Ausschnitt aus "NO PULP IN THE FICTION" (Buch; 2020): Kapitel "KILL BILL - Volume 1" (Teil 3.2 & 4[von 4])

 

Einfach wunderschön. Als würde man in eine andere Zeit versetzt 

 

(Lucy Liu über die „Bambus-Wasserwippe, die wie ein Metronom funktioniert“, welche den „final battle“ zwischen der „Braut“ & „O-Ren Ishii“ quasi im Hintergrund begleitet und der Kampfszene in der Tat zusätzlich eine unvergleichliche Atmosphäre beschert; Quelle: Doku „Tarantino – The Bloody Genius“; Metronom – die „Wikipedia“-Erklärung: „[…] ein mechanisches oder elektronisches Gerät, das durch akustische Impulse in gleichmäßigen Zeitintervallen ein konstantes Tempo vorgibt“)

 

 

 

THE BRIDE

You and I have unfinished business. And not a goddamn fuckin thing you’ve done in the subsequent five years - including getting knocked up[to knock up: schwängern] - is going to change that.

 

(aus: Kill Bill – Volume 1; Text gemäß QT-Skript; Version der dt. Synchro: „Du weißt, dass wir noch `ne offene Rechnung haben, OK. Und keine gottverdammte, abgefuckte Nummer, die du in den letzten Jahren durchgezogen hast, -nicht mal, wenn du schwanger wärst-, könnte daran was ändern.“; „The Bride“ Uma Thurman erinnert „Vernita Green“ Vivica A. Fox daran, dass auch die Tatsache, dass sie nun offenbar Mutter ist, so rein gar nichts zwischen den beiden ändert; Anmerkung: Einige Zeit lang kursierten Gerüchte, dass Tarantino einen dritten Kill Bill – Teil drehen möchte – und in diesem Zusammenhang wurde auch festgehalten, dass QT -rein theoretisch- bereits in Volume 1 einen möglichen Grundstein dafür gelegt hat, indem er mit der „Vernita Green“ alias „Jeannie Bell“-Tochter „Nikki Bell“, die ja schließlich Zeugin davon wird, dass die „Braut“ ihre Mutter getötet hat, einen potentiellen neuen „Rache-Engel“ geschaffen hat, der dann in „Volume 3“ folglich der „Braut“ nach dem Leben trachten könnte)

 

 

 

Filme mit knallharten Frauen sind wirklich `in` heutzutage

 

(Vivica A. Fox im Kill Bill-Making-of „Die Ästhetik der Rache“ über den „Girl Power“-Trend im Kino, den QT seinerzeit mit seinen Kill Bill-Filmen entscheidend mitinitiiert hat)

 

 

 

EVIL WOMAN, DON’T PLAY YOUR GAMES WITH ME“ (Titel eines Songs von Black Sabbath aus 1970, also aus den Ozzy Osbourne-Jahren der Band) – Nun, „Die Braut“ bekommt es in Kill Bill – Volume 1 in der Tat mit einer ganzen Reihe von interessanten Gegnerinnen aus den Reihen der „Tödlichen Vipern“ und der „Verrückten 88“ zu tun (Anmerkung: Auf die von Daryl Hannah gespielte „Elle Driver“ gehe ich dann erst im Kapitel über Kill Bill – Volume 2 ein, da die „California Mountain Snake“ Driver in Teil 2 eine weit wichtigere Rolle als in Teil 1 spielt).

Die „Queen of Crime in Tokyo“, „O-Ren Ishii“, die als Mitglied von Bill’s Attentatskommando „Tödliche Viper“ noch den Code-Namen „Cottonmouth“[„Baumwollmund“; US-Bezeichnung für die Wassermokassinotter, auch Baumwollschlange genannt] trug, wird von der US-amerikanischen Schauspielerin Lucy Liu verkörpert, die im Laufe ihrer Karriere auch immer wieder in großartigen TV-Produktionen zu sehen war, wie in der seinerzeit äußerst innovativen Anwalts-Serie Ally McBeal (1997-2002; Hauptrolle: Calista Flockhart; Liu spielte die Figur der „Ling Woo“) oder der vor allem atmosphärisch sehr gelungenen Krimi-Serie Elementary (2012-2019), in welcher Liu sozusagen einen „weiblichen Dr. Watson“ spielt, nämlich „Dr. Joan Watson“, eine ehemalige Chirurgin und Suchtberaterin, die sich schließlich dafür entscheidet, an der Seite von Sherlock Holmes (gespielt von Jonny Lee Miller) in New York rätselhafte Kriminalfälle zu lösen.

Eigentlich sollte „O-Ren Ishii“ von einer „Vollblutjapanerin“ (QT) und somit von einem „Star aus Japan“ gespielt werden, aber Tarantino fand dann Liu’s Leistung in dem Jackie Chan & Owen Wilson-Western-Komödien-Vehikel Shanghai Noon (2000; Regie: Tom Dey) äußerst ansprechend, in dem Liu die Rolle der „Kaiserlichen Prinzessin Pei Pei“ spielte. QT machte in der Folge dann aus „O-Ren“ jene interessante chinesisch-amerikanisch-japanische „mixture“, die eben dennoch Tokyo’s Unterwelt beherrscht. 

Lucy Liu über die „Geisha figurine O-REN, die am Ende im „schneebedeckten japanischen Garten“ dann ihre Geisha-Schuhe auszieht und den Tod im Schwertkampf gegen das „tall western girl in yellow sneakers THE BRIDE/BEATRIX KIDDO findet: „O-Ren Ishii ist eine Überlebenskünstlerin. Sie ist eine Frau, die wohl nicht friedlich an Altersschwäche sterben würde. Und es ergibt Sinn, dass sie am Ende vom Hattori Hanzo-Schwert getötet wird“ (Quelle: „Tarantino – The Bloody Genius“).

Als O-Ren Ishii’s verrückter und Meteorhammer-schwingender junger weiblicher „Bodyguard in Schuluniform“, „Gogo Yubari“, brilliert die Japanerin Chiaki Kuriyama (Jahrgang 1984). Sie war Tarantino durch ihre Rolle der „#13 Takako Chigusa“ in dem japanischen Science Fiction-Thriller Battle Royale (2000; Batoru Rowaiaru; Regie: Kinji Fukasaku) aufgefallen, einem Film, in dem es im Kern darum geht, dass Schulklassen ausgewählt werden, die sich dann in staatlich arrangierten „Todesspielen“ gegenseitig töten sollen. Battle Royale hat, wie Kill Bill – Volume 1, auf DVD/Blu-ray eine Altersfreigabe FSK 18 (Anmerkung: Der „very violentKill Bill – Volume 1 wurde seinerzeit sogar beim Kinoeinsatz in den USA „restricted to theatergoers 17 years old and up“; Erscheinungsdatum des ersten  Kill Bill-Teils in den Vereinigten Staaten: 10. Oktober 2003) und bietet immerhin den japanischen Multi-Künstler & Star-Regisseur Takeshi Kitano (Highlights als Regisseur: z. B.: 1989: Violent Cop; 1997: Hana-Bi – Feuerblume) als einen der Hauptdarsteller auf.

Vivica A. Fox spielt „Vernita Green“, die, im Rahmen ihres „neuen Lebens“, nun nicht mehr als „Tödliche Viper“ mit dem Code-Namen „Copperhead“ agiert, sondern als „mother & homemaker“ namens „Jeannie Bell“, und von der „Braut“ einen wahrlich spektakulären „Hausbesuch“ erhält (Michael Madsen in „Tarantino – The Bloody Genius“ über den Kampf zwischen der BRIDE & VERNITA GREEN: „Der Kampf zwischen Uma und Vivica A. Fox in `Kill Bill` ist zweifellos der großartigste Kampf zwischen zwei Frauen im Kino. Irrsinnig gut. Das ist einfach genial. Diese Bösartigkeit und gleichzeitig die Weiblichkeit, die nicht eine Sekunde weg ist“).

Zum Casting von Vivica A. Fox kam es durch typische „Tarantino-Umstände“, denn QT war in einer Videothek auf irgendeinen Direct to Video-Film mit Fox gestoßen, also auf einen Film, der gar nicht erst ins Kino gekommen war, hatte sich dadurch aber wieder an sie erinnert und wollte sie in der Folge für die „Vernita“-Rolle casten, weil man die afroamerikanische Schauspielerin, so Tarantino, „seit `Independence Day` nicht mehr gesehen hatte“ (Anmerkung: In Roland Emmerich’s ungemein unterhaltsamen Science Fiction-Kracher von 1996 spielte Fox die Figur der „Jasmine Dubrow“, der Freundin von „Captain Steven Hiller“ Will Smith, und erhielt damals gemeinsam mit Smith den MTV Movie Award in der Kategorie „Bester Kuss“).

 

 

 

 

EPILOG

 

So wie in manchen Filmen die „Tragödie“ oder dergleichen so etwas wie die unsichtbare, im Raum stehende und gleichsam über dem Geschehen schwebende „Figur“ ist, so war in Tarantino’s Debüt Reservoir Dogs – Wilde Hunde, obwohl von Seiten der Kritik zumeist die „extreme violence“ des Werks thematisiert wurde, die „Gewalt“ an sich eher noch diese besagte unsichtbare & im Raum stehende „Figur“, die zumeist lediglich über dem Geschehen schwebte – und man wartete bei jedem Gespräch von Harvey Keitel, Tim Roth, Steve Buscemi, Michael Madsen & Co darauf, dass sie ausbricht.

Nun, in Tarantino’s äußerst erfolgreichem Meisterwerk des Actionfilms Kill Bill – Volume 1 (Budget - für beide Teile insgesamt: 30 Millionen US-$ / Einspielergebnis von Volume 1: rund 181 Millionen US-$) ist Gewalt ganz sicher nicht mehr nur der weitgehend „unsichtbare Begleiter“ des Geschehens, denn das Werk, das ganz gewiss auch einen „Genre-bedingten“ leichten Hang zur „Gewaltpornografie“ hat (was es aber natürlich, aufgrund von QT’s Storytelling- & Dialog-Skills, noch lange nicht auf die Stufe von Werken wie etwa dem diesbezüglich wahrlich erstaunlichen Rambo: Last Blood aus 2019 befördert, in dem sich Sly Stallone ja einer fast schon „erotischen Beziehung“ zur Gewalt hingibt), reizt auf reichlich vielfältige sowie virtuose & mitreißende Art und Weise die Grenzen der „representation of violence“ im Kino aus.

Und das, nämlich dieses „Ausdehnen der Grenzen des im Kino im Zusammenhang mit Gewalt Darstellbaren“, scheint QT immer schon ein Anliegen gewesen zu sein, denn auch diesbezüglich sieht Tarantino den Filmemacher im Nachteil (und sozusagen als „Träger von Handschellen“) gegenüber dem „novelist“/Schriftsteller, was er 1993 auch in der bereits mehrfach zitierten Interviewsession mit Graham Fuller erwähnt hat, wo er zu Fuller meinte: „The worst thing about movies is, no matter how far you can go, when it comes to violence you are wearing a pair of handcuffs that novelists […] don’t wear“.

 

 

 

(ENDE von TEIL 3.2 & 4 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 28.06.2020)