Sylvester Stallone in "Cop Land" (1997; Regie: James Mangold) oder: Wenn Filmstars ihr Image ändern wollen... (TEIL 1 des Artikels - EINLEITUNG)

 

I

 

Gehen Ihnen auch manchmal Künstler ein wenig auf die Nerven, seien es Schauspieler oder Musiker, die um jeden Preis ihr Image oder ihren Stil ändern wollen?

 

In einer Dokumentation über Cary Grant, betitelt mit Cary Grant: The Leading Man (1988; Cary Grant –  Der Hauptdarsteller; Regie: Gene Feldman), auf die ich vor ein paar Monaten im Zusammenhang mit der Betrachtung des amüsanten Cary Grant- und Doris Day-Film-Klassikers That Touch of Mink (1962; Ein Hauch von Nerz; Regie: Delbert Mann) gestoßen bin, sagt nämlich ein Wegbegleiter Grants etwas sehr Richtiges, nämlich, dass Filmstars nur genau für das bezahlt werden, für was sie das Publikum erwiesenermaßen sehen will, für genau das eben, was ihre anziehende Wirkung auf das Publikum ausmacht. Das Luxus-Problem, dass das für Filmstars eben bedeutet, ist, dass bewusste filmische Verstöße gegen ihr Image vom Publikum oft so ganz und gar nicht goutiert werden. So musste auch einer der größten Stars der Kinogeschichte, der Leinwand-Gentleman schlechthin, „Mr. elegant & Mr. charming“ persönlich, nämlich Grant, bei seinem zwei Jahre nach That Touch of Mink in dem Film Father Goose (1964; Der große Wolf ruft; Regie: Ralph Nelson) vollzogenen Imagewechsel vom Gentlemen zum Aussteiger und Strandguträuber, zur Kenntnis nehmen, dass das Publikum diesen Bruch mit Erwartungshaltungen einfach nicht akzeptieren wollte. Für Grant gilt, im übertragenen Sinne, eben genau das, was der Regisseur Sidney Pollack irgendwann in Zusammenhang mit seinem Lieblingsstar Robert Redford gesagt hat, nämlich, dass das Publikum Redford wohl kaum als heruntergekommenen Penner oder als Fixer sehen will, wobei man sagen muss, dass Redford auch intelligenterweise nie probiert hat, solche Charaktere zu spielen :-). Im Gegenteil, gerade im Alter, etwa in Filmen wie The Horse Whisperer (1998; Der Pferdeflüsterer; Regie: Robert Redford), hat Redford jenen besserwisserischen Typus, den er ohnehin irgendwie immer gespielt hat, noch einmal zusätzlich kultiviert, mit dem Ergebnis, dass jeder, der ihm sozusagen im Film begegnet, ob Kind, Frau, Mann oder Tier, gnadenlos mit seinen (Alters-)Weisheiten belehrt wird. Achten Sie doch einfach mal drauf und Sie werden sehen, der wunderbare Robert Redford ist nicht nur einer der größten Stars der Filmgeschichte, wie eben Cary Grant, sondern auch einer der größten „Besserwisser“ :-).  

 

Die Gunst des Publikums tendenziell immer dann verloren hat zum Beispiel auch ein Jack Nicholson, an sich für lange Zeit eine der auch wirtschaftlich verlässlichsten Größen Hollywoods, wenn er in Filmen gespielt hat, in denen er nicht die Filmstar-Nicholson-typische Verrücktheit mit all ihren Zutaten, wie dem irren Grinsen etc., präsentiert hat. So ein Film war auch Sean Penns wirklich sehenswerte dritte Regiearbeit The Pledge (Das Versprechen; literarische Vorlage: Friedrich Dürrenmatt) aus 2001, in der Nicholson scheinbar ganz ohne seine sonstigen schauspielerischen Tricks agiert und somit dem atmosphärischen und ruhigen Film Luft zum Atmen lässt. Eine Menge Luft zum Atmen gab es jedoch auch in den Kinosälen, die weitgehend leer geblieben sind, was sicherlich auch daran gelegen hat, dass The Pledge nur ein Film mit Jack Nicholson war, in dem einem so rein gar nichts geboten wurde von dem, was einen sonst dazu treiben, sich einen richtigen „Jack Nicholson-Film“ anzuschauen.

Aber genau genommen ist diese amerikanische Friedrich Dürrenmatt-Verfilmung mit Nicholson in der Hauptrolle gar kein Beispiel für einen versuchten Imagewandel des Schauspielers Nicholson, sondern nur eine „Ausnahme“, eine Art „Herzensprojekt“, das sich Stars zwischendurch einmal gönnen und für das sie meist nur den Bruchteil jener Gage verlangen, die sonst üblich ist.

 

So ein „Herzensprojekt“ war zum Beispiel auch Clint Eastwoods Regie-Debüt Play Misty for Me (1971; Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten), in dem Eastwood auch die Hauptrolle spielt. Jedoch streift er in diesem Film nicht als „namenloser Fremder“ oder als Dirty Harry-ähnlicher Cop durch die Gegend, sondern spielt einen Radio-DJ, der zum Opfer einer Stalkerin wird, die bereit ist, tödlichen Ernst zu machen. Der Film ist wirklich ungewöhnlich und wirkt in manchen Aspekten wie eine Art Vorläufer von Fatal Attraction (1987; Eine verhängnisvolle Affäre; Regie: Adrian Lyne), dem berühmtesten Seitensprung-Film aller Zeiten, in dem Glenn Close Michael Douglas das Leben zur Hölle macht. Nur: Ein wirklicher Erfolg für den Regisseur und Hauptdarsteller Eastwood war er aufgrund der ungewöhnlichen Rolle, in der er sich da selbst inszeniert hat, nicht.

 

Immer noch das radikalste Beispiel für den Image-Wechsel eines Schauspielers bleibt der legendäre „psychological horror-thriller“ und Skandalfilm Peeping Tom (1960; Augen der Angst; Regie: Michael Powell) mit „Carl Boehm“ als Kameramann Mark Lewis. Dieser, wie es auf dem englischsprachigen Original-Filmplakat damals geheißen hat, „Carl Boehm“, der in Wahrheit natürlich Karlheinz Böhm war, hat mit der Darstellung eines frauenmordenden Kameramanns nicht nur sein Sissi-Film-Image erfolgreich zu Grabe getragen, sondern gleich seine ganze Schauspiel-Karriere und die Regie-Karriere von Michael Powell (z. B.: 1948: The Red Shoes/Die roten Schuhe; Co-Regie: Emeric Pressburger) gleich mit dazu.

 

Natürlich keine „serious career ending consequences“ hatten die beiden harmlosen Komödien, mit denen Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger versucht haben, ihren Ruf als „ultimative Kampfmaschinen“ ein wenig aufzulockern. Wobei Ivan Reitmans Komödie Twins (1988; Twins - Zwillinge), in der Schwarzenegger und Danny DeVito bekanntlich Zwillingsbrüder spielen, nicht nur meines Erachtens deutlich besser abschneidet als Roger Spottiswoodes Stop! Or My Mom Will Shoot (Stop! Oder meine Mami schießt!) aus 1992, in der Stallone einen Police Sergeant spielt, dessen Leben von seiner unberechenbaren und betagten Mutter (gespielt von Estelle Getty) auf den Kopf gestellt wird. Chicago Sun-Times Star-Kritiker Roger Ebert nannte Stop! Or My Mum Will Shoot schlicht und einfach „dämlich“, Rita Kempley von der Washington Post bezeichnete den dreifachen Gewinner der Goldenen Himbeere (Anm.: Die Goldene Himbeere ist eine Negativauszeichnung für schlechte Leistungen in der Filmwelt) überhaupt als „de[n] schlimmste[n] Albtraum“. Nun, ganz so drastisch fällt mein eigenes Urteil über diesen in der Tat missglückten Versuch Stallones komisch zu sein nicht aus, dennoch ist mir da die zweite Rolle, mit der er versucht hat mit seinem ewigen Rocky- & Rambo-Image zu brechen, weit lieber, nämlich die des schwerhörigen und etwas phlegmatischen Vorstadtsheriffs Freddy Heflin in James Mangolds „crime drama“ Cop Land aus dem Jahr 1997, auf das ich aber später genauer eingehe.

 

Natürlich versuchen aber nicht nur Filmstars von Zeit zu Zeit ihr hartnäckiges Image oder die Stereotypen, die man mit ihnen in Verbindung bringt, loszuwerden, sondern auch Musiker. So legte zum Beispiel die irische Super-Rock-Band U2 mit dem großartigen Album und Musikmeilenstein Achtung Baby aus dem Jahr 1991 ein Werk vor, das nicht nur mich damals, der ich seit den Alben The Joshua Tree (1987) und Rattle and Hum (1988) und seit dem Kino-Dokumentarfilm Rattle and Hum (1988; Regie: Phil Joanou) ein großer Fan der Band war, beim ersten Hören ein wenig verstört hat, da der darauf vollzogene Stilwechsel weg von den Blues-Einflüssen hin zum Industrial-Rock wahrlich radikal erschien.

 

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich ein Jahr zuvor, also 1990, als ich das zweite Solo-Album meines absoluten Lieblingssängers George Michael, nämlich Listen Without Prejudice Vol. 1, auf den Plattenspieler gelegt habe. Dieses Werk, das heute, sei es bei Fans, sei es bei der Kritik, längst vollständig rehabilitiert ist, stellte damals einen wirklich irritierenden Bruch dar, nämlich  einerseits mit dem musikalischen Stil seines berühmten Vorgängeralbums, des Multi-Millionen-Sellers Faith (1987), und andererseits mit dem Pop-Star-Superstar-Image, mit dem sich der Sänger offenbar arg herumquälte, was letztendlich auch zu dem langwierigen Streit zwischen George Michael und der Plattenfirma Sony geführt hat, die den ehemaligen Wham!-Sänger als, naja, eben globalen Pop-Super-Star behandelt und verstanden hat. Leider ist George Michael ja zu Weihnachten 2016 mit nur 53 Jahren verstorben. Für die Tatsache, dass ich ihn im Oktober 2012 in der Wiener Stadthalle, auf der Symphonica-Tour, noch live erleben durfte, bin ich heute noch dankbar...

 

 

 II

 

Ganz ehrlich: Was wären die 80er-Jahre ohne Sylvester Stallone oder auch Arnold Schwarzenegger gewesen?

 

Irgendwie nicht dasselbe! Denn: Nicht Mickey Rourke, wie es damals oft in den Medien geheißen hat, war der „Superstar der 80er“, sondern Stallone und Schwarzenegger waren die „Superstars der 80er“ und haben diesem Jahrzehnt ihren, vielleicht manchmal etwas brachialen, Stempel aufgedrückt wie keine zwei anderen Darsteller. Und jeder, der in den 80ern eine Hantel oder Gewichte auch nur angeschaut hat, hat entweder an Stallone oder an Schwarzenegger oder an beide zugleich denken müssen.

 

Die mittlerweile, rechnet man das 2015 erschienene Spin-off Creed (Creed – Rocky’s Legacy; Regie: Ryan Coogler) mit ein, und das muss man, sieben Teile umfassende Filmreihe Rocky ist vor allem ein Beleg dafür, dass Stallone durchaus ein solider Drehbuchautor und auch ein solider Regisseur ist, wobei natürlich der erste Rocky-Teil, der, schlicht mit Rocky betitelt, 1976 in die Kinos gekommen ist und, wie dann erst wieder Rocky V (1990), von John G. Avildsen inszeniert wurde, der absolute Höhepunkt der Serie bleibt und einer der wichtigsten US-amerikanischen Filme der 70er-Jahre (und das will in einem Jahrzehnt, wo die filmischen Meisterwerke scheinbar nur so aus dem Boden geschossen sind, so einiges heißen!). Alles an Rocky, dieser mitreißenden Boxer-Aufsteigergeschichte, ist Kult: Die Dialoge, der Soundtrack, die legendären Trainings-Sequenzen, die Art und Weise, wie die Stadt Philadelphia in Szene gesetzt ist. Die Magic Moments in Rocky sind so zahlreich, dass es einem schwer fällt, sie alle aufzuzählen. Zwei Momente haben jedoch absolut ikonischen Charakter, nämlich, Moment Nummer eins, als Rocky die Treppen hinauf zum Philadelphia Museum of Art läuft und dort die Arme zu der berühmten Jubelpose emporstreckt, und, Moment Nummer zwei, als Rocky nach dem Kampf gegen Apollo Creed (gespielt von Carl Weathers), halb blind von seinen im Ring erlittenen Verletzungen, lautstark den Namen seiner Verlobten Adrianna (gespielt von Talia Shire), genannt „Adrian“, ruft.

 

Hat man dem Rocky-Original schon eine gewisse Rührseligkeit und die „typisch amerikanische“ Aufsteigergeschichte bzw. Aufsteigermentalität vorgeworfen, so werden natürlich im Laufe der Filmserie die Plots immer ein wenig schwächer, das „Aufsteigergeschwätz“ immer ein wenig penetranter und die Mischung aus „Kraftmeierei“ und Sentimentalität immer dominanter. Den Vogel in dieser Hinsicht schießt hier natürlich Rocky IV (1985; Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts; Regie & Drehbuch: Sylvester Stallone) ab, der in vielerlei Hinsicht ein erstaunliches, aber auch absolut sehenswertes „Machwerk“ ist, das auch als Propagandafilm für den Kalten Krieg und für Ronald Reagans diesbezügliche Ansichten fungiert und funktioniert. Stand im Zentrum von Rocky II (1979; Regie & Drehbuch: Sylvester Stallone) noch der Rückkampf gegen Apollo Creed und ging es in Rocky III (1982; Rocky III – Das Auge des Tigers; Regie & Drehbuch: Sylvester Stallone) darum, die erlittene Schmach der Niederlage gegen den von Mr. T gespielten James „Clubber“ Lang in einem Rückkampf auszumerzen, so kämpft Rocky Balboa in Teil vier in Moskau gegen den von dem späteren B-Action-Film-Star Dolph Lundgren dargestellten Boxer Ivan Drago, der als mit Stereoiden vollgepumpte stumpfsinnige russische Kampfmaschine gezeichnet wird. Dass der Film als antisowjetischer Propagandafilm aber sein Ziel ganz und gar nicht verfehlt, zeigt die Tatsache, dass man fast nicht anders kann, als bei der Szene, in der Rocky, nach einem absurd intensiven Schlagabtausch zwischen ihm und Drago, der in der Realität wahrscheinlich gleich vier Schwergewichtsboxer ins Grab befördert hätte, die ganze antiamerikanische Stimmung im Moskauer Publikum dreht und begeisterte „Rocky! Rocky!“-Rufe erntet, eine Gänsehaut zu bekommen. Aber eigentlich ist Rocky IV eine Rache-Geschichte, die auf einem der tragischsten Momente der 80er-Jahre-Filmgeschichte (und das meine ich absolut ernst!) basiert, nämlich auf den Film-Tod von „Apollo Creed“ Carl Weathers, der von „Ivan Drago“ Dolph Lundgren in einem Schaukampf getötet wird. Rocky nimmt also, auf einer ganz persönlichen Ebene, in Moskau Rache für Creeds Tod, fungiert aber, auf einer allgemeinen Ebene, als eine die Fäuste schwingende US-Super-Waffe des Kalten Krieges, eine Tatsache, die den Film irgendwie einzigartig und vor allem auch einzigartig vergnüglich macht.

 

Ein nicht minder „treuer“ und „verlässlicher“ Begleiter durch die 80er, so wie eben Rocky Balboa, war natürlich Stallones zweite super-ikonische Rolle, nämlich die des Vietnam-Veteranen und der ultimativen „one-man-army“ John Rambo, ohne Zweifel eine Figur, der man zugestehen muss, dass sie ihren Weg ins kollektive Unterbewusstsein gefunden hat und wahrlich auch als Synonym für „eine gewisse Art, Dinge zu lösen“ gilt. Ist der erste Rambo-Teil, also First Blood (1982; Rambo; Regie: Ted Kotcheff; literarische Vorlage: David Morrell), noch ein relativ seriöser Film, der seinerzeit in Deutschland sogar mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet worden ist (der Regisseur Hans Christoph Blumenberg meinte damals ohnehin, dass First Blood ohne dem „perfiden Ende“, in dem die Anti-Kriegs-Demonstranten unterm Strich für Rambos Zusammenbruch verantwortlich gemacht werden, ein „großer Film“ hätte sein können) und letztendlich auch das traurige Dasein vieler Vietnam-Veteranen nach ihrer Rückkehr in die Heimat thematisiert, so gerät die Hauptfigur in den Fortsetzungen zu einer Art Comic-Figur, die von Stallone, ähnlich wie Rocky Balboa in Rocky IV, auch immer stärker zu einer ideologischen Waffe umfunktioniert wurde. So weit, so gut. Das Problem ist nur: Mir persönlich hat speziell Rambo: First Blood Part II (1985; Rambo II – Der Auftrag; Regie: George Pan Cosmatos) immer gefallen, in dem Stallone nach Vietnam zurückkehrt, US-Kriegsgefangene befreit und sich quasi im Nachhinein für die US-Niederlage in Vietnam rächt. Der Film ist einer meiner Allzeit-Lieblings-80er-Jahre-Action-Kultfilm-Klassiker und gehört für mich zu dem Jahrzehnt wie etwa das Album Thriller (1982) von Michael Jackson. Ein Poster zu dem Film, auf dem Stallone mit seinem Bogen und den Sprengpfeilen, mit denen er dann den Vietnamesen-Oberbösewicht ins Jenseits befördert, in der Nähe eines Wasserfalls steht, hat jahrelang, ähnlich wie das Filmplakat zu Lethal Weapon 2 (1989; Brennpunkt L.A. – Lethal Weapon 2; Regie: Richard Donner), die Wand meines Zimmers in meinem Elternhaus geziert und habe ich in einem anderen Artikel einmal gemeint, ich könne die Dialoge in dem Mel Gibson-Klassiker Lethal Weapon (1987; Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis; Regie: Richard Donner) mitsprechen, so trifft das auf jeden Fall auch auf Rambo: First Blood Part II zu.

Insofern kann ich auch nicht widerstehen, an dieser Stelle einen wirklich denkwürdigen „Gedankenaustausch“ zum Thema „John Rambo“ aus Rambo: First Blood Part II wiederzugeben, in dem der von Charles Napier gespielte Marshal Murdock seine Bedenken bezüglich Rambo zum Besten gibt, woraufhin Rambos Vertrauter und Freund sowie auch ehemaliger Vorgesetzter Colonel Trautman (gespielt von Richard Crenna) diese dann mit einer wirklich wunderbar kultigen Antwort entkräftet.

 

Nachdem sich Rambo bei einem Briefing bezüglich seiner Mission „eventuell in Südost-Asien noch vorhandene US-Kriegsgefangene aufzuspüren und nur zu fotografieren“ irgendwie uninteressiert gezeigt hat, holt Murdock Trautman also zu einem Gespräch beiseite und es entsteht folgender Dialog:

 

 

 

MARSHAL MURDOCK

 

Colonel!

 

Sind Sie wirklich sicher, dass der Mann zuverlässig ist?

 

Wir können es uns nicht leisten, jemanden einzusetzen, der vielleicht unter dem Druck in dieser Hölle zusammenbrechen könnte.

 

 

 

COLONEL TRAUTMAN

 

Druck?

 

Lassen Sie mich nur eins sagen!

 

Rambo ist der beste Front-Veteran, den ich kenne.

 

Eine fehlerfreie Kampfmaschine mit nur einem Gedanken: Einen Krieg zu gewinnen, den andere schon verloren haben.

 

Und wenn gewinnen sterben heißt, dann würde er auch das, ohne nachzudenken und ohne Angst.

 

Ach so, nur noch eine Sache.

 

Was Sie vorhin Hölle nannten, nennt er sein Zuhause.

 

 

 

Wenn Sie sich jetzt in Zusammenhang mit diesem Dialog denken Das ist so etwas von übel klischeehaft, chauvinistisch und auch irgendwie dumm!, so mögen Sie recht haben, nur mir ist ein Film, der als Gesamtes ein Klischee ist, wie Rambo: First Blood Part II, oft weit lieber als zum Beispiel ein Werk wie John McTiernans Die Hard (1988; Stirb langsam), das eigentlich ein wirkliches Action-Film-Meisterwerk wäre (für einige Fans und Kritiker sogar überhaupt der „perfekte Film“), bei dem ich aber ein entscheidendes Detail als absolut störend empfinde, nämlich die Darstellung der FBI-Agents als „Ober-Blödmänner“, eine inszenatorische Entscheidung, die das gesamte letzte Drittel des Films qualitativ beeinträchtigt. Ein weiterer Film, der übrigens als Gesamtes ein einziges Klischee ist, aber immer wieder unerhört Spaß macht, ist der Nora Ephron-Klassiker Sleepless in Seattle (1993; Schlaflos in Seattle) mit Tom Hanks und Meg Ryan.

 

Teil drei und Teil vier der Rambo-Quadrilogy, betitelt schlicht mit Rambo III (1988; Regie: Peter MacDonald) und John Rambo (2008; Regie: Sylvester Stallone), haben nicht ganz das Kultpotential von Teil eins oder gar Teil zwei. Rambo III, für den sich Stallone, zehn Jahre bevor das in Hollywood bei den größten Box Office-Stars so üblich war, die Gage von 20 Millionen Dollar zugebilligt hat, kann man sicherlich die törichte antirussische Propaganda vorwerfen, die einem beim Betrachten des Films, im Gegensatz zu Rocky IV, aber keinerlei Spaß macht. Grundsätzlich gibt es aber eine Menge komischer Szenen in Rambo III, in dem sich die Hauptfigur bekanntlich in den Afghanistan-Konflikt einmischt, nur fürchte ich, dass keine davon ursprünglich komisch gemeint war :-).

 

Ein viel sehenswerterer und würdigerer Ableger der Film-Serie ist da schon John Rambo, ein Film, der es 2008 sogar geschafft hat, mich noch einmal in eine Kino-Spätvorstellung zu locken, und das ist etwas, was ich seit 1995, zu Pulp Fiction-Zeiten, nicht mehr gemacht habe. John Rambo besticht durch seine hervorragende Kameraarbeit und durch den hervorragenden Schnitt, und nicht durch die „Gewaltpornographie“, welche die Chicago Sun-Times dem Film vielleicht sogar zurecht vorgeworfen hat. Am beeindruckendsten bleibt für mich aber die herrlich schlechte Laune der Hauptfigur, denn dieser vierte Rambo-Teil kann für sich locker in Anspruch nehmen, derjenige Film der Filmgeschichte zu sein, in dem die Hauptfigur die schlechteste Laune überhaupt hat :-). Mit Stallone aufnehmen kann es in dieser Hinsicht wohl nur der gealterte „Luke Skywalker“ Mark Hamill in Star Wars: The Last Jedi (Star Wars: Die letzten Jedi; Regie: Rian Johnson) aus 2017.

 

 

Die City Cobra - Der City Hai - City Wolf.

1986 hatten die deutschen Verleihfirmen wohl ein besonders kreatives Jahr und man könnte 1986, was die deutschen Verleihtitel einiger Actionfilme anbelangt, ohne weiteres als das „City-Jahr“ der Filmgeschichte bezeichnen. Allerdings: Alle drei genannten Filme sind irgendwie Klassiker, wenngleich auf ganz unterschiedlichen Ebenen.

 

So ist Raw Deal (Der City Hai; Regie: John Irvin) ganz sicher nicht der beste Schwarzenegger-Film der 80er, denn das sind immer noch – natürlich - The Terminator (1984; Regie: James Cameron) und Predator (1987; Regie: John McTiernan), aber der Film, in dem Schwarzenegger einen Cop spielt, der undercover in Mafia-Kreisen ermittelt, hat eine sehr spektakuläre Schluss-Schießerei, in der Schwarzenegger fast so schön mit seinen Gegnern aufräumt wie ein Jahr zuvor in Commando (1985; Das Phantom-Kommando; Regie: Mark L. Lester).

John Woos A Better Tomorrow (City Wolf), mit Ti Lung sowie dem leider 2003 freiwillig aus dem Leben geschiedenen Leslie Cheung und mit Chow Yun-Fat, gehört zu einer völlig anderen Klasse von Film und gilt als einer der besten chinesischen Filme aller Zeiten und als der chinesische Action-Klassiker jenseits des Kung Fu-Film-Genres. Nur: Ich persönlich habe mit diesem Film, der sogar eine eigene filmische Stilrichtung begründet hat, „Heroic Bloodshed“ genannt, wie mit fast allen John Woo-Filmen, so meine Schwierigkeiten. Was soll ich sagen: Ich bin mir seiner Bedeutung absolut bewusst, aber er gefällt mir einfach nicht, heute genauso wenig wie damals in den 80ern. Ähnlich wie mit A Better Tomorrow ergeht es mir aber auch mit einem Film wie Clint Eastwoods hochgelobten aber aus meiner Sicht völlig überbewerteten Oscar-Film Million Dollar Baby (2004) oder mit einem Musik-Album wie dem legendären Pet Sounds (1966) von den Beach Boys, das regelmäßig ganz vorne auf allen Bestenlisten zu finden ist.

 

Cobra (Die City Cobra), der wiederum, wie Rambo: First Blood Part II, von George Pan Cosmatos inszeniert wurde und zu dem Sylvester Stallone das Drehbuch geschrieben hat, ist natürlich in erster Linie ein 80er-Jahre Action-Machwerk der Sonderklasse (so wie viele von dem Cannon Films Team Menahem Golan & Yoram Globus produzierte Filme, man denke da nur an Sam Firstenbergs American Ninja/dt.: American Fighter mit Michael Dudikoff aus 1985 oder an den von Menahem Golan persönlich inszenierten The Delta Force/dt.: Delta Force mit Chuck Norris aus 1986), das aber, zumindest mir, ähnlich Spaß macht wie eben der zweite Rambo-Teil. Allein Stallones Aufmachung in dem Film ist einfach Kult: Sonnenbrille, schwarze Handschuhe (die er auch bei sich zu Hause nicht auszuziehen scheint) und in der ausgewaschenen Jeans-Hose immer seine mit dem Bild einer Cobra versehene Schusswaffe. Am kultigsten ist aber der Name der Filmfigur, der Name dieses, wie es in dem Film einmal heißt, Cops aus der „Zombie-Abteilung“, den sich da Stallone als Drehbuchautor zugedacht hat: Marion Cobretti.

Ein besonderer Aspekt des Films ist auf jeden Fall auch, dass Stallone in Cobra, wie übrigens schon in Rocky IV, mit seiner späteren Frau Brigitte Nielsen vor der Kamera steht, was dem Film einen besonderen Reiz verleiht, denn rein schauspielerisch betrachtet, so rein objektiv meine ich, befindet wir uns mit den darstellerischen Leistungen Stallones als „Marion Cobretti“ und Nielsens als „Ingrid Knudsen“ natürlich im Schauspiel-Nirvana, eine Tatsache, die den berühmten US-Showmaster David Letterman seinerzeit dazu bewogen hat, in Anlehnung an den Slogan des Films „Crime is a disease. He’s the cure.“, zu meinen „Stallone is a disease. Acting lessons are the cure“.

 

Wobei auch hier wiederum gilt: Stallone macht auch in Cobra nur das, wofür ihn seine Fans geliebt haben (und immer noch lieben) und wofür er als Filmstar seinerzeit sagenhaft (über-) bezahlt wurde!  

Wie auch bei Rambo: First Blood Part II kann ich nicht umhin, einen Dialog aus Cobra wiederzugeben, denn Cobra ist, genau genommen, voll von Stallone-Aussagen, die es wert sind, zitiert zu werden (Stallone spricht natürlich, wie immer, nur das „Aller-Nötigste“ in dem Film, aber das, was er sagt, ist auch nach 32 Jahren, die seit dem Erscheinen des Films vergangen sind, immer noch ein großes Vergnügen!).

 

Bevor der Cop Marion Cobretti, von allen „Cobra“ genannt, den „Supermarket Killer“ (gespielt von Marco Rodriguez) tötet, der zu Beginn des Films ein Massaker in einem Einkaufszentrum anrichtet und der auch zu der mordenden Bande gehört, die, von dem so genannten „Night Slasher“ (mit wirklich einschüchternder physischer Präsenz dargestellt von Brian Thompson; die Namensgebung „Night Slasher“ ist natürlich angelehnt an den realen Fall des Serienmörders Richard Ramirez, den man den „Night Stalker“ nannte) angeführt, Los Angeles terrorisiert, kommt es noch zu folgendem Dialog:

 

 

 

„COBRA“

 

Und jetzt ganz ruhig, Amigo.

 

Willst du reden?

 

Wir reden.

 

Bin immer für eine kleine Unterhaltung.

 

 

 

SUPERMARKET KILLER

 

Wer will denn mit dir reden?

 

Die Leute vom Fernsehen sollen kommen.

 

Und zwar sofort!

 

Die sollen alles miterleben.

 

 

 

„COBRA“

 

Geht leider nicht.

 

 

 

SUPERMARKET KILLER

 

Warum nicht?!

 

 

 

„COBRA“

 

Ich verhandle nicht mit Psychopathen.

 

Ich räum sie aus dem Weg.

 

 

 

SUPERMARKET KILLER

 

Ich bin kein Psychopath!

 

Vor dir steht ein auserwählter Jäger.

 

Ich bin der Held der neuen Welt!

 

 

 

„COBRA“

 

Du bist eine Krankheit.

 

Und ich die Medizin.

 

 

Der allerbeste Film, den Stallone in den 80ern gemacht hat, und das meine ich jetzt wirklich einmal abseits solcher Kategorien wie „kultig“ oder dergleichen und ganz auf die tatsächliche filmische Qualität bezogen, war aber der „crime-thriller“ Nighthawks (1981; Nachtfalken; Regie: Bruce Malmuth). Wobei weder Stallone noch Billy Dee Williams (durch die Rolle des Lando Calrissian in zwei Star Wars-Filmen eigentlich auch weltberühmt) den Film, der sich, aus heutiger Sicht, auf fast visionäre Weise mit dem Thema „urban terrorism“ auseinandersetzt, tragen, sondern der Niederländer Rutger Hauer, der als Terrorist „Wulfgar“ in Nighthawks sein eindrucksvolles US-Debüt gegeben hat. Selbst Stallone hat in einem Interview aus dem Jahre 1993 zugeben müssen, dass Hauer die eigentliche Trumpfkarte des Films war: Rutger Hauer’s performance held it together – he was an excellent villain.

 

Ein Highlight aus den 1980er-Jahren muss ich aber auch noch erwähnen, wobei ich hier ganz und gar nicht den gesamten Film Tango & Cash (1989; Tango und Cash; Regie: Andrei Konchalovsky) meine, im Übrigen ein „buddy cop action comedy“-Ableger mit Stallone und Kurt Russel im Geiste von 48 Hrs. (1982; Nur 48 Stunden; Regie: Walter Hill) und vor allem Lethal Weapon, der aber nicht annähernd an diese Vorbilder heranreicht, sondern vor allem einen Magic Moment, der gleich zu Beginn des Films vorkommt. Gemeint ist hier die Szene, in der Stallone, dabei cool seinen Revolver ladend, mitten auf der Straße auf einen herannahenden LKW wartet, in dem sich zwei Gauner befinden, dann auf diesen LKW schießt, mit der Konsequenz, dass die beiden Gauner beim Abbremsen durch die beschädigte Frontscheibe hinaus und vor „Ray Tango“ Stallone auf die Straße stürzen. Die Szene ist natürlich fast eine 1:1-Kopie der berühmten Szene aus Jackie Chans Action-Meilenstein Police Story (1985; Regie: Jackie Chan), mit dem Unterschied, dass Chan dort auf diese Weise einen Bus mit Gangstern zum Anhalten zwingt.  Aber lassen wir das Wort „Kopie“ hier mal beiseite und sehen die Szene einfach als Reminiszenz einer Action-Ikone an die andere.

 

(ENDE von TEIL 1 des Artikels; Fassung vom 06.06.2018)