Daniel Craig in "Spectre" (2015; Regie: Sam Mendes): "Wie ein Flugdrachen in einem Hurricane" oder: Warum Craig's vierter Bond-Film in Wahrheit sein bester ist... (TEIL 2 - Fortsetzung EINLEITUNG)

 

II

 

 CAMILLE (Olga Kurylenko)

 Sie haben etwas erschreckend Effizientes an sich.

 

 

  JAMES BOND (Daniel Craig)

 War das ein Kompliment?

 

 (aus: Marc Forster’s James Bond-Film Quantum of Solace; 2008)

 

 

Dieses Zitat aus dem grimmig-rabiaten „Bond-Quickie“ Quantum of Solace, dem kürzesten Bond-Film aller Zeiten, inszeniert von Monster’s Ball (2001)-Regisseur Marc Forster, könnte die Sache nicht besser auf den Punkt bringen: Daniel Craig gibt Bond als reichlich effiziente „Kampfmaschine“ mit zeitweiliger Terminator-Attitüde, wenngleich er dann auch wieder mehr Gefühl zeigen darf als sämtliche seiner Vorgänger.

Bevor aber Craig das schwierige Bond-Zepter von Pierce Brosnan übernehmen durfte und sich, neben Quantum of Solace, auch durch die weit epischer angelegten Filme Casino Royale, Skyfall und Spectre berserkerte, litt die Bond-Serie über zwei Jahrzehnte ein wenig an einer Post-Connery-Depression.

 

Genauso wie es „in“ ist, Spectre nicht gut zu finden, ist es leider irgendwann „in“ geworden, Roger Moore als James Bond nicht gut zu finden und seinen Beitrag zu der Film-Serie, der, allein schon kommerziell betrachtet, riesig ist, reichlich unreflektiert abzuwerten. Auch der große Sean Connery hat sich diesem „Roger Moore-Bashing“ nie angeschlossen und war stets der Meinung, dass Roger Moore, der Bond schließlich in sieben Spielfilmen (von 1973-1985) verkörpern durfte und der sicherlich von seinem ganzen Aussehen her grundsätzlich etwas eleganter rüberkommt als Connery, für die Rolle des James Bond weit besser passt als er selbst. Ich persönlich konnte dieses ganze Moore-Bashing ohnehin nie verstehen, denn Moore war schließlich der Bond, mit dem ich aufgewachsen bin. Für mich war in den 80ern einfach Roger Moore „James Bond“, Punkt, und ich musste mich jahrelang erst davon überzeugen lassen, dass eigentlich Sean Connery der beste 007-Darsteller war.

Moore’s erster Bond-Auftritt ist auch gleichzeitig sein bester. Live and Let Die (James Bond 007 - Leben und sterben lassen; Regie: Guy Hamilton) von 1973 ist für mich einer der unterhaltsamsten Filme aller Zeiten. Und wenn man nicht mit solchen Superlativen arbeiten möchte, dann ist er zumindest der unterhaltsamste Sonntagnachmittags-Film überhaupt :-). Die ganzen Blaxploitation- (Anmerkung: „Blaxploitation-Filme“ sind aus der Sicht von Afroamerikanern gedrehte „Exploitation-Filme“, eine Umschreibung für Billigproduktionen mit expliziten Darstellungen) und Voodoo-Elemente darin machen großen Spaß, genauso wie die berühmte Verfolgungsjagd mit Booten durch diverse Bayous (US-Südstaaten-Bezeichnung für  langsam fließende oder stehende Gewässer) in Louisiana. Moore, der stets ein angenehm „leichter“, mit Augenzwinkern agierender Bond war, wirkt in Live and Let Die, zu dem der „Beatles-Bassist“ :-) Paul McCartney mit seiner damaligen Band Wings den gleichnamigen Titelsong beigesteuert hat, irgendwie frisch und unverbraucht, viel frischer und unverbrauchter als Connery in dem seltsamen Diamonds Are Forever, und dies, obwohl Moore sogar zwei Jahre älter als der 1930 geborene Connery war.

Neben Live and Let Die, den ich, gemeinsam mit Dr. No, From Russia with Love, Thunderball und Spectre, zu meinen absoluten Lieblings-Bond-Filmen zähle, habe ich aus der Roger Moore-Ära aber immer auch den herrlichen Over the Top-James Bond im Weltraum-Bond-Film Moonraker (1979; James Bond 007 – Moonraker; Regie: Lewis Gilbert) geschätzt, weit mehr sogar, als den stets als „besten Moore-Bond“ bezeichneten The Spy Who Loved Me (1977; James Bond 007 – Der Spion, der mich liebte; Regie: Lewis Gilbert) oder weit mehr als den tendenziell gelobten James Bond wieder zurück auf Mutter Erde-Bond-Film For Your Eyes Only (1981; James Bond 007 – In tödlicher Mission; Regie: John Glen).

 

Die Bond’sche Post-Connery-Depression hat aber bekanntlich so richtig wieder bei Timothy Dalton zugeschlagen, der ab 1987, ab dem sogar durchaus gelungenen The Living Daylights (James Bond 007 – Der Hauch des Todes; Regie: John Glen), zu Monty Norman’s legendärem James Bond Theme auflaufen durfte, zu einer der berühmtesten Musikuntermalungen der Filmgeschichte.

Dalton ist ein guter Schauspieler, gar keine Frage, aber „James Bond“ ist er irgendwie keiner, denn er hat weder Connery‘s Raubtier-Charme noch Moore‘s augenzwinkernde Lässigkeit. Wenngleich man sagen muss, dass Dalton’s zweiter und letzter Bond, der oft grausam unterbewertete Licence to Kill (1989; James Bond 007 – Lizenz zum Töten; Regie: John Glen), mit seiner kompromisslosen Härte und Brutalität, sogar so etwas wie der Vorläufer zu den Daniel Craig-Bonds ist. Ich persönlich mag Licence to Kill eigentlich, bin mir aber bewusst, dass das Fehlen jeglicher „Bond-Ironie“ gepaart mit typischer „80er-Jahre-Brutalität“ und „Miami Vice-Charme“ nicht unbedingt das Rezept ist, aus dem wirklich erfolgreiche Bond-Filme entstehen.

 

Der Vorwurf an die Bond-Filme mit Pierce Brosnan war ein wenig derselbe wie der Vorwurf, den man den 90er-Jahren ganz allgemein stets gemacht hat, nämlich den der „Oberflächlichkeit“ und „Belanglosigkeit“.

Die Zeitschrift Cinema, die, das muss man ihr lassen, immer Pro-Daniel Craig war, und zwar von Anfang an, hat 2006, anlässlich der Premiere von Casino Royale, alle Bond-Darsteller noch einmal einer Bewertung unterzogen. Dass Connery dabei selbstverständlich die „Nummer 1“ war, ist klar, ebenso, dass Roger Moore’s Leistung natürlich wieder mal nur als „mittelmäßig“ bezeichnet wurde. An Dalton wurde dessen angeblich „Nicht-James Bond-würdiges“ Aussehen kritisiert. Pierce Brosnan wurde eher so als „In Ordnung-Bond“ bezeichnet, aber als vielleicht „ein wenig zu gelackt“.

Nun, ich weiß nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich persönlich habe nichts dagegen, dass ein Schauspieler gut aussieht, so wie das bei Pierce Brosnan halt zweifellos der Fall ist :-). Schließlich sind wir hier nicht beim österreichischen Film, von dem irgendjemand, ich weiß wirklich nicht mehr wer, wahrscheinlich war’s ein Kabarettist, mal gesagt hat, dass darin stets hässliche Leute hässliche Dinge in hässlicher Umgebung tun :-).

Brosnan, von dem ich schon seit der TV-Mini-Serie Noble House (1988; Regie: Gary Nelson), einer James Clavell-Verfilmung, ein Fan bin und von dem ich der Meinung bin, dass er in Summe leider viel zu wenige gute Filme (Anmerkung: Ein guter Film mit Brosnan wäre zum Beispiel John McTiernan’s 1999er-Remake des Steve McQueen-Norman Jewison-1968er-Klassikers The Thomas Crown Affair/dt. Titel: 1968: Thomas Crown ist nicht zu fassen/1999: Die Thomas Crown Affäre; während McQueen und Faye Dunaway damals den bis dato längsten Kuss der Filmgeschichte hingelegt haben, der 55 Sekunden dauerte, haben Brosnan und Rene Russo im Remake wohl eine der besten Liebesszenen der Filmgeschichte hinbekommen) hat drehen dürfen, gehört nicht nur zu der Kategorie „intelligente Filmstars“, sondern er verfügt auch über eine der coolsten und besten Sprechstimmen überhaupt. Mein Tipp: Sehen Sie sich seine Bond-Filme doch am besten in Originalsprache an, dann werden Sie sich meiner Meinung bestimmt anschließen!

 

Alle vier Brosnan-Bonds machen in etwa gleich viel Spaß. Brosnan hat es auf jeden Fall geschafft, der Film-Serie wieder das „Bond-Feeling“ zurückzugeben, das man mit Timothy Dalton und speziell mit Licence to Kill ein wenig an die Wand gefahren hatte.

GoldenEye (1995; James Bond 007 – GoldenEye), der von Casino Royale-Regisseur Martin Campbell inszenierte Brosnan-Einstand, glänzt mit einer großartig-spektakulären Eröffnungssequenz, nämlich mit Bond’s „Bungee-Jump“ von der Staudamm-Mauer – atemberaubend! Vergleichsweise atemberaubend ist allerdings auch die epische und denkwürdige Verfolgungsjagd zwischen Daniel Craig und einem farbigen Bombenleger in Madagaskar, in die uns Campbell am Beginn von Casino Royale schickt. Der neuseeländische Regisseur scheint also wahrlich ein Garant für unvergessliche Eingangs- oder Eröffnungs-Szenen in Action-Filmen zu sein. Sehenswert an GoldenEye ist aber vor allem auch die Niederländerin Famke Janssen als fiese Killerin „Xenia Onatopp“, die bei jeder Tötung so agiert, als würde sie gerade sexuelle Erfüllung erleben :-).

Während viele Tomorrow Never Dies (1997; James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie; Regie: Roger Spottiswoode) für den besten Brosnan-Bond halten, tendiere ich selbst, wenn es darum geht, den besten Bond mit Brosnan zu wählen, eher zu The World Is Not Enough von 1999, da Brosnan hier schlicht und einfach endgültig in seine Bond-Rolle gefunden hat und der Film über einige wirkliche Action-Highlights verfügt. Gemeint ist hier vor allem die grandiose Boots-Verfolgungsjagd zu Beginn, die Bond vom MI6-Gebäude weg und gefühlt durch halb London bis zur O2-Arena (damals noch "Millennium Dome" genannt) in Greenwich führt. Aber noch viel besser ist die eigentliche Eröffnungssequenz des Filmes gelungen, die den Machern aber dann als „zu unspektakulär“ vorgekommen ist und eben durch die Verfolgungsjagd mit Booten quer durch London ergänzt wurde (insofern ist The World Is Not Enough auch ein Bond-Film, der einzige, mit zwei richtigen Eröffnungsszenen). In dieser „Eröffnungsszene Nr. 1“ trifft sich Bond, einen wichtigen Geldkoffer bei sich tragend, mit einer Reihe von Männern in einer Schweizer Bank im spanischen Bilbao und will im Prinzip die Hintergründe der Ermordung eines anderen MI6-Agenten erfahren. Es entsteht ein zunehmend unfreundlicher geführter Dialog zwischen Bond und dem Chef-Banker (gespielt von Patrick Malahide), der folgenden Höhepunkt hat:

 

 

 

BANKER

 Ich biete Ihnen die Chance, das Büro mit dem Geld zu verlassen, Mr. Bond.

 

 

 JAMES BOND

 Ich biete Ihnen die Chance, das Büro lebendig zu verlassen.

 

 

Das absolut Großartige im weiteren Verlauf der Szene ist aber dann Pierce Brosnan’s „Killer-Blick“, den er plötzlich aufsetzt, als er einen der Sicherheitsmänner des Bankers erschießt. Das ist der Moment, in dem mich Brosnan als Bond sozusagen dann endgültig hatte, der mich, als großem Fan der Bond-Film-Reihe, davon überzeugte, dass Brosnan wirklich ein sehr guter James Bond ist, der aber in dem Getöse und Hype um Daniel Craig leider fast schon wieder vergessen wurde.

 

Seltsam. Bisher immer noch kein Wort über „M“ oder "Miss Moneypenny"?

Sollte Ihnen dieser Gedanke bereits gekommen sein, so kann ich das nur zu gut verstehen :-).

Über Miss Moneypenny, die in Bond irgendwie verliebte Sekretärin von Geheimdienstchefin/Geheimdienstchef „M“, werde ich mich noch im dritten Teil dieses Artikels etwas eingehender äußern.

Was „M“ betrifft, so ist natürlich Judi Dench untrennbar mit den Brosnan- und Craig-Bond-Ären verbunden, so wie der unvergessene Bernard Lee (1908-1981) mit der Ära von Connery und größtenteils auch mit der von Roger Moore.

Schon bei Brosnan agiert Dench als eine Art „Macho-Regulativ“, das diesem „Relikt aus dem Kalten Krieg“, das Bond nun einmal ist, durchaus kritisch gegenübersteht. Alles andere wäre ein dem mittlerweile veränderten Zeitgeist ohnehin völlig entgegentretender Ansatz gewesen, der einem wahrlich auch etwas seltsam vorgekommen wäre :-).

So muss Bond sich von Judi Dench’s „M“-Figur so einiges anhören, das nicht immer schmeichelhaft ist, so wie zum Beispiel in der folgenden „Persönlichkeitsanalyse“ aus Casino Royale:

 

 

 M

 Bond.

 Das mag für eine Waffe auf Beinen zu schwer zu verstehen sein.

 Aber: Arroganz und Selbsterkenntnis gehen nicht oft Hand in Hand.

 

 

Dench ist eine strenge, im Notfall, wie man aus Skyfall weiß, eben auch über die Leichen der eigenen Agenten gehende, „M“, die aber zu Bond einen ganz speziellen Draht hat, anders als der angesichts von 007’s Verhalten immer nur die Augen überdrehende Bernard Lee :-). Sie wird als jemand gezeigt, und das speziell in der Daniel Craig-Ära, der weiß, wer Bond ist und was für Schattenseiten dessen Persönlichkeit zwangsweise mitbringt, der aber auch weiß, was sie an Bond hat…

 

 

(ENDE von TEIL 2 des Artikels - Fortsetzung EINLEITUNG; Fassung vom 06.08.2018)