Ausschnitt aus "NO PULP IN THE FICTION"                 (Buch; 2020): Kapitel "JACKIE BROWN" (Teil 1.3[von 4])  [EXPLICIT CONTENT]

 

Nach der Abblende hört man, immer noch über schwarzen Hintergrund gelegt, ein Klopfen an der Tür – Jackie geht, einen weißen Morgenmantel tragend, daraufhin zu ihrer Eingangstür und öffnet sie. Sie begrüßt Max Cherry mit den Worten „Wollen Sie Ihre Kanone?“ und bittet ihn herein. Max’s -leichte- Empörung [QT beschreibt dessen Laune in seinem Drehbuch folgendermaßen: „[…] a little surprised and a touch pissed at her nonchalantness. […] he thinks about hauling her ass back to the stockade“ – nonchalant: im Sinne von: locker, zwanglos; hauling: befördern; stockade: im Sinne von: hinter Gittern] über die Tatsache, dass Jackie seine Waffe gestohlen hat, ändert sich aber, nachdem sie ihm diese zurückgegeben hat, schnell in den Zustand „Neugierde & Hilfsbereitschaft“ [MAX: „Konnten Sie sie gebrauchen? […] Möchten Sie sie gern für `ne Weile behalten? Ist zwar nicht legal, aber wenn Sie sich damit wohler fühlen“]. Jackie teilt ihm mit, während sie ihm einen Kaffee zubereitet [MAX: „Ich mag ihn schwarz“ / JACKIE: „Beruhigend“], dass sie jetzt ohnehin eine Waffe besitzt, nämlich die von Ordell.

Bevor Cherry aber sozusagen den Umständen, die zu dieser Tatsache geführt haben, wirklich auf den Grund gehen kann, lenkt Jackie das Gespräch auf Musik und auf ihre durchaus beeindruckende Plattensammlung [MAX – im Original, angesichts des vielen Vinyls: „You never got into the whole CD revolution?“]. Schließlich legt sie eine Platte der US-Soulband „The Delfonics“ auf und spielt den Song „Didn’t I (Blow Your Mind This Time)“ aus 1969 [MAX: „Hört sich gut an, wer ist das?“ / JACKIE: „Die `Delfonics´“ / MAX: „Ganz schön“].

Dann kommen sie wieder zu den Themen „Ordell“ und „Ordell’s Geld“. Brown betont, dass Robbie sie immer noch für die Trips nach Cabo San Lucas braucht und ihr sogar wieder bis zu einem gewissen Grad zu vertrauen scheint, eine Tatsache, die sie sich zunutze machen will, um Robbie ans Messer zu liefern, vorausgesetzt, die Polizei lässt sie persönlich dadurch in Ruhe, denn Jackie will von Dingen wie Gefängnis und Bewährung nichts mehr wissen [JACKIE – laut Skript: „I ain’t goin‘ to jail, and I ain’t doin‘ that probation thing again“] und hat auch wenig Interesse daran, in ihrem Alter wieder gleichsam von vorn zu beginnen [JACKIE: „Ich hab das Gefühl, ich fang immer von vorne an. […] Sollte ich diesen Job auch verlieren, fang ich nochmal von vorn an. Und dafür fühle ich mich einfach zu alt. Ich muss dann mit dem zufrieden sein, was ich noch kriegen kann. Davor hab ich noch mehr Angst als vor Ordell“ / Originalfassung laut Skript: „I just feel like I’m always starting over. […] If I lose my job I gotta start all over again, but I got nothin‘ to start over with. I’ll be stuck with whatever I can get. And that scares me more than Ordell“].

Später am selben Tag befindet sich Jackie dann bereits im Büro von Detective Dargus im Los Angeles Police Department – Dargus teilt seinem Partner Nicolet, der beim Büro auftaucht, mit, dass Jackie Brown einen Deal machen will. Brown schildert den beiden Detectives, die nun weit freundlicher als beim Verhör agieren, ihre Lage [JACKIE: „Ich muss das Land verlassen können, sonst verliere ich meinen Job“] und zeigt sich bereit, Ordell Robbie [JACKIE über ORDELL: „Ich spiele den Geldboten für ihn. […] Er verkauft Waffen“] zu verraten, wenn sie im Gegenzug dazu eine Ausreiseerlaubnis und Immunität erhält – nach kurzem Zögern deuten die beiden Detectives an, dass sie Brown’s Forderungen nachkommen können.

In ihrem „Beach Apartment“ sieht sich Melanie Ralston, auf der Couch liegend und bekifft, gerade einen italienischen Film mit dem österreichischen Schauspieler Helmut Berger an [Skriptpassage: „ON T.V.: Helmut Berger slaps a woman in the face with a newspaper, proclaiming he’s the `mad dog`. The film is an Italian Policier from the seventies“; der 1977 unter der Regie von Sergio Grieco entstandene Streifen Der Tollwütige (OT: La belva col mitra) mit Helmut Berger & Richard Harrison gehört, wie QT in seinem Drehbuch ja erwähnt, zum Genre des „Poliziottesco“, was nichts weiter ist als ein Sammelbegriff für italienische Filme mit Mafia- oder Polizei-Bezug; Tarantino ist ein deklarierter Fan des Films, hat sich von diesem bei seinem Natural Born Killers-Skript inspirieren lassen und dem Hauptdarsteller Helmut Berger wird sogar im Abspann von Jackie Brown gedankt – in einer kurzen Dialogpassage zwischen Samuel L. Jackson & Bridget Fonda, die beim Dreh hinzugefügt wurde, wird sogar auf die eventuelle „Verwechslungsgefahr“ zwischen Berger und dem Holländer Rutger Hauer hingewiesen, der in Grieco’s Film nicht mitspielt: ORDELL – kurz zum Fernseher blickend: „Ist das Rutger Hauer?“ / MELANIE: „Nein, das ist Helmut Berger“].

Ordell Robbie und Louis Gara treten ein – Gara wurde von Ordell neu eingekleidet und sieht jetzt nicht mehr aus „like he does his shopping at the Salvation Army“ [QT-Skript; Salvation Army: Heilsarmee], sondern hat einen neuen „Style“ [Skript: „Louis’s new `look` is a retro seventies-style bowling shirt and black jeans“]. Nachdem Gara’s Kleidung von allen dreien, von Ordell, von Melanie und von Louis selbst, gleichsam „kommentiert wurde, weist Ordell Melanie zurecht, weil sie ganz offensichtlich schon wieder high ist und eine Wasserpfeife [im Skript als „big bong“ bezeichnet] vor sich auf dem Tisch stehen hat [folgender Dialog wurde von QT auch auf dem Jackie Brown-Soundtrack eingefügt: ORDELL: „Goddamn, girl. You gittin‘ high already. It’s only two o’clock. […] I’m serious, you smoke too much of that shit. That shit robs you of your ambition / MELANIE: „Not if your ambition is to get high and watch T.V.“ / dt. Synchron-Fassung: ORDELL: „Im Ernst. Du rauchst zu viel von dem Zeug. Dieser Shit raubt dir den Ehrgeiz“ / MELANIE: „Nicht, wenn ich den Ehrgeiz habe, stoned zu sein und Glotze zu kucken“].

Robbie erhält dann einen Anruf von Jackie Brown, die ihn um ein Treffen im „Cockatoo Inn“ bittet, und verlässt anschließend das Apartment. Schon während Ordell’s Telefongespräch bietet Melanie Louis die Wasserpfeife an und dieser beginnt zu rauchen, was allerdings zu einem sofortigen Hustenanfall führt [Skript: „Melanie holds up the bong, offering him a hit. […] Louis exhales his smoke, does an older man cough[Husten]“]. Louis bringt Melanie, indem er alte Fotos von ihr betrachtet und ihr dazu Fragen stellt, in der Folge dazu, etwas aus ihrer Vergangenheit zu erzählen – mitten in diesen „Schwelgen in Erinnerungen“-Momenten stellt Melanie Louis unvermittelt eine Frage: „Wanna fuck?“ [dt. Synchro: „Willst du ficken?“]. Nach dem „Sure“ [dt. Synchro: „Ja“] von Louis erscheint über schwarzem Hintergrund die Einblendung „Three minutes later.“ und nach der Aufblende sieht man dann die beiden beim Sex [aus den Skript-Anweisungen bezüglich der Sex-Szene, die QT betont unromantisch“ beschreibt: „They’re going at it like a couple of fuck monkeys. Almost on the fade up[Aufblende], Louis cums“]. Als sie sozusagen damit fertig sind, bringt Melanie noch ihre „Begeisterung“ über den Sex mit Louis zum Ausdruck [MELANIE – laut Skript, mit einer gewissen „Gleichgültigkeit“: „That was fun“].

Bevor man im „Cockatoo Inn“ dann die Unterhaltung zwischen Ordell & Jackie präsentiert bekommt, sieht man noch Max Cherry, wie dieser sich in einem „Music Store“ [Skript] eine Musik-Kassette von den Delfonics kauft, die auch den Song enthält, den er am Morgen in Jackie Brown’s Apartment gehört hat [QT-Skript: „It has the song Jackie played this morning“].

Im ansonsten leeren „Cockatoo Inn“, schließlich ist es immer noch Tag, versucht Ordell ein wenig das Eis zu brechen, indem er Jackie mit Komplimenten überhäuft [ORDELL: „Quatsch nicht, Jackie! Du bist `ne Höllenbraut. Ich wette, die Kerle stehen bei dir Schlange“]. Dann erzählt ihm Brown, dass sie der Polizei mitgeteilt hat, dass sie für ihn die Geldbotin spielt, worüber Ordell natürlich nicht sehr erfreut ist [Skript: „Ordell freaks“], wobei sie betont, dass es der Polizei nicht wirklich um die halbe Million Dollar geht, sondern um seine Waffengeschäfte. In der Folge erläutert sie ihm ihren Plan, wie er die „half-a-million dollars“ [Originalfassung] in seine Hände bekommt: Es soll zwei „Lieferungen“ geben, wobei die erste nur 10.000$ umfassen und das Geld durch eine „Botin“, die Ordell aus den Reihen seiner „Tussis, die für [ihn] arbeiten“ [Ordell zu Louis Gara in einer späteren Szene im „Cockatoo Inn“] rekrutiert, abgeholt werden soll – und zwar in der Del Amo Mall in Torrance, einem riesigen Einkaufszentrum. Die Polizei würde die Übergabe der 10.000$ natürlich beobachten und glauben, dass bei der „Lieferung“ der halben Million alles gleich abläuft wie beim ersten Mal – in Wahrheit würde das Geld aber eine zweite Frau erhalten, während die Polizei irrtümlich jene Frau verfolgt, die schon beim ersten Mal das Geld übernommen hat.

Am Ende ihrer Unterhaltung feilschen Jackie Brown und Ordell Robbie noch um Jackie’s Anteil – Brown sieht sich als „Managerin“ in der ganzen Sache [JACKIE: „Ich bin nicht dein Partner, ich bin dein Manager“] und will zunächst 15 Prozent von der halben Million. Letztendlich gesteht ihr Ordell 10 Prozent zu und die beiden besiegeln ihr Übereinkommen, indem sie mit den Handflächen „einschlagen“ [QT-Skript: „They both slap palms“]. 

Melanie & Louis sitzen währenddessen wieder im Wohnzimmer von Melanie’s Apartment und teilen sich die Wasserpfeife [„Louis and Melanie […] taking bong hits“; Skript]. Melanie zieht plötzlich über Ordell her [MELANIE: „Jetzt führt er sich auf wie der große internationale Waffenhändler. Aber damit das Ganze klar ist: Die Einzigen, an die er verkauft, sind kleine Fixer“] und schlägt sogar vor, dass sie und Louis sich Ordell‘s Geld schnappen, wenn es in L.A. angekommen ist – Louis reagiert gewohnt zurückhaltend und vermeidet es, auch nur ein schlechtes Wort über Robbie zu sagen.

Im „Cockatoo Inn“ jedoch, es ist mittlerweile Abend, fragt Louis Ordell über dessen Verhältnis zu Melanie aus und stellt ihm die Frage, ob er dieser vertraut. Ordell erwähnt kurz Simone & Sheronda, die er beide in Compton untergebracht hat, um Louis eine Art „Gesamtüberblick“ über seine „weiblichen Angestellten“ zu geben. Dann äußert Robbie sich über sein „fine little surfer gal“ [QT-Skript; gal: girl“ gleichsam mit Akzent ausgesprochen] und meint, dass ihn ihr Verhalten weder stört noch wirklich überrascht [ORDELL – im Original: „I don’t hafta trust her, I know her. […] You can’t trust Melanie. But you can always trust Melanie to be Melanie“]. Auch dass Melanie mit Louis Sex hatte, nimmt Ordell „wenig persönlich“, und er meint dazu nur grinsend: „Hoffentlich hast du dich hinterher wenigstens ein bisschen schuldig gefühlt“. Louis’ Antwort: „Hinterher schon“.

 

 

(ENDE von TEIL 1.3 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 06.05.2020)