IV
You say John, I say Wayne
(Textzeile aus Bicycle Race von Queen, erschienen 1978 auf dem Album Jazz)
ETHAN EDWARDS
Ein Mann reitet ein Pferd bis es zusammenbricht. Dann geht er zu Fuß weiter. Dann kommt ein Komantsche vorbei, nimmt das Pferd und reitet noch 20 Meilen auf ihm. Dann frisst er’s auf.
(aus: Der schwarze Falke; „Ethan Edwards“ John Wayne gibt gegenüber „Searcher“-Nr. 2 „Martin Pawley“ Jeffrey Hunter eine seiner „Komantschen-Theorien“ zum Besten)
MARTIN PAWLEY
Du kennst ihn nicht. Er braucht nur das Wort „Komantsche“ zu hören…und er greift dann sofort zu seinem Messer.
(aus: Der schwarze Falke; „Martin Pawley“ Jeffrey Hunter zu „Laurie Jorgensen“ Vera Miles über die von Wayne dargestellte Figur)
ETHAN EDWARDS
Ein Leben mit Komantschen ist kein Leben.
(aus: Der schwarze Falke; Statement von „Ethan Edwards“ John Wayne bezüglich der Tatsache, dass die seinerzeit als Kind entführte „Debbie Edwards“ Natalie Wood tatsächlich bei den Indianern lebt)
ETHAN EDWARDS
Wir gehen nach Haus, Debbie!
(aus: Der schwarze Falke; „Ethan Edwards“ John Wayne zur befreiten „Debbie Edwards“ Natalie Wood gegen Ende des Films; er hält sie dabei in seinen Armen)
John Ford’s 115.(!) Film, den Western-Klassiker Der schwarze Falke (oftmals auch als Der Schwarze Falke angeführt), im Original: The Searchers (1956; literarische Vorlage: Alan Le May; der Film basiert aber ein wenig auch auf dem wahren Schicksal von Cynthia Ann Parker, die 1836 als 9-Jährige von Komantschen entführt würde), sah ich das erste Mal in einer hartnäckigen „Oskar Werner-Franҫois Truffaut-Jules et Jim-Phase“ meinerseits - in einer Phase eben, in der ich eher lieber Oskar Werner, Henri Serre und Jeanne Moreau dabei zusah, wie sie in dem Nouvelle Vague-Klassiker Jules und Jim (1962; literarische Vorlage: Henri-Pierre Roché) einer tödlich endenden „Liebe zu dritt“ nachgehen, oder lieber, um bei der großen Jeanne Moreau zu bleiben, dabei zusah, wie Moreau sich in Louis Malle’s Kriminalfilm-Klassiker Fahrstuhl zum Schafott (1958; Originaltitel: Ascenseur pour l’échafaud) zu den schwermütigen Jazzklängen von Miles Davis durchs nächtliche Paris bewegt, als dem „Duke“ John Wayne dabei zuzusehen, wie er, wieder einmal, auf einem Gaul durchs Monument Valley reitet und irgendwelchen Indianern hinterherjagt :-) (der einzige Western, den ich auch damals uneingeschränkt gut fand, war Howard Hawks‘ Rio Bravo).
Außerdem stellte mich Der schwarze Falke (Story-Abriss: Im Zentrum steht die jahrelange Odyssee des Bürgerkriegs-Heimkehrers und „Komantschen-Hassers“ Ethan Edwards, der zu Beginn des Films bei der Farm seines Bruders Aaron, gespielt von Walter Coy, vorbeischaut. Durch einen Trick der Indianer machen sich Ethan Edwards und eine ganze Reihe anderer Männer auf den Weg, vermeintlichen Viehdieben nachzujagen, während Komantschen unter der Führung von Häuptling „Schwarzer Falke“ [die von Henry Brandon gespielte Figur heißt in der Originalfassung eigentlich Scar, also „Narbe“!] die Farm von Aaron Edwards niederbrennen, ihn selbst sowie seine Frau Martha, gespielt von Dorothy Jordan, und seinen Sohn Ben, gespielt von Robert Lyden, töten und die beiden Töchter, die ältere - Lucy, gespielt von Pippa Scott, und die noch ganz junge - Debbie [„Debbie Edwards“ als Kind wird von Natalie Wood’s Schwester Lana Wood gespielt, die 1971 dann als Neben-Bond-Girl „Penny O‘ Toole“ einen Auftritt an der Seite von Sean Connery in Diamantenfieber hatte], entführen – wobei Lucy später von Ethan Edwards tot in einer Schlucht aufgefunden wird, offenbar wurde sie von den Indianern vor ihrer Ermordung geschändet. Nach jahrelanger Suche, von Edwards und seinem Begleiter - dem „Halbblut“ Martin Pawley, stellt sich heraus, dass Debbie tatsächlich noch lebt und Teil des Stammes von „Schwarzer Falke“ geworden ist. Kurz nach ihrem ersten Aufeinandertreffen will Edwards Debbie, da sie aus seiner Sicht offenbar eine „Komantschin“ geworden wird, erschießen, was Pawley, der sich vor Debbie stellt, gerade noch verhindert. Schließlich befreien aber Edwards, Pawley und eine ganze Reihe von Mitstreitern Debbie aus dem Indianerlager. Der bei der Aktion getötete Häuptling „Schwarzer Falke“ wird von Edwards, sozusagen post mortem, skalpiert. Danach bringt er Debbie zur Farm der Jorgensens, die die Nachbarn der Edwards waren und in deren Tochter Laurie sein „Co-Searcher“ Pawley verliebt ist, betritt jedoch selbst nicht das Haus, kehrt vor der Tür um und zieht alleine weiter) sofort vor eine Art „Filmfan-Aufgabe“ :-), nämlich: Wie sollte ich einem legendären Film begegnen, dessen Hauptfigur, den von John Wayne gespielten „Ethan Edwards“, ich nicht mochte (weil ich sie als „engstirnig, rassistisch und reaktionär“ empfand!), bei dem mir aber klar war, dass er von einer ganzen Reihe mehr als nur prominenter und bedeutender Figuren aus der Filmbranche verehrt oder förmlich geliebt wurde?
So meinte etwa Nouvelle Vague-Regie-Ikone Jean-Luc Godard, dass der Western ihn „zum Heulen“ bringe. Martin Scorsese und Paul Schrader, ebenfalls deklarierte Der schwarze Falke-Fans, haben das Mann sucht entführtes Mädchen-Motiv irgendwie ja auch in Taxi Driver (1976) untergebracht, bei dem Scorsese bekanntlich Regie führte und zu dem Schrader das Drehbuch schrieb.
George Lucas hat in seinem ersten Star Wars-Film von 1977 eine fast 1:1-Kopie jener Szene aus dem John Ford-Film abgeliefert, in der Wayne die von Indianern niedergebrannte Farm seines Bruders vorfindet – „Luke Skywalker“ Mark Hamill findet in Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung (Originaltitel: Star Wars: Episode IV - A New Hope) die Leichen von „Onkel Own“ (gespielt von Phil Brown) und „Tante Beru“ (gespielt von Shelag Fraser) auf der von imperialen Truppen zerstörten Farm seiner beiden "Zieheltern".
Als weitere Der schwarze Falke-Fans outeten sich zum Beispiel auch Sergio Leone, Francis Ford Coppola und Steven Spielberg. Letzterer, Spielberg, behauptete ohnehin einmal, dass Der schwarze Falke einer von vier Filmen sei, die er sich ansieht, bevor er selbst einen neuen Film zu inszenieren beginnt – die anderen drei wären David Lean’s Lawrence von Arabien (1962; Originaltitel: Lawrence of Arabia), Die sieben Samurai (1954; Originaltitel: Shichinin no samurai) von Akira Kurosawa und Ist das Leben nicht schön? (1946; Originaltitel: It’s a Wonderful Life) von Frank Capra.
Sprichwörtlich den Vogel im Zusammenhang mit Der schwarze Falke schoss aber 1995 ein Voting ab, das einige deutsche Regisseure zu verantworten hatten :-), die den Western überhaupt gleich zum „besten Film aller Zeiten“ wählten. Das Magazin Sight & Sound war 2012 nicht ganz so enthusiastisch :-), denn dort nahm Der schwarze Falke nur den Platz sieben unter den „besten Filmen aller Zeiten“ ein (Platz 1-3 belegten Vertigo – Aus dem Reich der Toten von Alfred Hitchcock, Citizen Kane von Orson Welles und Eine Reise nach Tokyo von Yasujiro Ozu). Das AFI, das American Film Institute, platzierte das Werk 2007 schließlich auf dem 12. Platz ihrer bedeutenden „Die 100 besten amerikanischen Filme aller Zeiten“-Liste (Platz 1-3 belegten hier Citizen Kane, Coppola’s Der Pate und Casablanca von Michael Curtiz).
Nun – der Film, den John Ford selbst für seinen schönsten und John Wayne für seine beste Zusammenarbeit mit dem Regisseur hielt, war, wie bereits angedeutet, jenseits aller Votings und Rankings, tatsächlich auch so etwas wie der „Super-Kultfilm des New Hollywood“ (Copyright: Stuart Byron - 1979 im New York Magazine), ein Werk, von dem das gesamte moderne amerikanische Kino abzustammen scheint :-), in dem sich zahlreiche Reminiszenzen an das Ford-Werk finden lassen.
Der schwarze Falke endet mit einer der berühmtesten Schlusseinstellungen der Filmgeschichte, die noch einmal - denn der Blick vom Innern eines Hauses durch den Türrahmen kommt in dem Film mehrmals, so auch ganz zu Beginn, vor - das berühmteste Türrahmenmotiv der Filmgeschichte bietet: Durch einen Türrahmen gefilmt (Kamera: Winton C. Hoch) sieht man, wie „Ethan Edwards“ John Wayne „Debbie Edwards“ Natalie Wood zur Farm der Jorgensens bringt – alle gehen ins Haus, nur Wayne bleibt draußen und setzt also seinen Weg in der wüstenartigen Landschaft des Monument Valley alleine fort.
Auch bei Wim Wenders, nämlich in dessen Roadmovie Paris, Texas, kommt 1984 ein ähnliches „Türrahmen-Schlussbild“ vor, in dessen Zentrum Harry Dean Stanton (gleichsam als „John Wayne-Ersatz“ :-)) steht, genauso wie, um noch einmal auf den Der schwarze Falke-Verehrer Steven Spielberg zurückzukommen, in Spielberg’s Krieg der Welten-Neuverfilmung (Originaltitel: War of the Worlds) von 2005, in der die wiedervereinigte Familie am Ende hinaus auf „Ray Ferrier“ Tom Cruise blickt.
Der schwarze Falke-Huldigungen und Der schwarze Falke-Reminiszenzen hin oder her, Buddy Holly hin oder her :-), denn dieser hat seinen ersten großen Hit, „That’ll be the Day“ von 1957, nach dem in dem John Ford-Film mehrfach von John Wayne wiederholten Ausspruch, deutsche Fassung: „Der Tag wird kommen“, benannt, meine persönlichen Schwierigkeiten mit dem, was seine ganze „Botschaft“ betrifft, zumindest leicht zwiespältigen Film bleiben irgendwie bestehen, denn weder sehe ich „Ethan Edwards“ als „eine der vielschichtigsten Figuren der Western-Geschichte“, so wie das zum Beispiel das Lexikon des internationalen Films meint, noch empfinde ich den Film, wie das auch oft angedeutet wird, als „einen gelungenen Trip in die Seelenlandschaft des einsamen Helden“ oder dergleichen :-), nein, da sind mir andere Ford- und Wayne-Zusammenarbeiten, wie eben Rio Grande, Der Teufelshauptmann und vor allem Der letzte Befehl und Der Mann, der Liberty Valance erschoss, weit lieber! Und auch „Interpretationshilfen“ von Autoren wie Ronald M. Hahn helfen mir da nicht weiter, der meinte, die von Wayne dargestellte Figur des „Ethan Edwards“ komme deswegen engstirnig, rassistisch und reaktionär rüber, weil der amerikanische Durchschnittsbürger von 1868 engstirnig, rassistisch und reaktionär war :-).
V
This is the west, Sir. When the legend becomes fact - print the legend!
(aus: Der Mann, der Liberty Valance erschoss; eines der populärsten Zitate der (Western-)Film-Geschichte, gesprochen von „Chefredakteur Maxwell Scott“ Carleton Young am Ende des Films, nachdem „Senator Ransom Stoddard“ James Stewart ihm die wahre Geschichte über den „Mann, der Liberty Valance erschoss“ berichtet hat; in der deutschen Synchro lautet die Aussage: „Hier ist der Westen, Sir. Unsere Legenden wollen wir bewahren. Sie sind für uns wahr geworden.“)
Two gunslingers, walked out in the street
And one said „I don’t want to fight no more“
And the other gunslinger thought about it
And he said „Yeah, what are we fighting for?“
(aus dem „Wildwest-Mythen zerstörenden“ :-) Song Two Gunslingers von Tom Petty and the Heartbreakers, erschienen 1991 auf dem Album Into the Great Wide Open; das englische Wort „gunslinger“ bedeutet „Revolverheld“)
TOM DONIPHON
Liberty Valance ist der gefährlichste Mann südlich des Picketwire-Flusses. Nach mir.
(aus: Der Mann, der Liberty Valance erschoss; „Tom Doniphon“ John Wayne zu „Ransom Stoddard“ James Stewart über „Liberty Valance“ Lee Marvin)
DUTTON PEABODY
Das hätten Sie hören sollen! Ich habe Liberty Valance hier was erzählt. Verstehen Sie? Was Pressefreiheit ist.
(aus: Der Mann, der Liberty Valance erschoss; der durch Peitschenhiebe von Liberty Valance, über den er einen wenig schmeichelhaften Artikel geschrieben hat, schwer verletzte Zeitungsredakteur „Dutton Peabody“, gespielt von Edmond O‘ Brien, zu „Ransom Stoddard“ James Stewart)
TOM DONIPHON
Das ist mein Steak, Valance!
(aus: Der Mann, der Liberty Valance erschoss; John Wayne lässt sich auch von dem Banditen Liberty Valance nicht sein Essen verderben, der gerade mit seinen Gefolgsleuten ein Wirtshaus in der Kleinstadt Shinbone terrorisiert)
TOM DONIPHON
Übrigens, Sie haben Ihren Liberty Valance nicht erschossen.
(aus: Der Mann, der Liberty Valance erschoss; „Tom Doniphon“ John Wayne teilt „Ransom Stoddard“ James Stewart, am Rande einer „Versammlung des Bundesstaates“, die Wahrheit darüber mit, wer „Liberty Valance“ Lee Marvin wirklich ins Jenseits befördert hat)
So wie in dem oben zitierten Tom Petty-Song Two Gunslingers „Wildwest-Mythen“ zerstört werden, so wird das auch ein wenig in John Ford’s bemerkenswertem „Spätwestern“ Der Mann, der Liberty Valance erschoss (literarische Vorlage: Dorothy M. Johnson) von 1962, der zu Ford’s schönsten und besten Arbeiten gehört – und das gerade auch deswegen, weil er eben zumindest eine „Teilabkehr“ von jenen „Wildwest-Mythen“ darstellt, die Ford und John Wayne mitunter sogar selbst geschaffen haben (Story-Abriss: Der als alter Mann in Begleitung seiner Frau Hallie, gespielt von Vera Miles, in die Kleinstadt Shinbone zurückkehrende Senator Stoddard, beide möchten dem Begräbnis ihres alten Freundes Tom Doniphon beiwohnen, erzählt Journalisten die Geschichte, wie Doniphon und er sich kennengelernt haben. Als Stoddard seinerzeit als junger, idealistischer Anwalt von der Ostküste in den „Wilden Westen“ reist, wird seine Postkutsche von dem Banditen Liberty Valance und dessen Bande überfallen sowie er selbst dabei von Valance durch Peitschenhiebe verletzt. Doniphon sammelt ihn am Straßenrand auf und gibt Stoddard dann in Shinbone gleichsam bei der Wirtsfamilie Ericson in Pflege – Doniphon ist mit den Ericsons befreundet und in deren Tochter Hallie, eine Kellnerin, verliebt. In der Folge versucht der Intellektuelle Stoddard die Bewohner der Stadt vom Waffen- und Gewalt-freien Widerstand gegen die Valance-Bande zu überzeugen, was ihn auch immer wieder mit Doniphon aneinandergeraten lässt, der gleichzeitig der Einzige ist, vor dem der jähzornige Valance in Shinbone Respekt zu haben scheint. Stoddard beginnt in der Folge auch als Anwalt zu arbeiten, gibt Lese- und Schreib-Unterricht, in dessen Rahmen auch Hallie Ericson, die nie lesen gelernt hat, ihre Schulbildung nachholt. Tom Doniphon muss bald erkennen, dass Hallie, statt in ihn, in Stoddard verliebt ist. Als die Bewohner von Shinbone zwei Delegierte für eine Territoriums-Versammlung wählen sollen, Doniphon plädiert für Stoddard als Kandidaten, kommt es zu einer weiteren Auseinandersetzung mit Valance, der in die Versammlung platzt, welche aber schließlich damit endet, dass Stoddard und der mit ihm inzwischen befreundete Zeitungsredakteur Dutton Peabody als Delegierte bestätigt werden und Valance Stoddard zu einem Duell fordert. Daraufhin wird Peabody von Valance und seinen Männern, auch wegen eines kritischen Artikels, den dieser über Valance geschrieben hat, fast zu Tode geprügelt. Anstatt Shinbone, wie Doniphon ihm empfohlen hat, zu verlassen, stellt sich der ganz und gar nicht Revolver-erprobte Stoddard dem Duell mit Valance – als Valance dabei von einem Schuss tödlich getroffen wird, gilt Stoddard von nun an als „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“, wobei Doniphon dem neuen Volkshelden dann am Rande einer politischen Versammlung eröffnet, dass in Wahrheit er, Doniphon, von anderen unbemerkt, Liberty Valance aus dem Hinterhalt erschossen hat. Der Chefredakteur der Zeitung, dem der alte Senator Stoddard nun die Wahrheit über die Valance-Geschichte erzählt hat, lehnt es mit Hinweis auf die Wichtigkeit des Bestehenbleibens des Mythos ab, die wahre Geschichte zu publizieren. Mit der Überlegung, sich endgültig aus der Politik zurückzuziehen, reist der Senator zurück nach Washington).
„Tom Doniphon“, die von Wayne dargestellte Figur, im Übrigen (ganz im Gegensatz eben zu „Ethan Edwards“ aus Der schwarze Falke :-)) eine der interessantesten der Western-Film-Geschichte, durchbricht, durch die Erschießung des von Lee Marvin dargestellten Banditen „Liberty Valance“, sozusagen den „Ehrenkodex des Westerns“, denn Wayne erschießt ihn, wenngleich auch im Sinne einer „höheren Gerechtigkeit“, schließlich aus dem Hinterhalt, sodass eben jeder glaubt, dass der an der Waffe völlig ungeübte Anwalt „Ransom Stoddard“, gespielt von James Stewart, Valance erschossen und die Kleinstadt Shinbone somit von einer wahren Plage befreit hat – die auf einer Lüge basierende Legende, die dadurch um Stoddard entsteht, ermöglicht diesem eine politische Karriere, wobei am Ende eben auch klar wird, nachdem der alte „Senator Stoddard“ dem Chefredakteur die Wahrheit über den Mann erzählt hat, der Liberty Valance wirklich erschossen hat, dass die Legende hier stets Vorrang vor der Wahrheit haben wird.
Ich war immer ein großer Verehrer von James „Jimmy“ Stewart und viele seiner Filme, wie Die Nacht vor der Hochzeit (1940; Originaltitel: The Philadelphia Story; Regie: George Cukor; Co-Stars: Katharine Hepburn & Cary Grant) oder die vier grandiosen Werke (1948: Cocktail für eine Leiche/OT: Rope; 1954: Das Fenster zum Hof/OT: Rear Window; 1956: Der Mann, der zu viel wusste/OT: The Man Who Knew Too Much; 1958: Vertigo – Aus dem Reich der Toten/OT: Vertigo), die er gemeinsam mit Alfred Hitchcock gedreht hat, gehören zu meinen Alle paar Jahre gerne wieder-Filmen bzw. überhaupt zu meinen „All-Time-Favorites“ , ABER: Der Mann, der Liberty Valance erschoss ist ein Film, der ganz dem Mann gehört, der Liberty Valance wirklich erschoss :-), nämlich dem „Duke“ John Wayne, der darin eine der besten Leistungen seiner Karriere ablieferte, denn „Tom Doniphon“ ist, ganz Wayne-typisch :-), nur an der Oberfläche ein Raubein, das sich quasi im entscheidenden Moment dazu entschließt, „Zeitgeschichte“ zu kreieren, und das nur, wie er dann zu „Ransom Stoddard“ Jimmy Stewart sagt, weil er es nicht ansehen hätte können, dass die vom ihm verehrte „Hallie Ericson“ um Stoddard, in den sie inzwischen verliebt ist, trauert.
John Wayne und James Stewart, zweifellos zwei der größten Filmstars aller Zeiten (auf der vom AFI veröffentlichten Liste der 50 größten amerikanischen Filmstars, die sozusagen 50:50 zwischen Frauen und Männern aufgeteilt war, belegte Wayne in den Top 25 der männlichen Filmstars den 13. Platz und James Stewart, hinter Humphrey Bogart und Cary Grant, sogar den 3. Platz!), sollten noch einmal gemeinsam vor der Kamera zu sehen sein, nämlich in Wayne’s Abschiedsvorstellung von 1976, seinem finalen Film, in dem er schon merklich von seiner Krebserkrankung gezeichnet war, der er schließlich 1979 erliegen sollte - die Rede ist von Don Siegel’s Der Shootist – Der letzte Scharfschütze (Originaltitel: The Shootist; neben Wayne und Stewart tummelt sich darin noch eine dritte Legende: Lauren Bacall!), in dem Wayne den krebskranken(!) Scharfschützen „John Bernard Books“ spielt, der von dem alten Arzt „Dr. Hostetler“ James Stewart (damals immerhin schon 68 Jahre alt) mit einer Flasche Laudanum versorgt und mit der „Empfehlung“ aus der Praxis entlassen wird, sich nicht dem Siechtum hinzugeben, sondern einen schnellen und würdevollen Tod zu suchen!
Glauben Sie mir: Wenn The Shootist – Der letzte Scharfschütze zu Ende geht, das Werk endet natürlich mit dem Tod von „J. B. Books“, aber mit einem absolut „standesgemäßen“ und „würdigen“ – im Rahmen eines Shootouts in einem Saloon :-), dann hat man, weil man weiß, dass das auch tatsächlich John Wayne’s letzter Film war, das Gefühl, die Geschichte des Westens und des Westerns an sich wäre hier zu Ende gegangen und dass jeder Western nach dem finalen Wayne-Auftritt, ja – selbst Costner’s Der mit dem Wolf tanzt (1990; Originaltitel: Dances with Wolves; Regie: Kevin Costner) :-), ohnehin sinnlos war :-).
Aber zurück zu Der Mann, der Liberty Valance erschoss: Es ranken sich mehrere Gerüchte darum, warum der Film in (edelstem :-)) Schwarzweiß gedreht wurde – das schlüssigste davon ist jenes, dass Wayne und Stewart darin schließlich jüngere Männer spielen als sie damals selbst waren – Wayne war 1962 bereits 55 Jahre alt und Stewart 54.
Laut dem John Ford-erprobten Star-Kameramann William H. Clothier (1959: Der letzte Befehl; 1964: Cheyenne/OT: Cheyenne Autumn) hatte man sich aber lediglich aus Kostengründen für das Schwarzweiß entschieden, da Ford sonst angeblich Schwierigkeiten gehabt hätte, das Projekt finanziert zu bekommen.
Obwohl viele Kritiker der Meinung waren, dass sich John Ford die letzten 20 Minuten des Films, in der vor allem eine „Versammlung des Bundestaates“ gezeigt wird, im Rahmen derer Stoddard dann als Delegierter nach Washington gewählt wird, hätte sparen können :-), im Zusammenhang mit diesen letzten 20 Minuten war auffällig oft etwa von „overlong“ und „slow periods“ die Rede :-), so muss man doch auch vor allem dem US-Filmkritiker Richard Brody zustimmen, der im New Yorker einmal meinte, dass Der Mann, der Liberty Valance erschoss – in der Tat ein Werk, das die Geburtsstunde des modernen Amerikas im Übergang zwischen Pionierzeit und dem „zivilisierten Amerika“ zeigt - auch „the greatest American political movie“ ist, denn darin geht es schließlich auch um Pressefreiheit, um Stadtversammlungen sowie um Debatten über Staatlichkeit und um den zivilisierenden Einfluss von Bildung.
Trotzdem existiert im Zusammenhang mit Der Mann, der Liberty Valance erschoss auf keinen Fall so ein „Huldigungs- und Reminiszenz-Kult“ wie im Zusammenhang mit Der schwarze Falke, aber die Tatsache etwa, dass ein anderer Regie-Star, nämlich David Lynch, in seinem Meisterwerk Blue Velvet (1986) der von Isabella Rossellini gespielten Nachtclubsängerin „Dorothy“ den Nachnamen „Vallens“ verpasst hat, zeugt davon, dass auch dieses John Ford-Werk seine Wirkung ganz sicher nicht verfehlt hat.
(ENDE von TEIL 2 des Artikels - Fortsetzung EINLEITUNG; Fassung vom 01.05.2019)