Ausschnitt aus "NO PULP IN THE FICTION" (Buch; 2020): Kapitel "PULP FICTION" (Teil 1.1[von 4])                [EXPLICIT CONTENT]

 

Pulp Fiction (1994)

(ca. 154 Min.; dt. Verleihtitel: Pulp Fiction)

  

 

Any of you fuckin‘ pricks move and I’ll execute every motherfuckin‘ last one of you!

 

(aus: Pulp Fiction; letzter Satz, gesprochen von „Honey Bunny“ Amanda Plummer, bevor das Bild einfriert und schließlich die CREDIT SEQUENCE [also: der Vorspann] von Pulp Fiction erscheint, die mit dem Instrumentalstück „Misirlou“ (1962) [performed by: Dick Dale & His Del-Tones] sowie mit dem Song „Jungle Boogie“ (1973) [performed by: Kool & The Gang] unterlegt ist; in der deutschen Fassung sagt die im Pulp Fiction-Skript als „psychopathic, hair-triggered[leicht reizbar, launisch], loose cannon“ bezeichnete Diebin Honey Bunny Folgendes: „Wenn sich auch nur einer von euch stinkenden Schwänzen rührt, verspreche ich euch: Ich werd` ihm die Eier einzeln abschießen!“)

 

 

 

JULES WINNFIELD

OK, los: Erzähl mir noch mal von den Haschisch-Bars. […] Der Stoff ist da legal, ja?

 

 

VINCENT VEGA

Ja, schon legal, aber nicht hundertprozentig legal. Du kannst unmöglich in ein Restaurant gehen, dir `nen Joint rollen und dann drauf lospaffen. Ich meine, die wollen, dass du zuhause oder nur in bestimmten Plätzen rauchst.

 

(aus: Pulp Fiction; Berufskiller auf dem Weg zur Arbeit I – Dialog zwischen „Jules Winnfield“ Samuel L. Jackson und „Vincent Vega“ John Travolta in einem Auto über Vega’s Zeit in Amsterdam; laut Tarantino-Skript sagt „JULES“ „Okay, so, tell me about the hash bars? […] Hash is legal there, right?“ und „VINCENT“ „Yeah, it’s legal, but it ain’t a hundred percent legal. I mean, you just can’t walk into a restaurant, roll a joint, and start puffin‘ away. I mean, they want you to smoke in your home or certain designated places“)

 

 

 

VINCENT VEGA

Well, Big Mac’s a Big Mac, but they call it Le Big Mac.

 

(aus: Pulp Fiction; Berufskiller auf dem Weg zur Arbeit II – „Vincent Vega“ John Travolta zu „Jules Winnfield“ Samuel L. Jackson, wiederum im Auto; in der deutschen Fassung lautet Travolta’s legendärer „Big Mac“-Sager, der die Antwort auf die „Jules Winnfield“-Frage „Wie nennen die[Franzosen] einen Bic Mac?“ ist: „Big Mac ist ein Big Mac, aber die nennen ihn Le Big Mace.“)

 

 

 

VINCENT VEGA

[…] Ich hab einer Million Ladies eine Million Fußmassagen verpasst und die haben alle was bedeutet. Wir tun zwar so, als wär das nicht der Fall, aber es is‘ so. Das ist ja grade das Geile daran. Du hast eine sinnliche Sache am Kochen, du...du, man redet nicht darüber, aber du weißt es und sie weiß es […].

 

(aus: Pulp Fiction; Berufskiller auf dem Weg zur Arbeit III - „Vincent Vega“ John Travolta zu „Jules Winnfield“ Samuel L. Jackson im Gang eines „apartment building“; die Originalfassung der „foot massages“-Aussage im Tarantino-Skript lautet: „[…] I’ve given a million ladies a million foot massages and they all meant somethin‘. Now, we act like they don’t, but they do. That’s what’s so fuckin´ cool about `em. There’s a sensual thing goin‘ on that nobody‘s talkin‘ about, but you know it and she knows it […].“)

 

  

 

VINCENT VEGA

Also, du gehst jetzt da raus, du wirst sagen: „Gute Nacht, es war ein reizender Abend“. Du spazierst aus der Tür, steigst ins Auto, fährst nach Hause, holst dir einen runter, und das war’s dann.

 

(aus: Pulp Fiction; Berufskiller und die Loyalität zum großen Boss - „Vincent Vega“ John Travolta bei seinem „…it’s a moral test of yourself, wheter or not you can maintain loyalty“-Selbstgespräch im Badezimmer von Marsellus Wallace’s Haus; währenddessen tanzt sein Date „Mia Wallace“, die Ehefrau von Marsellus Wallace, gespielt von Uma Thurman, im Wohnzimmer zu den Klängen des Urge Overkill-Songs „Girl, You’ll Be a Woman Soon“ aus 1992; in der Originalfassung sagt John Travolta: „So you‘re gonna go out there, drink your drink, say `Goodnight, I’ve had a very lovely evening`, go home and jack off. And that’s all you‘re gonna do.“)

 

 

Ich fand immer, dass John Travolta einer der größten Filmstars ist, den Hollywood je hatte“ (Copyright: Quentin Tarantino, in der Charlie Rose-Show 1994) – Nun, ich war immer ein großer Fan von John Travolta und Travolta ist definitiv einer meiner Lieblingsschauspieler, denn: Er war nicht nur großartig als „Tony Manero“, als „Eintänzer der Nation“, in Saturday Night Fever (1977; Regie: John Badham), in dem Travolta’s Tanzszenen eine bis heute unerreicht „meditativ einnehmende“ Wirkung besitzen, sondern auch in dem Musical Grease (1978; Regie: Randal Kleiser; Co-Star: Olivia Newton-John) sowie in dem unterschätzten Drama Urban Cowboy (1980; Regie: James Bridges) und vor allem auch in Brian De Palma’s „neo-noir political thriller“ Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out; 1981), einer Art Hommage an Michelangelo Antonioni’s Meisterwerk Blow Up (Blowup) von 1966, nur eben mit einem explizit politischen Hintergrund.

Ende der 70er-Jahre war Travolta „such a huge star“ in Hollywood, wie das vielleicht zuvor nur bei dem jungen Marlon Brando der Fall gewesen ist. In den 80ern jedoch geriet er bekanntlich, durch eine Reihe von Flops, fast in Vergessenheit und hätte dann wohl weiter ein eher trauriges Dasein in auf Zelluloid gebanntem „crap“ wie den Kuck mal, wer da spricht!-Filmen führen müssen, wenn sich nicht Quentin Tarantino irgendwann an Travolta’s einstige „Coolness“ erinnert und ihm die Rolle des „Vincent Vega“ in Pulp Fiction gegeben hätte.

David Lynch’s Wild at Heart - Die Geschichte von Sailor und Lula (1990; Wild at Heart; literarische Vorlage: Barry Gifford) mag einst der erste große Film der 90er-Jahre gewesen sein, aber Tarantino’s Pulp Fiction, der zumindest ein Meisterwerk ähnlichen Ausmaßes ist wie der Lynch-Film, hat förmlich für ein ganzes Jahrzehnt definiert, was „filmische Coolness“ bedeutet – und ein wichtiger Teil des „Coolnessfaktors“ von Pulp Fiction war eben der „wiederauferstandene“ John Travolta!

 

 

Der Plot von Pulp Fiction:

Im PROLOGUE wird man zunächst Zeuge eines morgendlichen Tischgesprächs in einem „normal Denny’s, Spire’s-like coffee shop in Los Angeles“ [Copyright: Tarantino-Skript; Anmerkung: Als Drehort fungierte letztendlich das „Hawthorne Grill“-Restaurant in Hawthorne, im Südwesten von Los Angeles County – das „Hawthorne Grill“ ist bekannt für seine „Googie architecture“, die quasi ihren Ursprung im Süden von Kalifornien hatte und für die die Beeinflussung durch „car culture“, „jets“ sowie „the Space & Atomic Age“ typisch ist] zwischen dem Gangsterpärchen Pumpkin und Honey Bunny, das irgendwann im Laufe ihres Gesprächs zu dem Entschluss kommt, dass es in Zukunft lieber Restaurants ausrauben will statt Bars, Schnapsläden oder Tankstellen. Das Gespräch endet damit, dass sich die beiden gegenseitig eine Liebeserklärung [im Original: HONEY BUNNY: „I love you, Pumpkin“ / PUMPKIN: „I love you, Honey Bunny“] machen und anschließend tatsächlich das Restaurant überfallen [Anmerkung: Tarantino hat in sein Drehbuch Folgendes über die Art & Weise geschrieben, wie seine beiden Figuren, „Pumpkin & Honey Bunny“, gespielt von Tim Roth & Amanda Plummer, ihren Dialog sprechen sollen: „Their dialogue is to be said in a rapid-pace His Girl Friday fashion“; „His Girl Friday“ – Originaltitel der berühmten Howard Hawks-Screwball-Comedy Sein Mädchen für besondere Fälle von 1940 mit Cary Grant & Rosalind Russell].

Der Prolog-Teil zeigt in der Folge die beiden Berufskiller Vincent Vega und Jules Winnfield bei der Erledigung eines Auftrages: Nachdem die Männer, die in einem alten „1974 Chevy Nova“ herumfahren [Beschreibung der Kleidung von Vincent Vega & Jules Winnfield im Tarantino-Skript: „[…] both wearing cheap black suits with thin black ties […]“], bei einem „Apartment Building“ angekommen sind [laut QT ein „hacienda-style Hollywood apartment building“], betreten die beiden Killer das Apartment 49 und holen sich von drei offensichtlich überforderten jungen Geschäftspartnern [„Marvin, Roger & Brad“ - gespielt von Phil LaMarr, Burr Steers & Frank Whaley] ihres Bosses Marsellus Wallace, die den großen Boss offenbar betrogen haben, einen Koffer [Kombination: 666 – quasi „the number of the beast“, welche verwendet wird, den Teufel, den Antichristen oder das Böse generell zu repräsentieren] zurück, dessen Inhalt im Übrigen den gesamten Film über unbekannt bleibt.

Winnfield erschießt Roger, der auf einer Couch liegt, „demonstrativ beiläufig“ und konfrontiert Brad mit seinem versuchten Betrug an Wallace [WINNFIELD zu BRAD: Du hast versucht, ihn zu ficken. Und Marsellus Wallace lässt sich nun mal nicht gerne ficken, es sei denn von Mrs. Wallace“/Originalfassung laut Skript: „Ya tried to fuck `im and Marsellus Wallace don’t like to be fucked by anybody except Missus Wallace“]. Dann, bevor Winnfield und Vega den schreienden und zitternden Brad erschießen, zitiert Winnfield noch eine Bibelpassage, nämlich „Ezekiel 25:17“ [Anmerkung: Tatsächlich stimmt nur der letzte Teil des „Hesekiel 25, Vers 17“-Zitats mit der Bibelstelle überein; die Version der deutschen Synchro dieses wahrlich legendären & ikonischen „Bibelzitats“ aus Pulp Fiction lautet: „Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Frevelei der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders. Und der Retter der verlorenen Kinder. Und da steht weiter: Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten. Und mit Grimm werd` ich sie strafen, dass sie erfahren sollen, ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe“].

An dieser Stelle wird -sozusagen- die Geschichte von Winnfield und Vega unterbrochen und es, obwohl die „TITLE CARD“ den Abschnitt VINCENT VEGA AND MARSELLUS WALLACE’S WIFE ankündigt, beginnt auch die Geschichte von Butch Coolidge. Der Preisboxer Coolidge [laut Tarantino-Skript: „a white, 26-year-old prizefighter“ – der Butch-Darsteller Bruce Willis war 1993, als der Film gedreht wurde, 38 Jahre alt] unterhält sich im „Sally LeRoy’s“, einem großräumigen Club, der Marsellus Wallace gehört, gerade mit „everybody’s boss“ [QT-Skript]. Nachdem Wallace eine Zeit lang über die ungemein harten Tatsachen des (Preisboxer-)Lebens monologisiert hat [MARSELLUS zu BUTCH: „This business is filled to the brim with unrealistic motherfuckers who thought their ass would age like wine“/dt. Fassung: „In dieser Branche watest du bis zum Knie in einem Sumpf von unrealistischen Wichsern, Traumtänzern, die dachten, ihr Arsch würde reifen wie Wein“ - Tarantino bezüglich Marsellus Wallace in seinem Skript: The black man sounds like a cross between a gangster and a king], übergibt Wallace Coolidge einen Umschlag mit Geld und macht klar, wie sich Coolidge bei seinem nächsten Kampf, den er offenbar absichtlich verlieren soll, zu verhalten hat [MARSELLUS zu BUTCH: „In der fünften geht dein Arsch zu Boden“/laut Skript: „In the fifth, your ass goes down“].

Währenddessen klopfen Winnfield und Vega, mit dem wiederbeschafften Koffer sowie plötzlich gekleidet in Shorts und T-Shirts, an den Eingang des Clubs und werden von Paul, dem Manager des „Sally LeRoy’s“, der außerdem ein enger Mitarbeiter von Wallace ist, hereingebeten [PAUL, gespielt von Paul Calderon, der in Tarantino’s Skript ursprünglich noch als „ENGLISH DAVE“ bezeichnet wurde, dabei zu VINCENT & JULES: „Ja, Vincent Vega, unser Mann in Amsterdam. Jules Winnfield, unser Mann in Inglewood. Na kommt rein, ihr Säcke! Verflucht nochmal, Jungs, was ist mit euren Klamotten los?“; Inglewood: Stadt im Los Angeles County mit überwiegend afro-amerikanischer sowie hispanischer Bevölkerung].

Im Innern des ansonsten leeren Clubs sucht Winnfield -nachdem nochmal die Tatsache erwähnt und besprochen wurde, dass Vega offenbar Mia Wallace, die Frau des Chefs, ausführen soll, da dieser nach Florida muss [VINCENT zuvor zu JULES – als die beiden noch im dem Apartment-Gebäude, vor der Tür 49, gestanden sind: „It ain’t a date! […] It’s just...you know...good company, that’s all“; Text gemäß QT-Skript]- erst mal die Toilette auf, während Vega an der Bar beinahe mit dem nach dem Gespräch mit Marsellus äußerst geladenen Butch aneinandergerät, weil dieser Vega’s Art ihn anzustarren nicht leiden kann [BUTCH zu VINCENT - laut Skript: „Lookin` at somethin‘, friend?“].

Kurz bevor die Lage dann zwischen den beiden zu eskalieren beginnt [VINCENT zu BUTCH: „Ich bin nicht dein Freund, Penner“], wird Vega aber von Wallace zu sich gerufen – Butch blickt Vega hinterher [Anmerkung: Die Art, wie Coolidge Vincent Vega hinterherblickt, wie Coolidge reagiert, ist von Tarantino äußerst exakt und wie folgt in seinem Skript beschrieben worden: „We dolly into CU[Close-Up: Groß- oder Nahaufnahme] on Butch, left alone in the frame, looking like he’s ready to go into the manners-teaching business. […] Butch makes the wise decision that if this asshole’s a friend of Marsellus, he better let it go – for now“].

An der Stelle wird die Butch-Geschichte wieder unterbrochen und es beginnt tatsächlich die Geschichte von „Vincent & Mia“.

 

 

(ENDE von TEIL 1.1 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 18.03.2020)