse Kontinuität gesorgt, indem sie eben die im vorherigen Kapitel angesprochene Figur der Sylvia Trench (Eunice Gayson), Bond’s „love interest“ aus James Bond – 007 jagt Dr. No, wieder haben auftauchen lassen. Und abermals, wie schon im ersten Film, können die beiden, Bond und Trench, sich irgendwie nicht in Ruhe miteinander vergnügen, weil der MI6 007 über dessen Autotelefon kontaktiert. Bond muss also sein Liebesgeplänkel mit Trench, das in einem kleinen Holzboot an einem See stattfindet, unterbrechen. Am anderen Ende der Leitung meldet sich Moneypenny und in dem amüsanten Dialog, der in der Folge entsteht, spielt Bond unter anderem auch darauf an, dass er und Trench sich sozusagen schon länger kennen:

 

 

 MONEYPENNY

(durch ihr Telefon im Büro)

 Der Boss hat schon den ganzen Morgen nach Ihnen gefragt? Wo stecken Sie denn, James?

 

 

 JAMES BOND

(durch ein Autotelefon)

 Oh. Ich hab mir einen alten Fall wieder vorgenommen.

 

 

 SYLVIA TRENCH

(taucht plötzlich hinter Bond auf)

 Meinst du mich mit dem alten Fall?

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau)

 

 

Nur wenig später, sozusagen nach dem üblichen „Liebesgeplänkel“ zwischen Bond und einem „Neben-Bond-Girl“, wie es Sylvia Trench eines ist, folgt das kultige Vorzimmergeplänkel mit Moneypenny, das zu den unverzichtbaren „Pflichtübungen“ jedes Bond-Films gehört und dessen Absenz man den beiden Daniel Craig-Bonds Casino Royale und Ein Quantum Trost (2008; Originaltitel: Quantum of Solace; Regie: Marc Forster) gerade noch einmal, im Sinne des damals proklamierten „Neustarts“ der Bond-Serie, nachgesehen hat.

Nachdem Bond das Büro von „M“ verlassen hat und nach Istanbul aufbrechen will, kommt es noch zu einem wunderbaren Dialog zwischen 007 und Moneypenny, der zu den besten „Flirty Texts“ der beiden zählt, die die mittlerweile 25 Filme umfassende Serie (Anmerkung: Diese Zählung beinhaltet auch Sag niemals nie von 1983, der nicht von Broccoli's Eon Productions Ltd. produziert worden ist und somit genau genommen nicht zur offiziellen Bond-Serie gehört) zu bieten hat. Hier ein Auszug daraus:

 

 

 MONEYPENNY

 Was soll ich bloß machen, damit Sie mich einmal mitnehmen? Sie sind so schwer zu verführen.

 

 JAMES BOND

 Wenn ich könnte, Money, würde ich Sie bis ans Ende der Welt mitnehmen.

 

 MONEYPENNY

 So? Dahin fahren Sie aber nicht.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau)

 

 

In M’s Büro hat Bond aber nicht nur, wie gewohnt, seinen Auftrag erhalten, sondern, aus den Händen von „Q“ Desmond Llewelyn, der hier noch lediglich als „Waffenmeister“ („equipment officer“) bezeichnet wird, auch das erste wirkliche Gadget der Bond-Film-Geschichte, nämlich den berühmten Aktenkoffer, mit dem Bond schließlich viel später im Film auch den von Robert Shaw so eindringlich dargebotenen Bösewicht Donald „Red“ Grant zur Strecke bringt. In dem Aktenkoffer, aus dem, wenn er falsch geöffnet wird, Gas dringt, befinden sich, in diversen Geheimfächern, aber nicht nur ein Messer und sogenannte „Sovereigns“, also englische Goldmünzen, sondern auch das zerlegbare Scharfschützengewehr (mit fiktivem Kaliber .25) plus Zielfernrohr mit „Infrarotstrahlen“ (etwas, was damals im Übrigen noch nicht machbar war). In Wahrheit handelte es sich bei dem im Film präsentierten Gewehr um das AR-7 Survival Rifle, das später dann auch die Filmfigur „Tilly Masterson“ in Goldfinger verwendet.

Ein wahrlich legendäres Gadget, aber eines der „Gegenseite“, bietet uns auch die von der gebürtigen Wienerin Lotte Lenya herrlich böse gespielte Bond-Gegenspielerin Rosa Klebb mit der vergifteten Klinge, die aus ihrer Schuhspitze fährt und mit der sie am Ende von Liebesgrüße aus Moskau Bond attackiert. Lenya, die lange Zeit mit dem Komponisten Kurt Weill verheiratet war und mit diesem in den 1930er-Jahren schließlich in die USA auswanderte, spielt Klebb als gefühlskaltes Monster, als eine Art „sadistische Lesbe“, deren kriminelle Energien ihre Gesinnungstreue (zum Kommunismus) weit übersteigen. Und das ist wohl auch der Grund, warum sie in den Diensten Blofelds und dessen Organisation PHANTOM (im Original bekanntlich: S.P.E.C.T.R.E.) gelandet ist.

Die Figur der Rosa Klebb, die in Fleming’s literarischer Vorlage eigentlich ursprünglich der fiktiven "Soviet counterintelligence agency" SMERSH (ein Akronym für Spetsialnye MEtody Razoblacheniya SHpionov, was im Englischen so viel heißt wie „Special Methods of Spy Detection“; in Wahrheit meinte Fleming natürlich schon, irgendwie, den KGB damit) angehört, ist, vor allem dank Lotte Lenya’s unvergesslicher Darstellungsweise, immer wieder beliebtes Referenzobjekt diverser Bond-Persiflagen gewesen, so zum Beispiel auch in Mike Myers‘ Austin Powers – Das Schärfste, was Ihre Majestät zu bieten hat (1997; Originaltitel: Austin Powers: International Man of Mystery; Regie: Jay Roach), wo die Rolle der „Frau Farbissina“ (auch: „Frau Verbissenheit“) eindeutig an Lenya’s ikonische Bond-Bösewichtin Rosa Klebb angelehnt ist. Eine Bond-Persiflage, die auch im Titel auf die Bond-Serie und speziell eben auf Liebesgrüße aus Moskau anspielt, ist der äußerst amüsante Hong Kong-Film Liebesgrüße aus Peking (Regie: Stephen Chow & Lik Chi Lee), im Original: From Beijing with Love, aus 1994, in dem Kung Fu Hustle-Star Stephen Chow die Hauptrolle des Agenten „Ling Ling Cat“ (ein chinesisches Homophon mit 007) spielt.

Ein oftmals in anderen Agenten-Filmen verwendetes beziehungsweise auch extrem oft persifliertes Element aus Liebesgrüße aus Moskau ist der „verabredete Dialog“, der als Erkennungszeichen fungiert. Der von Bond und einem Chauffeur (Neville Jason), der ein Sohn von Kerim Bey ist und Bond auch zu diesem bringen soll, am Flughafen von Istanbul durchexerzierte „verabredete Dialog“ taucht in der Folge dann immer wieder im Film auf. An dieser Stelle sei die „Erstversion“ am Istanbuler Flughafen wiedergegeben:

 

 

 JAMES BOND

(nimmt ein Zigaretten-Etui aus seiner Sakko-Tasche)

 Darf ich um ein Streichholz bitten?

 

 CHAUFFEUR

Ich benutze immer ein Feuerzeug.

 

 JAMES BOND

Das ist noch besser.

 

CHAUFFEUR

Bis es kaputt geht.

 

 JAMES BOND

In Ordnung.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau)

 

 

Ernst Stavro Blofeld, das diabolische Mastermind hinter PHANTOM/S.P.E.C.T.R.E., bleibt in Liebesgrüße aus Moskau, wie auch später in Feuerball, „gesichtslos“, denn man sieht lediglich stets nur Teile seines Körpers oder eben die obligatorische weiße Perserkatze. Diese „Gesichtslosigkeit“ Blofelds, der tatsächlich, obwohl als „Darsteller“ im Abspann jeweils ein „?“ angegeben ist, in beiden Filmen von Anthony Dawson gespielt wird, dem "Professor Dent" aus James Bond – 007 jagt Dr. No, ist eine inszenatorische Entscheidung, die sowohl Liebesgrüße aus Moskaus als auch Feuerball äußerst guttut, weil der Superschurke Blofeld, wie so ziemlich jeder Superschurke, eine etwas problematisch darzustellende Figur ist. Auf das Blofeld-Problem der Bond-Serie werde ich später, vor allem dann im Kapitel über Spectre (2015; Regie: Sam Mendes), noch einmal genauer eingehen. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass Dawson im Original Blofeld aber nicht seine Stimme leiht, sondern das tut, und das wiederum in Liebesgrüße aus Moskau und Feuerball, der österreichisch-britische Theater- sowie Film- und Fernsehdarsteller Eric Pohlmann (ursprünglich: Erich Pohlmann).

 

 

ALI KERIM BEY

 Zweimal hat Krilencu versucht, mich umzubringen. Beim dritten Mal wird es ihm gelingen. Wenn ich ihn nicht vorher erwische. Und heute Nacht werd ich ihn erwischen.

 

 JAMES BOND

Sie vergessen, dass Sie verwundet sind. Überlassen Sie das lieber mir.

 

 ALI KERIM BEY

 Nein. Ich stehe schon zu tief in Ihrer Schuld.

 

 JAMES BOND

 Wir sind Freunde. Wie können Sie da in meiner Schuld stehen?

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau)

 

 

Ali Kerim Bey, Bond’s Verbindungsmann und Chef der „Station T“ des British Secret Service in Istanbul, gespielt von dem mexikanischen Schauspieler Pedro Armendariz, der wenige Monate vor der Premiere von Liebesgrüße aus Moskau, die am 10. Oktober 1963 in London stattfand, verstarb, ist eine der besten und glaubwürdigsten Nebenfiguren der gesamten Bond-Serie. Man nimmt Armendariz die Rolle eines Mannes, der in der Hierarchie der Geheimdienste, in seinem lokalen Bereich, ganz nach oben geklettert ist, unbedingt ab. Sein „Ali Kerim Bey“ ist so etwas wie das „heimliche Herzstück“ von Liebesgrüße aus Moskau und der Schauspieler hat sich damit ein kleines Denkmal gesetzt, dessen Wirkung er selbst leider nicht mehr erleben konnte.

Großartig inszeniert und wunderbar atmosphärisch gefilmt, Ted Moore’s Kamera-Arbeit, die schon in James Bond – 007 jagt Dr. No zumindest auffällig war, wird in Liebesgrüße aus Moskau das erste Mal so richtig spektakulär (Ted Moore sollte letztendlich insgesamt sieben Bond-Filme ins rechte Bild rücken), ist auch jene Szene im Film, der der obige Dialogausschnitt vorangeht, nämlich diejenige, in der sich Ali Kerim Bey an dem bulgarischen Killer Krilencu rächt, der zwei Anschläge auf sein Leben verübt hat. Der erste Anschlag fand durch eine „Haft-Mine“ in Kerim Bey’s Büro statt, der zweite durch einen spektakulären Überfall auf ein Zigeunerlager, in dem er sich gemeinsam mit Bond befunden hat und der einer der großen Höhepunkte des Films ist. Jedenfalls findet auch Bond’s Scharfschützengewehr mit Infrarot aus dem Koffer von „Q“ bei der Tötung Krilencus eine Verwendung, bei der Bond dann letztendlich doch nicht selbst schießt, sondern nur seine Schulter als Abstützhilfe zur Verfügung stellt, weil Kerim Bey meint, er müsse Krilencu unbedingt selbst töten. Der Dreh- und Angelpunkt, das wirklich Besondere, der Szene ist aber die Tatsache, dass Kerim Bey Krilencu erschießt, während dieser mitten in der Nacht, aufgescheucht vom Leuten zweier Söhne von Kerim Bey an seiner Eingangstür, gleichsam aus dem sich plötzlich öffnenden Mund von Anita Ekberg klettert, deren abstrahiertes Antlitz sich auf einem riesigen Filmplakat zu der von Albert R. Broccoli(!) produzierten Bob Hope-Farce Call Me Bwana (1963; deutscher Titel: Bob auf Safari; Regie: Gordon Douglas) befindet. Ein wirklich denkwürdiger Moment der Bond-Geschichte, der durch den Filmplakat-Aspekt und den „Albert R. Broccoli-Bezug“ auf mehreren Ebenen vergnüglich ist.

 

 

 

 JAMES BOND

 Sagen Sie mal. Aus welchem Irrenhaus sind Sie eigentlich entsprungen?

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau; "James Bond" Sean Connery zu "Donald Red Grant" Robert Shaw kurz vor dem "Zugabteil-Fight")

 

Dass Liebesgrüße aus Moskau durchaus, vor allem auch im Vergleich zu den späteren Roger Moore-Bonds, ein relativ brutaler Bond-Film geworden ist, das liegt nicht nur an Connery, der darin die ganze Zeit über wunderbar „gefährlich“ wirkt, sondern vor allem an der Figur des Donald „Red“ Grant, dem psychopathischen Mörder und PHANTOM-Gefolgsmann mit der Garotte in der Armbanduhr, der eine wahre Blutspur durch Istanbul zieht, weil er, einerseits, den Kalten Krieg heftig anheizen will und, andererseits, als Bond’s Schatten, den Agenten auch zunächst vor tödlichen Attacken aller Art schützen will, damit der Plan mit Romanova und der „Lector“-Dechiffriermaschine funktioniert.

Ist die Vortitel-Sequenz von Liebesgrüße aus Moskau, in der Grant vermeintlich James Bond verfolgt und diesen dann mit seiner Garotte tötet, wobei sich herausstellt, dass es sich dabei nur um eine „PHANTOM-Übung am lebenden Objekt“ gehandelt und der wie Bond aussehende Mann lediglich eine Maske getragen hat, schon irgendwie spektakulär, so ist der absolute Höhepunkt des Films dann der legendäre Mann gegen Mann-Fight im Zugabteil zwischen Bond und „Red“ Grant. Dieser denkwürdige, fantastisch choreographierte und sagenhaft inszenierte Kampf gehört auch zu den absoluten Höhepunkten des Action-Kinos (und nicht nur des Action-Kinos der 60er-Jahre!) und ist ganz generell einer der mitreißendsten Mann-gegen-Mann-Fights der Filmgeschichte!

Überhaupt merkt man in dem Bond-Film erst, dass der britische Schauspieler Robert Shaw (1927-1978), der für seine Nebenrolle als König Heinrich VIII. in Fred Zinnemann’s Ein Mann zu jeder Jahreszeit (1966; Originaltitel: A Man for All Seasons) für den Nebenrollen-Oscar nominiert wurde, ein erstaunliches Leinwand-Charisma besessen hat, das, Rollen-bedingt, in so erfolgreichen 70er-Jahre-Filmen wie dem Robert Redford-Paul Newman-Megahit Der Clou (1973; Originaltitel: The Sting; Regie: George Roy Hill) oder Steven Spielberg’s Der weiße Hai (1975; Originaltitel: Jaws) vielleicht nicht so intensiv zum Ausdruck gekommen ist wie in der Rolle des Killers Donald „Red“ Grant in Liebesgrüße aus Moskau.

 

Zu Daniela Bianchi, die in einer Szene des Films sogar einmal kurz, was aber durch eine etwas „blickdichtere“ und farbige Glasscheibe hindurch gefilmt und somit „entschärft“ wird, nackt durchs Bild läuft, nämlich in dem Hotelzimmer, in dem sie auf Bond wartet, muss man anmerken, dass sie ihre Sache als „Korporal des Staatssicherheitsdienstes“ und „Bond-Girl“ Tatjana Romanova eigentlich ganz ausgezeichnet macht, wenngleich man auch erwähnen muss, dass die Italienerin Bianchi, wegen ihres Akzents, der den Produzenten dann doch als zu stark erschien, im fertigen Film nachsynchronisiert wurde.

Witzig ist vielleicht auch noch die Tatsache, dass der spätere Bond-Veteran Walter Gotell, der von 1977, von Der Spion, der mich liebte (Originaltitel: The Spy Who Loved Me; Regie: Lewis Gilbert), bis 1987, bis zu Der Hauch des Todes (Originaltitel: The Living Daylights; Regie: John Glen), General Gogol, den Chef des KGB, gespielt hat, bereits in Liebesgrüße aus Moskau in einem Bond-Film auftaucht, nämlich als PHANTOM-Mann Morzeny, der übrigens auch Kronsteen (Vladek Sheybal) mit der Klinge in der Schuhspitze tötet, die wenig später auch „Rosa Klebb“ Lotte Lenya verwendet.

 

 

ALI KERIM BEY

 Wir haben einen schlechten Abend erwischt. Zwei Mädchen wollen sich umbringen, weil sie den gleichen Mann lieben. Der Kampf muss vor allen ausgetragen werden.

 

 (aus: Liebesgrüße aus Moskau; "Ali Kerim Bey" Pedro Armendariz zu "James Bond" Sean Connery im Lager der Zigeuner)

 

Wenn ich zu Beginn des Kapitels gesagt habe, dass man merkt, dass sich in Liebesgrüße aus Moskau eine Film-Serie gleichsam beginnt selbst zu finden, so muss man ebenso feststellen, dass in dem zweiten Bond-Film auch der berüchtigte Chauvinismus-und Machismo-Faktor der Serie, der in den 70er-Jahren dann zum Teil recht haarsträubende Blüten treibt, signifikant hochgefahren wurde. Exemplarisch dafür sind alle Szenen, in denen Ali Kerim Bey mit seiner Freundin (gespielt von Nadja Regin) zu sehen ist, sowie auf jeden Fall auch die Szene im Zigeunerlager (Kerim Bey arbeitet mit den Zigeunern zusammen, so wie die Gegenseite, die Russen, wie es im Film einmal heißt, mit den Bulgaren), in der es zu einem, aus heutiger Sicht wahrlich „erstaunlichen“, Kampf zwischen zwei Zigeunermädchen kommt, die, wie aus dem oben angeführten Ali Kerim Bey-Sager hervorgeht, um einen Mann kämpfen.

Aber wie auch immer: Liebesgrüße aus Moskau erspielte sich, bei 2 Millionen US-Dollar Produktionskosten, 79 Millionen US-Dollar weltweit (inflationsbereinigt wären das heutzutage über 500 Millionen US-Dollar!) sowie einen absoluten Dauerplatz im Herzen aller 007-Fans!

 

Und am Ende, genauer: im Abspann, von Liebesgrüße aus Moskau hieß es dann auch erstmals:

 

 NOT QUITE THE END

JAMES BOND

WILL RETURN IN

THE NEXT

 

IAN FLEMING THRILLER..

 

 „GOLDFINGER“

 

 

 

 

(NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassung: 03.12.2018)