Harrison Ford in "Frantic" (1988; Regie: Roman Polanski) oder: Warum Ford einer der sympathischsten Schauspieler der Filmgeschichte ist... (TEIL 1 - EINLEITUNG)

 

PROLOG

 

In den 90er-Jahren, genauer: in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre, bin ich, mehr durch Zufall, im TV auf eine Interviewreihe des AFI, des American Film Institutes, gestoßen, in der damals die so ziemlich größten Filmstars der Welt, wie Tom Cruise, Clint Eastwood, Tom Hanks oder Harrison Ford, vor einem Publikum interviewt wurden, das, soweit ich mich erinnern kann, aus einem Haufen Jungschauspielerinnen und Jungschauspielern bestanden hat. Die Reaktionen der sozusagen in einer Talk-Show-Atmosphäre einzeln interviewten Film-Ikonen auf dieses Publikum, das voll von Leuten war, die gewiss insgeheim alle gehofft haben, eines Tages ebenfalls so sagenhafte Karrieren in der Filmwelt hinlegen zu können, wie diese lebenden Legenden oben auf dem Podium, waren sehr aussagekräftig, nämlich in punkto Persönlichkeitsstruktur. Wobei ich, zugegebenermaßen, vergessen habe, wie Tom Cruise und Clint Eastwood sich gegenüber dem potentiellen „Nachwuchs“ verhalten haben, allerdings nicht, wie Tom Hanks und Harrison Ford agiert haben. Tom Hanks legte in seiner Sendung mehr so eine Probiert es erst gar nicht! Ihr werdet sowieso nie so berühmt wie ich!-Haltung an den Tag, die jetzt wahrlich nicht außergewöhnlich ist, aber natürlich nicht unbedingt immer sympathisch rüberkommt. Harrison Ford hingegen war, naja, nett zum Schauspieler-Nachwuchs, der mit leuchtenden Augen da auf die Bühne und auf ihr Idol starrte, drehte sich öfters zum Publikum und bezeichnete die Leute als „talented kids“ oder als „smart kids“.

Jedenfalls bestätigte dieser Auftritt Ford’s eines, was man ohnehin hätte vermuten können: Dieser Schauspieler, der, genau genommen, vor allem dank seiner „Fans“ George Lucas und Steven Spielberg, einer der kommerziell erfolgreichsten der Filmgeschichte überhaupt ist und im Übrigen sicherlich auch eine der größten Ikonen des US-Kinos, scheint auch abseits der Leinwand ein recht verträglicher Zeitgenosse zu sein, was, wie man weiß, jetzt nicht unbedingt immer dem (Super-)Star-Standard entspricht :-).

 

 

 

I

 

 […] back with the Yoda of rap/„in a spasm/your music usually has `em/but wanted for the game your enthusiasm it hasn`t/follow you must, Rick Rubin my little Padawan“/a Jedi in trainin‘, colossal brain’n, thoughts are entertainin‘/but docile and impossible to explain and, I’m also vain and/probably find a way to complain about a Picasso paintin‘/puke Skywalker but sound like Chewbacca when I talk […]

 [Auszug aus Rhyme or Reason; aus: EMINEM’s 2013er-Album The Marshall Mathers LP 2]

 

 

Natürlich ist das ganze Star Wars-Universum samt seiner wunderbaren Figuren und Konzeptionen, wie etwa Han Solo, Luke Skywalker, Prinzessin Leia, Obi-Wan Kenobi, Chewbacca, Darth Vader, Meister Yoda oder der „Macht“, wie auch der obige Ausschnitt aus einem Song meines bevorzugten Rappers EMINEM zeugt, längst ein riesiger, nicht mehr wegzudenkender Teil der gesamten Populärkultur geworden sowie des kollektiven Bewusstseins und Unterbewusstseins ganzer Generationen.

Und tatsächlich: George Lucas‘ Star Wars (Krieg der Sterne; alternativ auch: Star Wars: Episode IV - A New Hope/Eine neue Hoffnung) aus 1977, in gewisser Weise ein wilder Mix aus Science Fiction-, Western- und Soap Opera-Elementen, ist damals wie heute einfach ein sensationeller Film und hat den Begriff Blockbuster-Kino, gemeinsam mit Spielberg's legendärem Ein riesiger weißer Hai terrorisiert einen kleinen Badeort-Schocker Jaws (1975; Der weiße Hai), de facto erst erfunden oder definiert. Und wenn ich persönlich eine Liste der Filme machen müsste, die ich am alleröftesten in meinem Leben gesehen habe, so wäre Star Wars ganz oben zu finden, genauso wie etwa die beiden Star Wars-Fortsetzungen The Empire Strikes Back (1980; Das Imperium schlägt zurück; alternativ auch: Star Wars: Episode V - The Empire Strikes Back/Das Imperium schlägt zurück; Regie: Irvin Kershner) und Return of the Jedi (1983; Die Rückkehr der Jedi-Ritter; alternativ auch: Star Wars: Episode VI – Return of the Jedi/Die Rückkehr der Jedi-Ritter; Regie: Richard Marquand) oder alle Sean Connery- und Roger Moore-Bond-Filme sowie auch die ersten drei Indiana Jones-Filme und wahrscheinlich auch Rambo: First Blood Part II (1985; Rambo II – Der Auftrag; Regie: George Pan Cosmatos) und The Terminator (1984; Terminator; Regie: James Cameron).

Harrison Ford, der ganz allgemein, vom Typus, der er ist, her, am ehesten jene Filmstar-Lücke gefüllt hat, die Gary Cooper (1901-1961; sicherlich populärster Film: 1952: Fred Zinnemann’s High Noon/Zwölf Uhr mittags) hinterlassen hat, stiehlt in Star Wars, als draufgängerischer Weltraum-Pilot „Han Solo“, von Anfang an „Luke Skywalker“ Mark Hamill und „Prinzessin Leia“ Carrie Fisher (1956-2016) die Show. Und es verwundert einen heute noch ein wenig, dass Ford, geboren 1942, angesichts seines unbestreitbaren Charismas, 35 Jahre alt hat werden müssen, bis er im Filmbusiness hat durchstarten können – insofern ist er, als „Leading Man“, auch so eine Art „Spätzünder“ und eben diesbezüglich eine absolute Ausnahme, nur übertroffen von Humphrey Bogart (1899-1957), der schon 42 Jahre alt war, als er endlich mit John Huston’s The Maltese Falcon (1941; Die Spur des Falken), einem der zentralen Werke des Film noir oder eben der Schwarzen Serie, weltberühmt wurde.

Vor Star Wars, einem Film, den man rein auf der Schauspielerebene auch als Einer daraus wird zum Superstar, die anderen nicht-Film bezeichnen könnte, war Ford, der sogar mal Roadie und Kamera-Assistent bei einer Tour der legendären US-Rockgruppe The Doors war (wovon sogar noch alte Filmaufnahmen zeugen, in denen der damals völlig unbekannte Ford hinter Doors-Frontmann Jim Morrison zu sehen ist; Wenn Sie Ford genauso mögen wie ich, dann lohnt es sich auf jeden Fall, nach diesem alten Material zu suchen – ein wirklich lustiges und sehenswertes Dokument!), lediglich in dem 70er-Überraschungsgroßerfolg American Graffiti (1973) aufgefallen, einem Film, den ebenfalls George Lucas inszeniert hat. In dieser nostalgischen und amüsant-scharfsinnigen Teenager-Komödie, deren Handlung im Laufe einer einzigen Nacht im Jahr 1962 spielt, spielt Ford die wichtige Nebenrolle des Rennfahrers "Bob Falfa". Ford’s kleinere Rollen in den beiden Francis Ford Coppola-Filmen The Conversation (1974; Der Dialog) und Apocalypse Now (1979; Ford’s Aufnahmen wurden aber schon 1975/76 gedreht), also in einem heimlichen (in Wahrheit ist The Conversation mit Gene Hackman einer der besten Filme der 70er-Jahre!) und einem ganz offiziellen Meisterwerk der 70er-Jahre, blieben dagegen eher unbeachtet bzw. brachten Ford’s Karriere auch nicht wirklich voran.

Nun, George Lucas‘ Science Fiction-Meilenstein von 1977, der in der Besetzung auch solche Filmlegenden wie Sir Alec Guinness (1914-2000; spielt den alten „Obi-Wan Kenobi“) und Peter Cushing (1913-1994; spielt den bösen „Gouverneur Tarkin“) aufweist, veränderte auch für den damals hauptsächlich als Tischler und Nebenerwerbs-Schauspieler arbeitenden Ford natürlich alles, wobei sich Fans und Kritiker meist darüber einig sind, dass natürlich nicht Star Wars, sondern eigentlich The Empire Strikes Back aus dem Jahr 1980, den allerdings nicht mehr Lucas selbst, sondern Never Say Never Again (1983; Sag niemals nie)-Regisseur Irvin Kershner inszeniert hat, der beste aller bisherigen Star Wars-Filme ist. Der düstere The Empire Strikes Back, in dem die Hauptfiguren der Saga ja eine fast tragische Tiefe bekommen, ist bis heute auch mein Lieblingsfilm der Reihe geblieben, und das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass darin unser aller „Lieblings-Jedi“, nämlich „Meister Yoda“, auftaucht, eine der süßesten Film-Figuren aller Zeiten! (die ihre ganz großen Momente natürlich in den zwischen 1999 und 2005 entstandenen und von George Lucas wieder selbst inszenierten Star Wars-Prequels hat; man denke da nur an das wirklich phantastische Laserschwert-Duell zwischen Yoda und Bösewicht „Count Dooku“ Christopher Lee am Ende von Star Wars Episode II – Attack of the Clones/Angriff der Klonkrieger, dem 2002 in die Kinos gekommenen eigentlichen Meisterwerk unter den drei Prequels!)    

Und außerdem werden bereits in The Empire Strikes Back, also schon im Jahr 1980, von Darth Vader die zentralen Worte des 80er-Jahre Kinos gesprochen, die, genau genommen, auch eine der populärsten Dialogzeilen bilden, die jemals geschrieben wurden (ähnlich populär wie der berühmte -und im Deutschen letztendlich fehlübersetzte- Bogart-Trinkspruch Here’s looking at you, Kid!/Ich schau dir in die Augen, Kleines! aus Michael Curtiz‘ Casablanca von 1942):

 

I am your father.

(Ich bin dein Vater.)

 

 

 

Obwohl uns das weg von Han Solo und Harrison Ford führt, sei an dieser Stelle dennoch, und das ausnahmsweise zweisprachig, in Deutsch und in Englisch, der entscheidende Dialogteil aus The Empire Strikes Back zwischen Mark Hamill, alias „Luke Skywalker“, und David Prowse, alias „Darth Vader“ (dem aber im englischen Original der große Schauspieler James Earl Jones seine eindrucksvolle Stimme leiht!), angeführt, in dem „Lord Vader“, der ja ursprünglich „Anakin Skywalker“ geheißen hat, seinem Sohn Luke, inmitten ihres ersten Laserschwert-Duells, diese wahrlich Soap Opera-reife Wahrheit präsentiert:

 

 

DARTH VADER

 

 Wenn du nur wüsstest, welche Überlegenheit einem die dunkle Seite der Macht verleiht. Obi-Wan hat dir nie erzählt, was wirklich mit deinem Vater passiert ist.

 (If you only knew the power of the dark side. Obi-Wan never told you what happened to your father.)

 

 LUKE SKYWALKER

Er hat mir genug erzählt. Er hat mir gesagt, dass Sie ihn umgebracht haben.

(He told me enough. He told me you killed him.)

 

 DARTH VADER

 Nein. Ich bin dein Vater.

 (No. I am your father.)

 

 LUKE SKYWALKER

 Nein. Nein. Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr! Niemals!

 (No. No. That’s not true. That’s impossible!)

 

 DARTH VADER

 Erforsche deine Gefühle! Du weißt, dass es wahr ist!

 (Search your feelings. You know it to be true.)

 

 LUKE SKYWALKER

 Neeeein!

 (Noooo!)

 

 

 

Bevor es aber zu diesem denkwürdigen Moment innerhalb von The Empire Strikes Back und somit der Star Wars-Reihe kommt, sozusagen zu dem Punkt, von dem aus das ganze Star Wars-Universum zusammengehalten wird, folgt der Film abwechselnd Skywalker, der seine unter Obi-Wan Kenobi begonnene Jedi-Ausbildung bei Meister Yoda auf dem Planeten Dagobah fortführt, und Han Solo, der sich mehr oder weniger, gemeinsam mit Prinzessin Leia, seinem Wookiee-Kumpel Chewbacca sowie den beiden Robotern C-3PO und R2-D2, mit seinem Raumschiff, dem „Rasenden Falken“, ständig auf der Flucht vor den imperialen Truppen befindet. Das angriffige Endlos-Geplänkel zwischen Ford und Fisher, das ja schon im ersten Star Wars-Film begonnen hatte und das sozusagen die offensichtliche Tatsache überdeckt, dass Solo und Leia ineinander verliebt sind, findet dann in The Empire Strikes Back auch sein Ende, und zwar durch das Einfrieren von Solo in sogenanntes „Karbonit“. Kurz bevor Darth Vader also den endgültigen Befehl zum Einfrieren von Solo gibt, kommt es endlich zu dem Liebes-Geständnis, auf das die Zuseher fast 1 ¾ Filme lang gewartet haben:

 

 PRINZESSIN LEIA

Ich liebe dich.

 

 HAN SOLO

I weiß.

 

 

Apropos „Karbonit“ und Solo. Jedes Mal, wenn ich mir Return of the Jedi ansehe und es zu der Szene kommt, in der Harrison Ford von Carrie Fisher, im Palast von Solo-Gegenspieler „Jabba the Hutt“ (am ehesten noch als ein „schneckenförmiges Alien“ zu bezeichnen :-)), wieder aufgetaut wird, dann muss ich daran denken, dass die Filmwelt 1983 nicht mehr dieselbe war wie 1980, am allerwenigsten für Harrison Ford, denn der Spielberg- & Lucas-Action- und Abenteuerfilm-Meilenstein Raiders of the Lost Ark (1981; Jäger des verlorenen Schatzes; Regie: Steven Spielberg) hatte Ford zuvor endgültig in die Riege der absoluten Superstars befördert und ganz nebenbei überhaupt die Standards für Action- und Abenteuer-Filme neu definiert. Man könnte also sagen (auch wenn sich das, zugegeben, irgendwie auch leicht albern und infantil anhört :-)): Harrison Ford wurde in The Empire Strikes Back als erfolgreicher Schauspieler (und als „Han Solo“) eingefroren und in Return of the Jedi als weltweiter Superstar (und als „Indiana Jones“) wieder aufgetaut :-).

Die allerneueste Star Wars-Trilogie, bestehend bisher aus Star Wars: The Force Awakens (2015; Star Wars: Das Erwachen der Macht; Regie: J. J. Abrams) und Star Wars: The Last Jedi  (2017; Star Wars: Die letzten Jedi; Regie: Rian Johnson), kann, obwohl die Einspielergebnisse für die Macher traumhaft sind, so geht es mir persönlich jedenfalls, in keiner Sekunde die Begeisterung hervorrufen, die die drei Prequels oder gar die Ur-Trilogie zu entfachen im Stande waren. Natürlich bieten The Force Awakens und The Last Jedi, durch die erneute Beteiligung von Ford, Hamill und Fisher, einen gewissen „Retro-Touch“, und Han Solo’s Film-Tod in The Force Awakens geht jedem Star Wars-Fan irgendwie ans Herz, aber rein atmosphärisch liegen die beiden neuen Filme weit abgeschlagen hinter den vorangegangenen sechs (von den beiden Star Wars-Spin offs Rogue One: A Star Wars Story aus 2016, Regie: Gareth Edwards, und Solo: A Star Wars Story aus 2018, Regie: Ron Howard, rede ich erst gar nicht…).

Nur eines noch zum Thema Star Wars: Glücklicherweise habe ich vor circa acht bis zehn Jahren noch irgend so eine „DVD-Limited Edition“ der Ur-Trilogie ergattert, in der, neben den neu überarbeiteten Fassungen von Star Wars, The Empire Strikes Back und Return of the Jedi, welche Ende der 90er ins Kino gekommen sind, auch die Original-Kinofassungen von 1977, 1980 und 1983 enthalten sind. Die Original-Fassungen haben zwar auf DVD irgendwie lediglich VHS-Qualität, sind mir aber allemal lieber als die „neu durchnummerierten“ (ich meine dabei diesen „Episode IV-VI“-Aspekt!) Neu-Fassungen mit den Zusatz-Szenen, die kein Mensch wirklich braucht, weil sie wie Fremdkörper in den alten Filmen wirken (selbst die neu hinzugefügten Szenen zwischen Han Solo und Jabba the Hutt im 1977er-Film hätte sich Lucas eigentlich sparen können).

 

 

 

 II

 

 DR. HENRY „INDIANA“ JONES JR.

 (zu seinen Studenten während einer Vorlesung)

 Archäologie ist die Suche nach Fakten. Nicht nach der Wahrheit. Wenn Sie an der Wahrheit interessiert sind, Dr. Terry’s Philosophie-Vorlesung ist am Ende des Ganges. Also vergessen Sie die Ideen von versunkenen Städten, exotischen Abenteuern und die Welt umzugraben. Wir folgen keinen Karten zu verborgenen Schätzen und noch nie hat ein „X“ irgendwo irgendwann einen bedeutenden Punkt markiert.

 

 [aus: Steven Spielberg’s Indiana Jones and the Last Crusade/dt.: Indiana Jones und der letzte Kreuzzug; 1989] 

 

 

Stellen Sie sich vor, Tom Selleck hätte wirklich, statt Harrison Ford, die Rolle von „Indiana Jones“, dem Archäologen mit Fedora-Hut und Peitsche, der in Wahrheit genau die Dinge macht, die er in dem Zitat seinem Berufsstand abspricht, gespielt!

Dann hätten wir es mit einem „Indy“ mit Schnauzbart und dunklen Locken zu tun bekommen, sofern Selleck halt in den Filmen so ausgesehen hätte wie als Privatdetektiv „Thomas Magnum“ in der Fernsehserie Magnum, P.I. (1980-1988; Magnum) :-). Im Nachhinein echt schwer vorzustellen…

 

Irgendwann Ende der 70er-Jahre sollen, der Legende nach :-), die beiden Freunde Steven Spielberg und George Lucas an einem Strand gelegen und über ihre Zukunftspläne gesprochen haben. Wobei das eine „Hollywood-Wunderkind“, Lucas, gerade mit Star Wars den bis dato erfolgreichsten Film der Filmgeschichte abgeliefert und somit dem anderen „Hollywood-Wunderkind“, Spielberg, den Rang abgelaufen hatte, da Star Wars Spielberg's Jaws von der Spitzenposition verdrängt hatte (dasselbe Kunststück war Lucas in den ersten Monaten des Jahres 1997 noch einmal gelungen, wo die Star Wars-Neufassung Star Wars: Episode IV – A New Hope Spielberg's Jurassic Park aus dem Jahr 1993 vom Tron gestoßen hatte; danach war aber Schluss und James Cameron war dran :-), ab Dezember 1997 mit Titanic und 2009 mit Avatar/dt.: Avatar - Aufbruch nach Pandora). Spielberg jedenfalls meinte damals zu Lucas, dass er gerne irgendwann einmal einen James Bond-Film drehen würde, während Lucas davon träumte, einen Film über „einen Archäologen mit Hut und Peitsche“ zu machen. Nun, einen Bond-Film hat Spielberg bekanntlich nie gedreht, dafür aber wurde er wenig später von Lucas als Regisseur „angeheuert“, für diesen einst angedachten Ein Archäologe mit Hut und Peitsche-Abenteuer-Film!

Raiders of the Lost Ark, also, genau genommen, nicht „Jäger des verlorenen Schatzes“, wie der deutsche Verleihtitel meint, sondern eher „Plünderer der verlorenen Bundeslade“ (ich weiß allerdings nicht, ob der Film mit so einem Verleihtitel in deutschsprachigen Ländern ein Erfolg geworden wäre :-)), von 1981 gilt ja gemeinhin wirklich zurecht als einer der unterhaltsamsten Filme aller Zeiten. Er ist, bleibt man jetzt mal objektiv, sicherlich bis heute auch der beste der ganzen Indiana Jones-Serie. Der Film ist voller Highlights, ein Höhepunkt jagt sozusagen den anderen, und die Action-Sequenzen sind legendär und für sich gesehen schon „Meilensteine der Filmgeschichte“. Man denke da nur an die kultige Eingangssequenz, in der „Indy“ Harrison Ford in den 1930er-Jahren, genau: 1936, in den Urwäldern Peru’s nach einer goldenen Götzenfigur sucht, die er in einem mit zahlreichen Fallen gespickten Tempel schließlich findet und entwendet, was sogar dazu führt, dass er einer wirklich riesigen Kugel davonlaufen muss, die plötzlich im Tempel hinter ihm her rollt. Aber auch jene Sequenzen, in denen Jones einem LKW der Nazis hinterherjagt, in dem sich die „Bundeslade“ (ein mythischer Kultgegenstand des Volkes Israel, in dem angeblich die „Originalfassung“ der 10 Gebote, auf zwei Steintafeln gemeißelt, aufbewahrt wurde) befindet, und sich dann in Folge einmal in dem LKW, einmal davor, einmal dahinter, dann wieder unter dem LKW befindet, als Konsequenz seines erbitterten Kampfes mit den Nazi-Soldaten, die den LKW fahren bzw. bewachen, sind einfach nur großartig! Derartige Action-Szenen kannte man zuvor eigentlich nur aus Bond-Filmen, aber Spielberg und Produzent Lucas haben sich da selbst übertroffen und der Einfluss von Raiders of the Lost Ark auf das Kino und Action-Kino speziell der 80er war dementsprechend riesig. So ist der ganze Indien-Teil des 1983 erschienenen Roger Moore-Bond-Films Octopussy (James Bond 007 – Octopussy; Regie: John Glen) mit seinen Abenteuer-Elementen in Wahrheit eine einzige Verbeugung vor Raiders.

Der eigentliche Magic Moment dieses ersten Indiana Jones-Films ist aber natürlich jener Moment, in dem „Indy“ auf einem Marktplatz in Kairo mit einer ganzen Reihe von Einheimischen kämpft (denen es letztendlich, im Auftrag von Jones‘ Gegenspieler Belloq, gespielt von Paul Freeman, und der der Bundeslade ebenfalls hinterher jagenden Nazis, gelingt, Jones‘ Partnerin Marion Ravenwood, wunderbar tough gespielt von Karen Allen, zu entführen) und dabei irgendwann ein riesiger Mann mit Turban und Säbel auftaucht, der mit dem Säbel wild herumfuchtelt. Anstatt in den üblichen Mann gegen Mann-Fight zu gehen, zieht Ford aber nur genervt seine Schusswaffe, erschießt den Mann fast beiläufig und dreht sich gleich wieder von diesem weg. Diese praktikable „Problem-Lösung“, die sicherlich schon 1981 im Kino eine ganze Menge Zuseher zum Lachen gebracht hat, war im Drehbuch aber so ganz und gar nicht vorgesehen und ist nur entstanden, weil Harrison Ford an den Drehtagen zur Marktplatz-Szene an, naja, starkem Durchfall gelitten hat (ist wirklich kein Scherz :-)).

Zum Thema „Welcher Schauspieler kann einen Universitäts-Professor halbwegs glaubhaft rüberbringen?“ habe ich mich schon einmal in einem Artikel über Tom Hanks geäußert, aber trotzdem muss ich mich noch einmal wiederholen, denn, obwohl „Dr. Jones“ als Archäologe wahrlich ein „Praktiker“ ist, nimmt man Ford in jeder Sekunde sogar den Akademiker und Professor ab, aber eigentlich noch viel mehr, man nimmt ihm sogar auch ab, dass er sich womöglich dann irgendwann hinsetzt und ein Buch schreibt (und das ist etwas, was Tom Selleck, der wegen seines Engagements bei Magnum, P.I. für die Indiana Jones-Rolle verhindert war, vielleicht, nein - ganz sicher sogar, weniger gut rübergebracht hätte). Ford ist und bleibt für mich deshalb der beste und vor allem auch sympathischste Universitäts-Professor der Filmgeschichte!

Die Tatsache, dass Ford als Akademiker eben sehr glaubwürdig rüberkommt, hat sich auch Roman Polanski für seinen 1988 erschienenen Thriller Frantic zu Nutze gemacht, in dem Ford den Arzt Dr. Richard Walker spielt, dessen Ehefrau aus zunächst völlig ungeklärten Gründen in Paris entführt wird. Dazu aber später mehr…

 

 

 INDIANA JONES

 (zu dem Bösewicht „Mola Ram“)

 Mola Ram. Du darfst dich bereit machen, Kali zu sehen. In der Hölle!

 (Mola Ram. Prepare to meet Kali. In hell!)

 

 [aus: Steven Spielberg’s Indiana Jones and the Temple of Doom/dt.: Indiana Jones und der Tempel des Todes; 1984]

 

Niemand von den Machern scheint mittlerweile mehr Indiana Jones and the Temple of Doom aus 1984 wirklich zu mögen. Weder der Produzent Lucas, noch der Regisseur Spielberg. Letzterer schon gar nicht, denn der bezeichnet den zweiten Indiana Jones-Film sogar gern als den Film, den er am wenigsten von allen seinen Filmen mag, wobei er zumindest zugeben muss (und das auch immer tut), dass der Film ihm im privaten Bereich Glück gebracht hat, denn immerhin hat er bei den Dreharbeiten seine Noch-immer-Ehefrau Kate Capshaw kennengelernt, die in dem Werk die Tänzerin Wilhelmina „Willie“ Scott spielt, die es mit Indiana Jones nach Indien verschlägt, wo beide, samt ihres jungen chinesischen Begleiters „Shorty“ (gespielt von Jonathan Ke Quan),  in eine wahrlich blutrünstig-abgründig-bizarre Geschichte verwickelt werden, in deren Mittelpunkt die Jagd nach den sagenumwobenen „Shankara-Steinen“ (Shankara war ein Philosoph und Lehrer des Hinduismus; lebte von ca. 788 bis etwa um 820) steht. Wobei man anmerken muss, dass Kate Capshaw’s Figur der „Willie“ Scott eine wirklich schlechte Frauenfigur ist, die einem mit dem Dauergekreische, das sie in dem Film abliefern muss, schnell auf die Nerven geht und ein echter Rückschritt zu Karen Allen’s wie gesagt tough daherkommender „Marion Ravenwood“ aus Raiders of the Lost Ark ist. Kate Capshaw selbst hat im Nachhinein ihre „Willie“ Scott-Figur als „not much more than a dumb screaming blonde“ bezeichnet :-).

Aber sei’s drum: Ich selbst mochte den im Jahr 1935 (also zeitlich vor Teil 1) angesiedelten Indiana Jones and the Temple of Doom eigentlich immer schon. Er war Mitte der 80er der erste Indiana Jones-Film, den ich gesehen habe, und seine Düsternis, seine (manchmal wirklich übertriebene) Härte, sein exotisches Flair, das alles waren Dinge, die mich sofort angesprochen haben. Außerdem kommt der indische Schauspieler Amrish Puri (1932-2005) als Thuggee-Priester „Mola Ram“ (die „Thuggees“ waren eine historische Bruderschaft von religiös verbrämten Mördern und Straßenräubern) darin echt unheimlich rüber und erzeugt eine Furcht einflößende Präsenz, die den ganzen Film, der in der Tat, das muss ich zugeben, ein wenig das Potential hat, zum „idiotischen Spektakel“ zu verkommen, nochmal auf ein höheres Level befördert. Amrish Puri ist mit seiner Leistung ganz klar der beste Bösewicht in der gesamten Indiana Jones-Reihe, weit besser als „Belloq“ Paul Freeman in Raiders oder gar als „Walter Donovan“ Julian Glover in Teil 3 oder als "Irina Spalko" Cate Blanchett in dem eher durchwachsenen vierten Teil Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull (2008; Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels; Regie: Steven Spielberg). Aber ganz generell sind Spielberg die Szenen im Thuggee-Tempel phantastisch gelungen und sie sind letztendlich Ausdruck dafür, dass er zu diesem Zeitpunkt, nach E.T. the Extra-Terrestrial (1982; E.T. –  Der Außerirdische) und vor The Color Purple (1985; Die Farbe Lila), auf dem Höhepunkt seiner (Unterhaltungs-)Kunst war. Manchmal hat man bei den Tempel- und Opferungs-Szenen, die von fiebrig-meditativen Thuggee-Gesängen umrahmt werden, sogar das Gefühl, man wäre in die Alptraumwelten des niederländischen Renaissance-Malers Hieronymus Bosch (1450-1516) abgetaucht – wirklich unheimlich, aber auch beeindruckend und mitreißend!

 

 

 DR. HENRY JONES SR. (Sean Connery)

 (zu einem Nazi-Soldaten, der ihn mit einer Waffe bedroht)

 Sie Trottel! Sie glauben tatsächlich, dass mein Sohn so dämlich ist, dieses Tagebuch den weiten Weg hierher mitzunehmen?

 Du hast es doch nicht, oder?

 Nein, du hast es nicht bei dir.

 

  INDIANA JONES

 (verlegen)

 Weißt du. Ich, äh…

 

 DR. HENRY JONES SR.

 Du hast es…

 

 INDIANA JONES

 Hör zu, könnten wir später darüber reden…

 

 DR. HENRY JONES SR.

 (sichtlich erzürnt)

 Ich hätte es besser an die Marx-Brothers geschickt!

 

 [aus: Indiana Jones and the Last Crusade; 1989; Anmerkung: In dem erwähnten Tagebuch befinden sich wichtige Aufzeichnungen von Jones Sr. bezüglich der Grals-Suche]

 

 

Die Besetzung von Bond-Legende Sean Connery als Indy’s Vater „Dr. Henry Jones Sr.“ in Indiana Jones and the Last Crusade von 1989 ist sicherlich der größte Besetzungs-Coup, den Spielberg und Lucas innerhalb der Indiana Jones-Reihe gelandet haben, abgesehen natürlich von der Wahl Ford’s als Hauptdarsteller :-).

Die Wortduelle zwischen Vater und Sohn, zwischen „Jones Sr.“ und „Jones Jr.“, sind, wie man sicherlich auch aus dem obigen Zitat ableiten kann, dementsprechend zweifelsohne die Highlights dieses mehr als nur gelungenen Films, der hauptsächlich (zu Beginn sieht man ja den jungen „Indy“, gespielt von River Phoenix, im Jahr 1912 agieren) wiederum in den 30er-Jahren, genau: 1938, spielt. Die Chemie zwischen Ford und Connery ist schlichtweg phantastisch und nie hat man das Gefühl, dass man hier, was den Vater-Sohn-Aspekt betrifft, in Wahrheit an der Nase herumgeführt wird, denn Connery (Jahrgang 1930) und Ford (Jahrgang 1942) trennen bekanntlich nur 12 Jahre! Dennoch ist es heute, genauso wie damals, 1989, wo ich den Film gemeinsam mit meinem Vater in einem Grazer Kino gesehen habe, immer wieder ein großes Vergnügen, den beiden Schauspielern (die wunderbar von den Nebendarstellern „Sallah“ John Rhys-Davies und „Dr. Marcus Brody“ Denholm Elliott, die beide ja schon in Raiders of the Lost Ark mit von der Partie waren, unterstützt werden) bei ihrer Suche nach dem „Heiligen Gral“, der zentralen Reliquie des Christentums, die im Film als Kelch dargestellt wird, zuzusehen. Connery‘s überzeugende Ich bin in Wahrheit ein Bücherwurm und in die Sache nur hineingeraten-Attitüde, seine Ungeschicktheit, die seinen Sohn mehr als einmal im Film in Bedrängnis bringt, Ford’s Mischung aus Unterwürfigkeit und Sich-Behaupten gegenüber dem eigenen Vater, das alles sind Aspekte des Spielberg-Films, die wiederum meinen in einem anderen Artikel bereits geäußerten Eindruck untermauern, nämlich, dass Connery und Ford das beste und pfiffigste Vater- & Sohn-Duo der Filmgeschichte sind!

 

Und außerdem: Wer’s hinkriegt, wie Indiana Jones in der Mitte von Indiana Jones and the Last Crusade, in Berlin, auf der Suche nach dem wichtigen „Grals-Tagebuch“ seines Vaters, im Rahmen einer wirklich kühnen und amüsanten, von Spielberg und Lucas sowie natürlich von Drehbuchautor Jeffrey Boam (1946-2000; z. B. auch: 1989: Lethal Weapon 2/dt.: Lethal Weapon 2 - Brennpunkt L.A.) ersonnenen, Szene, durch reinen Zufall ein Autogramm vom „Führer“ Adolf Hitler zu bekommen und in der Folge auch noch ungeschoren davonzukommen, der ganzen dort in Berlin gerade Bücher verbrennenden Nazi-Bande zu entfliehen, dem ist ein Platz in der Filmgeschichte ohnehin sicher!

 

(ENDE von TEIL 1 des Artikels – EINLEITUNG; Fassung vom 23.08.2018)