Getaway (1972; Regie: Sam Peckinpah; OT: The Getaway) oder: Warum Steve McQueen immer der "King of Cool" bleiben wird... (TEIL 2 des Artikels - HAUPTTEIL)

 

III

 

 LAWRENCE FASSETT

 Stellen Sie sich vor, die wären nur Flöhe auf einem Hund gewesen, der von einem gestohlenen Wagen überfahren worden ist, an dessen Steuer ein Halbstarker saß, der von seiner Freundin den Tripper bekommen hat. Dann sehen Sie das Ganze in der richtigen Perspektive.

 

 (aus: Das Osterman Weekend; „Lawrence Fassett“ John Hurt zu „John Tanner“ Rutger Hauer und „Bernard Osterman“ Craig T. Nelson in Sam Peckinpah’s finaler Regie-Arbeit von 1983; diese Aussage von John Hurt, der in dem Werk den auf Rache für die Ermordung seiner Frau sinnenden CIA-Agenten Fassett spielt, bezieht sich eigentlich auf die Tatsache, dass er gerade mehr als die Hälfte der sonstigen Hauptfiguren des Films per Explosion ins Jenseits befördert hat, aber man könnte die originellen Worte auch ganz generell auf Peckinpah’s „filmischen Nihilismus“ und auf die Grundstimmung beziehen, die fast den gesamten filmischen Kosmos des Regisseurs dominiert)

 

 

 And everybody thinks

 That I’m the fool

 But they don’t get

 Any love from you

 

 (Ausschnitt aus dem Tracy Chapman-Song For My Lover, einem Track von ihrem legendären Debüt-Album Tracy Chapman aus 1988; Chapman bringt in diesen Textzeilen auch ganz gut den Grund zum Ausdruck, warum „Carol McCoy“ Ali MacGraw in Getaway bestimmte Dinge für und gemeinsam mit „Doc McCoy“ Steve McQueen macht; MacGraw und McQueen waren dann von 1973-1978 auch im wirklichen Leben ein Ehepaar)

 

 

 CAROL McCOY

 Wir haben einen langen Weg hinter uns, der zu nichts geführt hat.

 

 (aus: Getaway; „Carol McCoy“ Ali MacGraw zu „Doc McCoy“ Steve McQueen, während sich die beiden gerade auf einer Müllhalde befinden, auf der sie im Rahmen ihrer Flucht vor der Polizei und diversen Verfolgern gelandet sind)

 

 

Wie sehr sich doch mit der Zeit die Art und Weise, wie ein bestimmter Film betrachtet und empfunden wird, ändern kann. So saß ich zum Beispiel Anfang 2001 in einem Grazer Kino und sah mir William Friedkin’s Director’s Cut (erschienen 2000) seines 70er-Jahre Kinogroßerfolges und „Jahrhundert-Horror-Psychoschockers“ Der Exorzist (1973; Originaltitel: The Exorcist) an und war wirklich mehr als erstaunt, dass ein Film, der in der Zeit seiner Entstehung sowie in den 80ern mehr oder weniger als der „Inbegriff des (gelungenen) Leinwandschreckens“ gegolten hatte, plötzlich ausgerechnet so eine Reaktion hervorrief, denn: Der Großteil der überwiegend jugendlichen Kinobesucher lachte – und zwar lautstark und an vermeintlich entscheidenden Stellen, wie zum Beispiel bei dem Moment, als sich die vom Teufel besessene „Regan“ Linda Blair plötzlich in ihrem Bett umdreht und sich ihr Gesicht endgültig in eine grässliche Fratze verwandelt hat, oder auch in dem Moment, als Blair, wie eine Spinne, auf allen Vieren rückwärts eine Treppen ihres Wohnhauses „runterspaziert“.

Hatte mir persönlich der Film in den 80ern schon einen Schauer über den Rücken gejagt, wenn er in einer Fernsehzeitschrift nur angekündigt wurde :-), schien er plötzlich seinen Schrecken für eine andere Generation an Kinogehern völlig verloren zu haben - und fast hätte man meinen können, die ganzen Jugendlichen machen sich über einen der größten Filmerfolge der frühen 70er, denn das war Friedkin’s zweites großes Meisterwerk nach dem legendären Polizei-Thriller French Connection – Brennpunkt Brooklyn (1971; Originaltitel: The French Connection) nun mal, einfach nur mehr lustig :-).

Nun – auf dieselbe Reaktion, auf Gelächter, würden heutzutage, ich meine: bei einem bestimmten Publikum in einer bestimmten Altersgruppe, wahrscheinlich auch viele Filme des 1984 im Alter von nur 59 Jahren verstorbenen US-Action-Virtuosen Sam Peckinpah stoßen, so wie The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969; Originaltitel: The Wild Bunch), Wer Gewalt sät (1971; Originaltitel: Straw Dogs), Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974; Originaltitel: Bring Me the Head of Alfredo Garcia), Das Osterman Weekend (1983; Originaltitel: The Osterman Weekend) und sicherlich auch Getaway von 1972, jener Action-Thriller, der nicht nur ein Peckinpah-, sondern natürlich auch ein Steve McQueen-Klassiker ist. Viele würden tatsächlich im Zusammenhang mit Peckinpah-Werken wahrscheinlich auch so was denken wie „Was soll das Ganze überhaupt?“ oder „Was für ein Problem soll das bitte sein, das die Hauptfiguren da wälzen?“ oder auf jeden Fall auch „Was ist denn bitte das für eine Darstellung von Geschlechterbeziehungen?“, aber Fakt ist und bleibt auch, dass „Bloody Sam“, so nannte man Peckinpah nämlich, ein wahrer Meister kontroverser, aber irgendwie auch genialer „Rache- und Gewaltorgien“ war und dass, wenn es schon einen Film gibt, bei dem mein „Favorite Classic Filmstar“ Steve McQueen mit einem meiner „Favorite Action-Directors“ zusammenarbeitet, dies auf gar keinen Fall von mir dauerhaft ignoriert werden kann :-).

 

 

 

Amerika verschließt seine Augen vor dem Hunger und der Gewalt; man muss diesem Amerika die Augen öffnen.

 (Sam Peckinpah über die Diskussion rund um die Gewaltdarstellung in seinem Spätwestern The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz von 1969)

 

 

Wenn man es genau nimmt, stießen die allermeisten von Peckinpah’s Filmen aber bereits zur Zeit ihrer Entstehung und Veröffentlichung auf mehr als nur zwiespältige Resonanz. Und das gilt auch für Peckinpah’s legendären Spätwestern The Wild BunchSie kannten kein Gesetz, der heutzutage als Meisterwerk angesehen wird, 1969 aber durchaus auf Empörung und Unverständnis getroffen ist, weil die Gewaltdarstellung in dem Film als „zu exzessiv“ empfunden wurde.

Und tatsächlich: Die Geschichte, die 1914 während der Mexikanischen Revolution angesiedelt ist, bietet wenig Erfreuliches und tatsächlich nur einen „wilden Haufen“ verlorener „Helden“, der angeführt wird von dem Outlaw „Pike Bishop“, wunderbar gespielt von William Holden, der, im Gegensatz etwa zu einem John Wayne, dessen späte Filmauftritte, wie zum Beispiel in Howard Hawks‘ Rio Lobo (1970), stets etwas Anachronistisches an sich hatten, ganz exzellent in die Welt des „New Hollywood“, und somit auch in Peckinpah’s Welt, passte.

Der Film ist in der Tat eine Art „Klagelied“ - oder noch besser: eine „Todesballade“, die zwar extrem explizit in der Gewaltdarstellung ist, gleichzeitig aber auch eine enorme ästhetische Kraft besitzt und auch die Themen Korruption und Macht-Missbrauch nicht außen vor lässt.

Wie in vielen Filmen des Regisseurs wird in diesem Western, der mehr oder weniger schon die Grundstimmung der ganzen „Wildwest-Abgesänge“ der 70er, a la McCabe & Mrs. Miller (1971; Regie: Robert Altman) oder Duell am Missouri (1976; Originaltitel: The Missouri Breaks; Regie: Arthur Penn), vorwegnimmt, die Sinnlosigkeit und Absurdität von Gewalt gezeigt, denn schon im Rahmen der ersten Schießerei werden zahlreiche unschuldige Männer und Frauen von den so genannten „Vertretern des Gesetzes“ absichtlich getötet.

Das finale Massaker, zwischen den noch verbliebenen Männern der Bande rund um „Pike Bishop“ William Holden und den Männern rund um den brutalen mexikanischen General Mapache, gespielt von Emilio Fernandez, mit dem sich die Pike Bishop-Bande leider eingelassen hat, das auch vor den Augen des Bishop-Verfolgers und Kopfgeldjägers „Deke Thornton“ (gespielt von Robert Ryan) stattfindet, ist der legendärste Part dieses kompromisslosen Westerns, der aber zweifellos auch seinen Eindruck bei anderen Action-Film-Regisseuren hinterlassen hat. So hat zum Beispiel die chinesische Regie-Ikone John Woo (zum Beispiel: 1989: The Killer; 2000: Mission: Impossible II) das nicht minder legendäre finale Shootout seines Films und „Heroic Bloodshed“-Klassikers A Better Tomorrow II (deutscher Verleihtitel von damals: City Wolf II – Abrechnung auf Raten) von 1987 eindeutig an das des Peckinpah-Films angelehnt, in dem auch Bishop’s Bande sowie Bishop selbst ums Leben kommen (zum Vergleich: Bei den „Magnifecent Seven“, den „glorreichen Sieben“, also neun Jahre früher und im „Old Classic Hollywood“, hat man wenigstens noch „Chris“ Yul Brynner sowie „Vin“ Steve McQueen und „Chico“ Horst Buchholz nach dem finalen Shootout mit den Banditen am Leben gelassen :-)).

Vielversprechend im Zusammenhang mit The Wild BunchSie kannten kein Gesetz ist aber auch die Nachricht, dass Mel Gibson, als Regisseur und Drehbuchautor, gerade an einer Neuverfilmung dieses zentralen Peckinpah-Werks arbeitet, denn das lässt eine Mel Gibson-typische „Schlachtplatte mit gewissem Anspruch“ erwarten, für welche er ja mittlerweile als Regisseur irgendwie steht :-).

 

 

 

 „[…] selbst in dem friedfertigsten Bücherwurm steckt ein Killer

 

 (nicht ganz unamüsanter Satz aus einer Wer Gewalt sät-Rezension der Zeitschrift Videowoche aus 2007, veröffentlich anlässlich des Erscheinens einer Special Uncut Version des Films, im Rahmen derer das Werk erstmals in voller Länge zu sehen war)

 

Gewalt ist in Peckinpah’s Filmen, und das hebt sie sehr wohl von dem sterilen Action-Kino-Einheitsbrei, der einem ab den 80ern meistens so präsentiert wurde, ab, immer mit Leid(en) und Schmerz(en) verbunden. Bei Peckinpah’s Filmen fällt es einem schwer, sich entspannt zurückzulehnen, denn sie sind nur schwer verdaulich und äußerst unbequem. Natürlich sind sie auch effektvoll inszeniert, was den Grad zwischen der vorgeworfenen Gewaltverherrlichung und der „notwendigen“ Gewaltdarstellung vielleicht zu einem schmalen macht, ABER: Man wird, beispielsweise, selten eine intensivere Studie über „die Mechanismen der Gewalt“ finden als Wer Gewalt sät (literarische Vorlage: Gordon Williams) aus 1971, ein Film, der mittlerweile vielleicht sogar unter seinem Originaltitel Straw Dogs besser bekannt ist, vor allem auch wegen des wirklich grauenhaften Remakes aus 2011 (deutscher Verleihtitel: Straw Dogs – Wer Gewalt sät; Regie: Rod Lurie), in dem James Marsden und Kate Bosworth in den Rollen von „David Sumner“ und „Amy Sumner“ zu sehen sind, also jenes Ehepaares, das 1971 von Dustin Hoffman und Susan George gespielt wurde.

Im Zentrum von Peckinpah’s kontroversiellem Klassiker, den das Time-Magazine einst ein „brillantes Werk der Filmkunst“ nannte und der lange Jahre hindurch im Fernsehen nur stark gekürzt beziehungsweise stark geschnitten gezeigt werden durfte, steht die berüchtigte Vergewaltigungsszene in der Mitte des Films, in der „Amy Sumner“ Susan George von zwei Dorfbewohnern, Charlie Venner (gespielt von Del Henney) und Norman Scutt (gespielt von Ken Hutchison), vergewaltigt wird (Ein kurzer Blick auf die Story: Der amerikanische Mathematiker David Sumner zieht mit seiner Frau Amy in ein vermeintlich idyllisches, englisches Dorf, in dem das Paar aber von den Dorfbewohnern zunehmend gedemütigt wird. Mehrere Vorfälle, die am Ende dann in einer „Home Invasion“ des Sumner-Hauses durch einige gewaltbereite Dorfbewohner gipfeln, lassen den „Kopfmenschen“ David ausrasten und blutige Selbstjustiz üben!).

Kritiker, und darunter war auch der ansonsten Peckinpah gegenüber eher freundlich gestimmte US-Kritiker-Papst Roger Ebert von der Chicago Sun-Times, der den Film als einen „Rückschritt“ in eine „19. Jahrhundert-Mixtur aus Kipling und Machismo“ bezeichnete, warfen Peckinpah vor, eine Art „Erotisierung“ von Vergewaltigung betrieben zu haben, gespeist aus einer Mischung aus männlichem Chauvinismus und misogynistischem Sadismus (Anmerkung: Misogynie: abstrakter Oberbegriff für soziokulturelle Einstellungsmuster der geringeren Relevanz/Wertigkeit von Frauen oder der höheren Relevanz/Wertigkeit von Männern). Und in der Tat geht es auch mir persönlich mit dieser Vergewaltigungsszene so: Ich bin mir heute so wenig wie damals, in den 90ern, als ich den gesamten Film zum ersten Mal gesehen habe, sicher, ob Peckinpah da nicht tatsächlich nur irgendwelche abstrusen „Vergewaltigungs-Mythen“, die auf irgendein „heimliches Einverständnis des weiblichen Opfers“ abzielen, beschworen hat und sich somit absichtlich im Fahrwasser von Vorurteilen und Stereotypen bewegt hat, die im Zusammenhang mit so genannten Sexual Assaults leider immer noch kursieren.

Dennoch bleibt Wer Gewalt sät ein wichtiger Film, der heutzutage zweifellos zu den absoluten Peckinpah- (und Dustin Hoffman-) Klassikern gehört und, neben Stanley Kubrick’s Uhrwerk Orange (1971; Originaltitel: A Clockwork Orange; literarische Vorlage: Anthony Burgess), die wohl beste und ernsthafteste „Gewaltstudie“ darstellt, die in den 70ern zu finden war.

 

 

EL JEFE

 Bringt mir den Kopf von Alfredo Garcia!

 

 (aus: Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia; „El Jefe“ Emilio Fernandez gibt, in Anwesenheit von zahlreichen ihn umringenden Gefolgsleuten, jenen nicht nur sprichwörtlich gemeinten Befehl, der in der Folge zu einem wahren Blutbad führen wird)

 

Man wird in der grundsätzlich ganz und gar nicht Experiment-abgeneigten US-Filmlandschaft der 70er kein Werk eines „A-List“-Regisseurs finden, das abgründiger und morbider daherkommt als Sam Peckinpah’s eindrucksvoll-bizarre Roadmovie-, Neo-Western und Action-Thriller-Mischung Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia aus 1974. Als ich das, für US-Verhältnisse, tatsächlich verblüffend radikale Werk das erste Mal gesehen habe, wiederum in den 90er-Jahren :-), war es eine Art „nihilistische Offenbarung“ für mich, denn Kult-Star Warren Oates, der 1969 schon Teil des von William Holden angeführten „Wild Bunchs“ war, hinter dem Steuer eines Autos, mit dem abgetrennten Kopf von Alfredo Garcia, und wirklich nur mit dessen Kopf, als „Beifahrer“, das war schon starker Tobak :-), der mich im Übrigen nie wieder losgelassen hat, den der Film gehört zwar, streng genommen, nicht zu meinen „All-Time Favs“, dafür aber auf jeden Fall zu meinen Lieblings-70er-Jahre-Filmen und zu meinen Lieblings-Sam Peckinpah-Filmen sowieso.

Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (Story-Abriss: Die Tochter des mexikanischen Großgrundbesitzers „El Jefe“, gespielt von Emilio Fernandez, wird von einem gutaussehenden Herumtreiber namens Alfredo Garcia geschwängert. Aus Zorn über diese Tatsache wünscht sich El Jefe, und das nicht nur sprichwörtlich, dessen Kopf und setzt zusätzlich eine Belohnung von einer Million Dollar aus. Eine Gruppe US-Gangster macht sich in der Folge auf die Suche nach Garcia und bietet auch dem heruntergekommenen Barpianisten „Bennie“, einem Bekannten Garcias, 10.000 Dollar an, um Garcia’s Aufenthaltsort herauszufinden. Wie sich herausstellt, ist Garcia aber bei einem Verkehrsunfall gestorben und erst unlängst in seinem Heimatdorf begraben worden. Bennie verschweigt dieses Wissen aber und macht sich mit seiner Freundin „Elita“, gespielt von Isela Vega, auf den Weg zu Garcia’s Grab, da er auf das Geld nicht verzichten möchte. Bennie wird aber am Grab niedergeschlagen und Elita getötet – und der Kopf der Garcia-Leiche fehlt. Bennie nimmt Rache an den Mördern seiner Freundin und bringt den Kopf, den er denn Mördern Elitas wieder abgejagt hat, nach einer blutig-bizarren Odyssey, tatsächlich am Ende zu El Jefe, den er aber auch tötet, bevor er schließlich selbst in einem Kugelhagel stirbt.) gilt, heute wohlgemerkt, denn damals war der Film, wie Sie sich vielleicht vorstellen können :-), ein entsetzlicher Flop, als letztes großes Werk Peckinpahs und tatsächlich als, wie wiederum Roger Ebert 1974 als so ziemlich einziger prominenter Exponent der US-Filmkritik meinte, „bizarres Meisterwerk“, das Peckinpah’s Abkehr vom Hollywood-System markierte.

Nach den schlechten Erfahrungen Peckinpahs bei dem Western Pat Garrett jagt Billy the Kid (1973; Originaltitel: Pat Garrett & Billy the Kid; Hauptdarsteller: James Coburn & Kris Kristofferson), der von MGM für die Kinoveröffentlichung drastisch gekürzt wurde, der sich aber durch die Musik von Bob Dylan und vor allem durch dessen Song Knockin‘ on Heaven‘s Door mit der Zeit zu einem echten Klassiker entwickelt hat, konnte Peckinpah mit Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia wieder einen Film abliefern, dessen Endfassung ganz und gar seinen Vorstellungen entsprach – wobei man anmerken muss, dass Peckinpah’s Alkohol- und Drogenproblem, das während der Dreharbeiten zu dem Werk immer stärker geworden ist, wohl auch ein wenig auf der Leinwand seinen Niederschlag gefunden hat :-), denn der ganze Film, man denke nur an die Szenen, in denen „Bennie“ Warren Oates mit dem Kopf von Garcia, der natürlich auf seinem Beifahrersitz zu verwesen beginnt, „Unterhaltungen“ führt, hat auch etwas von einem „obsessiven Fiebertraum“, zu dem möglicherweise auch die Mixtur aus Whiskey und Marihuana beigetragen haben könnte, die der Regisseur damals bevorzugte :-).

Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia ist ein Werk, das mich persönlich heute noch verblüfft und begeistert und das eben einige für ein Meisterwerk halten, andere wiederum für einen Kandidaten für die Kategorie „worst films ever made“ (Harry Medved, Randy Dreyfuss und Michael Medved erwähnen das Werk tatsächlich in ihrem Buch „The Fifty Worst Films of All Time“ von 1978!), aber Fakt bleibt, dass Peckinpah’s Werk durchaus seine Spuren in der Populärkultur hinterlassen hat. So nannte der Kameramann Roger Deakins (zum Beispiel: 2012: James Bond 007: Skyfall), neben anderen Peckinpah-Filmen, vor allem Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia als seine wichtigste visuelle Inspiration für das Coen-Brothers-Werk No Country for Old Man (2007; Regie: Ethan & Joel Coen). Die mit Sicherheit lustigste Referenz auf Peckinpah’s Film findet sich aber in der Peanuts-Folge Bring mir den Kopf von Charlie Brown (1986; Originaltitel: Bring Me the Head of Charlie Brown; Regie: Jim Reardon), in der aber nicht nur der Titel parodiert wird, sondern auch Peckinpah’s berühmter „violent slow motion style“, der zu den visuellen Grundpfeilern von fast jedem Werk des Regisseurs gehörte – und natürlich auch zu den Grundpfeilern von Getaway!

 

 

Die Handlung von Getaway:

Der Berufsverbrecher Carter McCoy (Steve McQueen), „Doc“ genannt, sitzt in einem texanischen Gefängnis ein. Gleichsam als Gegenleistung für eine vorzeitige Haftentlassung ihres Mannes muss Carol McCoy (Ali MacGraw) mit dem Lokalpolitiker Jack Beynon (Ben Johnson) schlafen. Nach McCoy’s Entlassung wird er aber umgehend von dem korrupten Beynon engagiert, um eine Bank zu überfallen. Der Überfall soll eine Veruntreuung verschleiern, bei der Beynon eine Summe von 250.000 Dollar auf die Seite geschafft hat. Beynon’s geheimer Plan sieht jedoch auch vor, Doc McCoy nach getaner Arbeit zu beseitigen. Bereits bei den Vorbereitungen zu dem Banküberfall treten aber Spannungen zwischen McCoy und den beiden ihm von Beynon zur Seite gestellten Berufsganoven Frank Jackson (Bo Hopkins) und Rudy Butler (Al Lettieri) auf. Speziell Butler scheint McCoy’s Status als „Planungs-Chef“ der ganzen Aktion nicht zu akzeptieren.

Der Banküberfall läuft allerdings nicht nach Plan, das Geld kann zwar erbeutet werden, doch Jackson erschießt einen Wachmann. Auf der Flucht wird Jackson dann von seinem Kumpanen Butler erschossen und aus dem Wagen befördert. Doc und Carol treffen sich mit Butler dann bei einem vereinbarten Treffpunkt, wo Butler auch McCoy ausschalten möchte. Dieser jedoch ahnt die Falle, hat eine Waffe griffbereit und schießt mehrmals auf Butler, den er dann für tot hält. Im Rahmen einer Aufteilungsaktion, die Beute betreffend, in Beynon’s Haus erschießt Carol Beynon, nachdem dieser ihrem Mann die genauen Umstände seiner vorzeitigen Haftentlassung geschildert hat.

Butler hat, mithilfe einer für den Banküberfall beschafften schusssicheren Weste, überlebt. In der Folge überfällt er den Tierarzt Harold Clinton (Jack Dodson) und dessen Frau Fran (Sally Struthers), um sich seine Schusswunden versorgen zu lassen, damit er Doc und Carol McCoy folgen kann. Er nimmt den Tierarzt sowie dessen Frau als Geiseln und fährt mit ihnen in Richtung El Paso. Butler und Fran Clinton haben unterwegs immer wieder Sex miteinander, ohne dass Butler sie dazu zwingen muss, was schließlich dazu führt, dass Harold Clinton, welcher Butler und seiner Frau, gefesselt, ständig beim Geschlechtsverkehr zusehen muss, irgendwann Selbstmord begeht indem er sich erhängt.

Währenddessen lässt sich Carol McCoy von einem Trickbetrüger (Richard Bright) auf einer Bahnhofstation das Geld abnehmen, das Doc McCoy anschließend mühsam wiederbesorgt. Der Trickbetrüger, der von McCoy in einem fahrenden Zug ausgeknockt wurde, wird von der Polizei, da dieser einiges an Geld aus der Beute in seine Taschen gesteckt hat, geschnappt. Der von dem Trickbetrüger schließlich identifizierte McCoy wird zur Fahndung ausgeschrieben und sein Foto erscheint in Zeitungen sowie im Fernsehen, was dazu führt, dass er und Carol sehr bald sowohl von der Polizei als auch von Beynon’s Gefolgsleuten und natürlich von Rudy Butler gejagt werden. Nachdem McCoy sich in einem Laden eine Schrotflinte und Munition besorgt hat, taucht die Polizei auf, was dazu führt, dass er sich den Weg freischießen muss. Bei der anschließenden Auto-Verfolgungsjagd bleiben einige Polizeiautos gleichsam als Schrotthaufen zurück.

Im weiteren Verlauf schlittert die Beziehung zwischen Doc und Carol zunehmend in eine Krise, da Doc seiner Frau die Sache mit Beynon nicht verzeihen will. Auf der Flucht verstecken sie sich in einem Müllcontainer, der sie zu einer Müllhalde fährt, auf der die beiden dann ihre Ehesituation besprechen und erwägen, sich zu trennen. Sie entscheiden sich aber schließlich dafür, zusammenzubleiben.

Die Verfolgungsjagd endet dann bei dem ursprünglich zwischen allen Beteiligten vereinbarten Treffpunkt, nämlich in „Laughlin’s Hotel“ in El Paso, an der mexikanischen Grenze. Es kommt zu einer ausgedehnten Schießerei, bei der sich das Ehepaar aller Verfolger, einschließlich Rudy Butler, entledigen kann. Doc und Carol halten einen Pickup an, dessen Fahrer, ein alter Cowboy (Slim Pickens), ihnen aber überraschend wohlgesonnen ist und sie über die mexikanische Grenze bringt, wo sie ihm 30.000 Dollar von der Beute abgeben.

 

 

 

 CAROL McCOY

 Du bestehst doch nur noch aus Zweifeln.

 

 DOC McCOY

 Du doch auch, Baby.

 

 (aus: Getaway; „Carol McCoy“ Ali MacGraw und „Doc McCoy“ Steve McQueen bekommen Zweifel ihren „Ehe-Status“ betreffend)

 

 

Der „good/bad guy“ Carter „Doc“ McCoy, die männliche Hauptfigur in Sam Peckinpah’s „neo-noir crime film“ Getaway (bedeutet übersetzt so viel wie: Flucht/Entkommen), ein Werk, das 1972 zum zweiterfolgreichsten Film des Jahres avancierte (Einspielergebnis in den USA allein: circa 37 Millionen US-Dollar) und generell zu den kommerziell erfolgreichsten Werken sowohl von Peckinpah als auch von McQueen gehört, reiht sich nahtlos in jene Reihe von „coolen Steve McQueen-Characters“ ein, die äußerst „cool“ durch die Gegend marschieren, erfreulich wenige Worte verlieren und hin und wieder eine Waffe ziehen :-). Mit anderen Worten: McQueen, der übrigens dann 1973, zusammen mit seinem Die glorreichen Sieben-Co-Star James Coburn sowie noch vier weiteren Personen, auch einer der Sargträger von Bruce Lee war, macht in Getaway, zu dem der spätere Nur 48 Stunden-Regisseur Walter Hill das Drehbuch verfasste, seinem Ruf als Ikone des Cool alle Ehre und durfte für den Film tatsächlich die von ihm darin getragene Kleidung sowie die von ihm darin getragenen Sonnenbrillen und sogar die darin verwendeten Autos auswählen.

Dass McQueen ohnehin auch als Sträfling eine ganz gute Figur macht, denn zu Beginn des Films, der auf dem 1958 erschienenen Roman Getaway von Jim Thomson basiert und den übrigens ursprünglich eigentlich Peter Bogdanovich (zum Beispiel: 1971: The Last Picture Show - Die letzte Vorstellung; 1973: Paper Moon) inszenieren hätte sollen, mit dem es aber zu „kreativen Differenzen“ kam, ist Doc McCoy ja im berühmten „Huntsville Penitentiary“ in Texas inhaftiert, das weiß man seit den Filmen Gesprengte Ketten und vor allem natürlich Papillon, jenem legendären Gefängnisdrama aus 1973 von Franklin J. Schaffner, bei dem sich, aber das sei nur nebenbei erwähnt, McQueen vertraglich zusichern hat lassen, dass sein Name im Vorspann vor dem von Co-Star und „Mithäftling“ Dustin Hoffman genannt wird :-). McQueen hat in der Vorbereitungsphase von Getaway aber tatsächlich viel Zeit in Gefängnissen und mit Sträflingen verbracht und die Sträflinge, die man in den Huntsville-Szenen sieht, sind tatsächlich echte Sträflinge und keine Film-Statisten!

Getaway war aber, wie ich bereits im Einleitungsteil meines Artikels erwähnt habe, nicht die erste Zusammenarbeit zwischen McQueen und Peckinpah. Das war nämlich das kommerziell in der Tat völlig erfolglose Rodeoreiter-Drama Junior Bonner (1972; Aussage von McQueen: „Out of all my movies, Junior Bonner did not make one cent. In fact, it lost money“), in dem McQueen einen alternden Rodeoreiter spielt, der seine Glanzzeit hinter sich hat. Der Film gilt heute aber durchaus als gelungenes sowie psychologisch schlüssiges und ungemein kulturpessimistisches Werk, das sich abseits jedweder „Wildwestnostalgie“ oder gar „Cowboyromantik“ bewegt und noch dazu sicherlich das „mildeste“ Werk von „Bloody Sam“ Sam Peckinpah darstellt :-).

An der Seite von Steve McQueen in Getaway, der von Peckinpah’s „excessive action-packed and amoral style“ (Copyright: Dennis Schwartz – in einer Getaway-Rezension auf Ozus‘ World Movie Reviews) nur so durchdrungen ist und in dem auch die Peckinpah-typische Verwendung von Zeitlupen (Kamera: Lucien Ballard) im Rahmen von Action-Szenen nicht zu kurz kommt, was diesen Szenen den nötigen poetischen Touch verleiht, agiert Ali MacGraw, die durch den 70er-Jahre-Publikumsgroßerfolg Love Story (1970; Regie: Arthur Hiller; literarische Vorlage: Erich Segal) berühmt wurde. Seit Love Story (Anmerkung: Der Film ist übrigens viel viel besser als sein „Schmachfetzen“-Ruf!), in dem bekanntlich MacGraw und Ryan O’Neal ein Ehepaar spielen, dem aber leider keine allzu lange gemeinsame Zeit beschert ist, denn MacGraw’s Figur, „Jennifer Cavalleri“, wird todkrank und stirbt, spricht man, wiederum dank Star-Kritiker Roger Ebert, der den Ausdruck erfunden hat, vom „Ali MacGraw-Syndrom“, das eine „Film-Krankheit“ bezeichnet, welche die Leidende, merkwürdigerweise, zum Tode hin immer schöner macht :-).

MacGraw’s „Carol McCoy“ ist eine, vor allem für Peckinpah’s diesbezüglich bescheidene Verhältnisse :-), durchaus starke Frauenfigur geworden. MacGraw und ihr Film-Ehemann Steve McQueen, McQueen und MacGraw waren dann von 1973-1978 auch im richtigen Leben verheiratet, geben ein perfektes „Roadmovie-Gangster-Ehepaar“ ab, welches sich gemeinsam durch unvergessliche Szenen spielt, so wie zum Beispiel durch jene, in der es zu einer „ehelichen Aussprache“ auf einer Müllhalde kommt, bei der es auch darum geht, ob sich die beiden trennen oder doch noch gemeinsam weitermachen.

Gut, man könnte im Zusammenhang mit McQueen und MacGraw sagen, dass das, da die beiden Schauspieler später tatsächlich geheiratet haben, keine Überraschung ist, dass die „Leinwand-Chemie“ in Getaway zwischen ihnen stimmt, aber: Nicht jedes Real-Life-Ehepaar kann körperliche Anziehung und Erotik auch auf der Leinwand rüberbringen – man denke da nur an Tom Cruise und Nicole Kidman, die das weder in Tage des Donners (1990; Originaltitel: Days of Thunder; Regie: Tony Scott) noch in In einem fernen Land (1992; Originaltitel: Far and Away; Regie: Ron Howard) und schon gar nicht in Stanley Kubrick’s „erotischem Rohrkrepierer“ Eyes Wide Shut (1999; literarische Vorlage: Arthur Schnitzler) geschafft haben :-).

MacGraw sollte 1978, nach der Scheidung von McQueen, dann noch einmal mit Sam Peckinpah zusammenarbeiten, nämlich in dem erfolgreichen Roadmovie, oder: „truck chase movie“, Convoy, in dem Trucker-Fahrer, allen voran „Martin Rubber Duck Penwald“ Kris Kristofferson, den Platz von modernen Cowboys einnehmen, die sich gegen eine von Korruption durchdrungene Highway-Polizei zur Wehr setzen. In diesem Ein unschuldiger Mann gerät in Konflikt mit einer korrupten Autorität und wird zum Anführer einer Revolte der Unterdrückten-Film, in dem Wildwest-Mythen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Gewalt aktualisiert werden, spielt MacGraw die Figur der attraktiven Fotografin „Melissa“, die dann im Laufe der Handlung zur Beifahrerin von Kristofferson avanciert, der mit seinem Truck den „Convoy der Unterdrückten“ anführt.

Convoy stellte, nach Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia, der zumindest zu einer finanziellen Enttäuschung wurde, und nach den beiden künstlerischen Enttäuschungen Die Killer-Elite (1975; Originaltitel: The Killer Elite) und Steiner – Das Eiserne Kreuz (1977; Originaltitel: Cross of Iron), so etwas wie ein „Regie-Comeback“ Peckinpahs dar, nach dem aber, aus gesundheitlichen Gründen, eine Regie-Pause von fünf Jahren folgte, bis zu Peckinpah’s finalem Werk, der eigentlich unterschätzten Robert Ludlum-Verfilmung Das Osterman Weekend von 1983, in der Dennis Hopper teilweise so durchgeknallt agiert, als wäre er bereits in David Lynch’s Blue Velvet von 1986 gelandet, wo er dann bekanntlich den Psychopathen „Frank Booth“ spielt :-).

Ein wichtiger Teil von Getaway, mal abgesehen von dem jazzigen „Score“ von Musik-Produzenten-Legende Quincy Jones (produzierte unter anderem die Michael Jackson-Alben Off the Wall, Thriller & Bad, erschienen 1979, 1982 und 1987), ist aber auch ein weiterer Schauspieler: Al Lettieri. Der 1975 verstorbene Lettieri war im Laufe seiner Karriere neben einigen der größten Stars Hollywoods zu sehen, so zum Beispiel auch neben Marlon Brando in Der Pate (1972; Originaltitel: The Godfather; Regie: Francis Ford Coppola) oder neben John Wayne in McQ schlägt zu (1974; Originaltitel: McQ; Regie: John Sturges). In Europa kennen die meisten Lettieri wohl am ehesten als Co-Star des wunderbaren Bud Spencer in dessen Klassiker Plattfuß in Hong Kong (1975; Originaltitel: Piedone a Hong Kong; Regie: Stefano Vanzina alias „Steno“). Sein „Rudy Butler“ in Getaway, jener Berufsganove, der dem ganzen Film über sowohl dem Geld als auch Doc und Carol McCoy hinterherjagt, ist das gelungene Porträt eines Soziopathen, der folglich keinerlei Empathie oder Moralempfinden hat und der letztendlich, in all seinen unerfreulichen Bestrebungen :-), nur von „Doc McCoy“ Steve McQueen aufgehalten werden kann, der ihn, am Ende des Hotel-Shootouts, dann endgültig erschießt.

 

 

 

 STIMME ÜBER LAUTSPRECHER

 Ein Mädchen aus Texas, das ist ein Sex-Ass.

 

 (aus: Getaway; Lautsprecher-Durchsage während einer Parade)

 

 

 DOC McCOY

 

 Jetzt hör zu, Kleiner! Ich weiß, dass du ein lieber Junge bist. Geh jetzt wieder zu deiner Mutter! Sei schön brav! Sonst brech ich dir das Ärmchen! OK?

 

(aus: Getaway; ein farbiger Junge, der „Doc McCoy“ Steve McQueen in einem fahrenden Zug mit einer Spritzpistole Wasser ins Gesicht gespritzt hat, bekommt es mit „Doc McCoy-70er-Jahre-Erziehungsmethoden“ zu tun)

 

 

 ALTER COWBOY

 Ich bin seit über 35 Jahren verheiratet. Mit derselben Frau. Mann, ist das ein zähes Luder. Und ein feiner Kerl. Ohne die wär ich aufgeschmissen.

 

 (aus: Getaway; ein alter Cowboy, der Doc und Carol McCoy in seinem Pickup über die Grenze nach Mexiko bringt, gerät ins „Schwärmen“, wenn er an seine Frau denkt)

 

 

Sam Peckinpah’s Getaway ist gewiss ein Meisterwerk, aber der Film, und die drei angeführten Zitate beweisen dies wohl eindeutig :-), ist vor allem auch eins: Ein typisches Werk der 70er-Jahre, in dem Begriffe wie „Sexual Correctness“ und „Political Correctness“ ab und an noch weit entfernt scheinen, eine Tatsache, die so einigen Werken von damals, aus heutiger Sicht, eine „erstaunliche“ bis „leicht gruselige“, aber irgendwie auch „faszinierend unverblümte“ Note verleiht :-).

Der oben zitierte alte und namenlos bleibende texanische Cowboy, der zum finalen „Fluchthelfer“ der McCoys avanciert, was dem ganzen Film am Ende ja fast eine leicht „surreale“ Note verleiht, wird von Slim Pickens gespielt, einem in den 60ern und 70ern vielbeschäftigten Nebendarsteller, der aber Teil einer der denkwürdigsten und berühmtesten Szenen der Filmgeschichte ist, denn: Pickens spielte 1964 in Stanley Kubrick’s giftiger Kalter Krieg-Satire Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (Originaltitel: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb) jenen texanischen Bomberpiloten, „Major Kong“ genannt, der am Ende dann auf der Atombombe in Richtung Erde „reitet“ und die nukleare Katastrophe auslöst!

Die prominente amerikanische Filmkritikerin Pauline Kael, die schon Wer Gewalt sät wenig schmeichelhaft als „faschistisches Kunstwerk“ bezeichnete, nannte Sam Peckinpah einst auch einen „Misogynisten“ (Begriffs-Erklärung siehe im Abschnitt über Wer Gewalt sät). Und tatsächlich ist es so, dass Peckinpah einige Frauenfiguren auf der Leinwand präsentierte, die, speziell wiederum aus heutiger Sicht, ungeheuer „zwiespältig“ und manchmal auch „ärgerlich“ sind. So eine „ärgerliche“ Frauenfigur ist in Getaway auf jeden Fall die von dem späteren Gilmore Girls-Star Sally Struthers gespielte Tierarzt-Gattin „Fran Clinton“, die mit ihrem „Entführer“ Rudy Butler sozusagen freiwillig und vor den Augen ihres Ehemannes Harold, der dann irgendwann Selbstmord begeht, was Fran auch nicht weiter zu jucken scheint :-), ins Bett steigt. In dem Hotel in El Paso avanciert Fran Clinton dann endgültig zur Karikatur einer „dumb screaming blonde“, die sogar von „Doc McCoy“ Steve McQueen ausgeknockt wird, damit dieser sich wieder auf das, was folgen wird, nämlich das finale Shootout, konzentrieren kann :-).

Aber vielleicht hat Peckinpah das Ganze irgendwie anders gesehen und gemeint - und in dem Verhältnis, das „Fran Clinton“ zu dem Soziopathen „Rudy Butler“ hat, lediglich nur etwas abgebildet, was der britische Sänger Morrissey auf seinem großartigen Album You Are the Quarry (2004), das zu meinen absoluten Lieblings-Musikalben zählt, in dem Song I Like You mit folgenden Textzeilen so treffend auf den Punkt gebracht hat: „You’re not right in the head and nor am I / And this is why […] I like you“.

 

 

 

(ENDE von TEIL 2 des ARTIKELS - HAUPTTEIL; Fassung vom 04.04.2019)