Ausschnitt aus "NO PULP IN THE FICTION" (Buch; 2020): SCHLUSSKAPITEL: "KILL BILL - Volume 2" (Teil 1.3) [EXPLICIT CONTENT]

 

Nachdem Budd zu Elle Driver den Satz „Ich habe gerade das Cowgirl erwischt, das sich von niemandem erwischen lässt“ gesagt hat und sich Driver’s anfängliche diesbezügliche „leichte Ungläubigkeit“ in „gehässige & hasserfüllte Begeisterung“ umgewandelt hat, bietet ihr Budd das Hanzo-Schwert an, das er nun in seinen Händen hält [BUDD: „Ein kaum gebrauchtes Hattori Hanzo-Superschwert. Eins kann ich dir sagen, Elle. Das Ding ist höllisch scharf“/Skript-Version: „A brand spankin new Hattori Hanzo sword. And I’m here to tell ya Elle, that’s what I call sharp“]. Die beiden handeln für „das tollste Schwert, das je ein Mensch gefertigt hat“ [BUDD] den Preis von einer Million Dollar aus [BUDD’s Antwort auf Elle’s Frage, warum er es eigentlich nicht seinem Bruder Bill verkauft – gemäß Skript: „If I’m gonna drink myself to death,...it won’t be on Bill’s dollar. It’s gonna be on yours“]. Budd & Elle wollen sich am folgenden Tag dann zur Geldübergabe treffen, wobei Elle an ihn bezüglich der „Braut“ auch jene „Forderung“ stellt, die man ebenfalls bereits am Ende von „Volume 1“ zu hören bekommen hat: „Sie muss leiden bis zu ihrem letzten Atemzug“/She must suffer to her last breath“. Budd’s Antwort: „Das, Elle, Süße, kann ich dir auf jeden Fall garantieren“.

CUT TO:“ [Skript] – ein texanischer Friedhof in der Nacht [„We look down on a spooky Texas graveyard...Tombstones...Graves...Dirt...Low-hanging fog. This could be the opening shot of a Texas zombie movie“; QT-Skript]. Während Ernie [gespielt von Clark Middleton, bekannt auch aus TV-Serien wie The Blacklist, in der er „Glen Carter“ spielt, einen von „Raymond Reddington“ James Spader hin und wieder benötigten „tracker“/Spürhund“], ein Bekannter von Budd, damit beschäftigt ist ein Grab auszuheben, schleift Budd die nun wieder erwachte sowie an Armen und Beinen gefesselte „Braut“ von der Ladefläche seines Pickups und platziert sie unsanft auf dem Boden. Die „Bride“ kann sich dadurch ein Bild von dem ganzen Alptraum-Szenario machen, das sie offenbar erwartet [Skript-Passage: „Once in the dirt, The Bride sees an Old Coffin that’s been dup up. Next to it is a brand new pine box coffin[Kiefernholzsarg], straight out of `Fistful of Dollars´. And a freshly dug grave, with a pile of dirt next to it, in front of an old tombstone that reads: ´PAULA SCHULTZ´“; „Fistful of Dollars“: englischer Titel von Sergio Leone‘s Western-Klassiker Für eine Handvoll Dollar von 1964].

Mit der einzigen Waffe, die sie im Moment noch hat, nämlich ihrem Blick, leistet sie gegen die beiden Männer, die nun vor ihr stehen und sie beobachten, Widerstand [ERNIE – im Original: „Whoa, look at those eyes. This bitch is furious“].

Budd & Ernie wollen die Braut nun aufheben und hinübertragen zu dem Kiefernholzsarg [Skript-Beschreibung des Widerstands der „Braut“ gegen den Vorgang & der Konsequenz dieses Widerstands: „She struggles with her bound legs and armsBoth men DROP her to the ground“]. Da die „Braut“ aber zu starke Gegenwehr leistet, bedroht Budd sie mit einer Dose Pfefferspray [im Original: „can of Mace“], die er ihr vor die Augen hält. Er sagt: „[…] Du liegst noch heute Nacht unter der Erde. Und das war’s dann für dich. Ich werde dich beerdigen“.

In der Folge präsentiert er der „Braut“ eine Taschenlampe, welche er ihr, wie er ihr mitteilt, als eine Art „Geschenk“ sogar mit in das Grab geben würde, vorausgesetzt allerdings, sie verhält sich nun ruhig, denn ansonsten, so Budd’s Drohung, würde sie aufgrund einer Ladung Pfefferspray gleichsam „blind“ lebendig begraben werden [BUDD – laut Skript: „Then you’ll be blind […] and buried alive“; Anmerkung: Das „buried alive“-Motiv hat QT auch in dem von ihm inszenierten 2-teiligen CSI: Crime Scene Investigation-Season 5-Finale Grabesstille/OT: Grave Danger aus 2005 verwendet, wo er quasi den Las Vegas-CSI-Mann „Nick Stokes“, gespielt von George Eads, „ins Grab befördert“ hat].

Die „Braut“ gibt Budd ein „zustimmendes Zeichen“ mit den Augen – dann platzieren die beiden Männer sie im Sarg und: „[…] with a hammer and nails the two men seal the coffin shut“ [QT-Skript]. Bevor Budd den Sargdeckel aber gemeinsam mit Ernie durch zahlreiche Nägel fixiert, gibt er der „Braut“ noch folgende Worte mit: „Warum hast du meinem Bruder das Herz gebrochen…“/This is for breaking my brother‘s heart“.

INT. PINE BOX“ [Skript; also im Sinne von „Innen. Kiefernholz-Box“] – Die „BRIDE“ wird nun tatsächlich lebendig begraben [dazugehörige Passagen im QT-Skript, die gleichsam die „Änderung der Lichtverhältnisse“ dokumentieren: „Dark, except for the cracks of light seeping through between the lid[Deckel] and the box. However with each nail pounded in, more lights is cut off...TILL...the only light left, is the crack by The Bride’s head. The last hammered nail obliterates[auslöschen] that light source. The Bride lies in TOTAL DARKNESS“].

Angesichts der „totalen Dunkelheit“ im Sarg, die folglich auch die Leinwand beherrscht, denn Tarantino präsentiert uns tatsächlich für einige Zeit absolute Dunkelheit und eine dementsprechend „unsichtbare BRIDE“, kann man die Abläufe zunächst nur erahnen: Man hört, wie der Sarg im Grab von Paula Schultz mit Erde bedeckt wird [„BAMThe dirt just keeps falling, the bams becoming softer with each new shovelful; Skript], und natürlich auch, wie die „Braut“ auf die horrorartige [und Horror-Film-artige] Situation reagiert [QT-Skript: „The Bride is starting to perspire[schwitzen]...her breathing becoming more rapid and panicked...her heartbeat begins to echo inside the pine box. We’ve never seen her like this before. She’s starting to lose it...She lets out a SCREAM...She SCREAMS again].

Als ihre „Totengräber“ Ernie & Budd, was ebenfalls hörbar ist, mit dem Pickup verschwunden sind, macht die „Braut“ auch die Taschenlampe an - und nach einigen Momenten kündigt eine weitere „TITLE CARD“ das „Chapter Eight The Cruel Tutelage of Pai Mei“ [„Die grausame Lehre des Pai Mei“] an.

Der „Pai Mei“-Abschnitt, der im Grunde eine „lange Rückblende“ ist [QT spricht, um das Ganze zeitlich festzumachen, diesbezüglich im Skript einmal von „the year 1990“], beginnt damit, dass Bill und „Kiddo“ [BILL - der sie hier, „around the campfire“, wieder so nennt] um ein Lagerfeuer sitzen. Bill spielt auf jener Flöte, die man vom „Wedding Chapel Massacre“ kennt, und fängt an, eine „Pai Mei-Geschichte“ zu erzählen [Anmerkung: Ursprünglich hatte QT in seinem Drehbuch hier eine völlig andere Szene vorgesehen, denn Bill hätte die Pai Mei-Geschichte als Voiceover sprechen sollen, welches von „footage from Old Shaw Brothers Martial arts flicks of the 70’s“ (QT-Skript) begleitet wird, und hier speziell von Filmausschnitten, in denen „the old, white-haired, white-eyebrowed Villian `Pai Mei´“ (QT-Skript) von dem chinesischen Schauspieler Lo Lieh gespielt wird – Lo Lieh verkörperte Pai Mei z. B. in Lau Kar-Leung‘s „Executioners from Shaolin“ aus 1977; „Pai Mei“, der „head priest of The White Lotus Clan“ (Skript), ist im Grunde also keine von QT erfundene Figur – QT: „Pai Mei ist keine neue Figur, er kommt in Filmen der Shaw Brothers vor“].

Im Zentrum von Bill’s Geschichte stehen die Umstände, die zu dem „massacre of the Shaolin Temple“ [Skript] geführt haben: Der White Lotus-Clan-Führer Pai Mei soll erzürnt darüber gewesen sein, dass ein Shaolin-Mönch einen Gruß seinerseits (also etwas, was bei Pai Mei einer „generous social gesture“ [BILL – laut Skript] gleichkommt) nicht erwidert hat. Die Motive des Mönchs, den Pai Mei am Wegesrand getroffen hat, den Gruß nicht zu erwidern, bleiben, so hält Bill fest, unbekannt, jedoch aber nicht die Konsequenzen seines Verhaltens [BILL – im Original: „The motives of the monk remain unknown. What is known, were the consequences“], denn Pai Mei übte Vergeltung und alle 60 Mönche des Klosters, zu dem der „Nicht-Grüßer aus den Reihen der Shaolin“ gehörte, starben durch die Fäuste des Weißen Lotus. Das „Shaolin-Tempel-Massaker“ war aber auch der Ursprung der Legende von Pai Mei’s „Five-Point Palm-Exploding Heart-Technique“ [dt. Synchro: „Fünf-Punkt-Pressur-Herz-Explosionstechnik“; in QT’s Ur-Skript war übrigens noch von einer „Ten-Point Palm-Exploding Heart Technique“ die Rede], dem „tödlichste[n] Schlag aller Kampfsportarten“ [BILL; Originalfassung: „The deadliest blow in all of the martial arts“].

Auf Nachfrage der „Braut“ hin, die am Lagerfeuer gespannt Bill’s Worten lauscht, erklärt er ihr die sagenumwobene [und von QT frei erfundene] Kampftechnik: „Er trifft dich mit seinen Fingerspitzen an fünf verschiedenen Pressurpunkten an deinem Körper. Und dann kannst du weitergehen. Aber sobald du fünf Schritte gemacht hast, wird das Herz in deinem Körper explodieren. Und du fällst zu Boden, tot“.

Did he teach you that?“ [Originalfassung] – „Die Braut“ stellt Bill die naheliegendste Frage...und dieser muss sie verneinen [BILL - im Original: „No“]. Dann warnt er die „Braut“ noch davor, im Rahmen ihrer Ausbildung bei Pai Mei, die offenbar von Bill gewollt & geplant ist, so etwas wie Aufsässigkeit zu zeigen, weil der Kung Fu-Meister nun mal keinen „backtalk“ oder „sarcasm“ [Skript] ausstehen kann.

EXT. THE WHITE LOTUS TEMPLE – DAY“ [Skript]: Die „Bride“ wartet in einem Jeep, der vor „the Priest Pai Mei’s home located high up on top of White Lotus Mountain“ [QT-Skript] geparkt ist. Bill kommt die riesige Stein-Treppe hinunter, die hinauf zum Wohnsitz des Priesters führt [„A huge stone staircase of one hundred steps climb up a hill leading to Pai Mei’s home“; Skript], und teilt der „Bride“ Folgendes mit: „Er akzeptiert dich als seine Schülerin“.

Nachdem sie ihn auf die kleine Kopfverletzung angesprochen hat, die Bill offenbar gerade in einem Kampf mit seinem alten Meister davongetragen hat [THE BRIDE: „Caught him in a good mood, aye?“ / BILL: „More like a sadistic one“; Dialog gemäß Skript], fragt sie ihn „Wieso hat er mich akzeptiert?“ und Bill bietet ihr sozusagen einen Einblick in die Psyche eines, wie er ihn im Original nennt, „rotten bastard[s]“: „Weil er ein sehr, sehr, sehr alter Mann ist. Und wie alle gemeinen Mistkerle, wenn sie alt werden, werden sie einsam. Was sie nicht zu besseren Menschen macht, aber es zeigt ihnen, welchen Wert Gesellschaft hat“ [Anmerkung: Die Bill-Aussage über Pai Mei gehört zu den allerbesten Dialogpassagen von Kill Bill – Volume 2 und verdeutlicht, dass, trotz aller „Künstlichkeit & Übertriebenheit“ des Kill Bill-Epos, die „psychologische Schlüssigkeit“, die in den 90er-Jahre-Tarantino-Filmen stets präsent war, nicht ganz verloren gegangen ist - soll heißen: die „psychologische Schlüssigkeit“ des Kill Bill-Personals ist vorhanden auch jenseits der Tatsache, dass QT in den beiden Filmen natürlich grundsätzlich virtuos mit tief in der „menschlichen Natur angelegten und verwurzelten „Rachebedürfnissen & Rachegefühlen“ jongliert, was das Identifikationspotential mit einer Figur wie der „Braut“ & ihrem „filmischen Schicksal“ ungemein steigert].

Schließlich macht er der „Braut“ nochmals klar, dass sie unbedingt die Verhaltensregeln (kein Sarkasmus & keine Widerrede) einhalten muss und dass der Umgang mit Pai Mei so oder so schwer sein wird, weil sie sozusagen gleich drei Dinge in sich vereint, mit denen der Meister so seine Schwierigkeiten hat: „Er hasst Weiße, er verabscheut Amerikaner und er empfindet Verachtung für Frauen. Also, was dich angeht, wird es schon eine Weile dauern“. 

Dann fährt Bill mit seinem Jeep davon und lässt die „BRIDE“ zurück - „somewhere in the middle of China“ [Skript].

 

 

 

(ENDE von TEIL 1.3 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 10.07.2020)