Daniel Craig in "Spectre" (2015; Regie: Sam Mendes): "Wie ein Flugdrachen in einem Hurricane" oder: Warum Craig's vierter Bond-Film in Wahrheit sein bester ist... (TEIL 3 - HAUPTTEIL)

 

III

 

 VESPER LYND (Eva Green; zu „James Bond“ Daniel Craig)

 Und es [Anmerkung: Die Tatsache, dass James Bond ein Waisen- und Heimkind war] erscheint mir absolut schlüssig.

 Denn: MI6 sucht labile junge Männer ohne soziale Bindungen, die andere über die Klinge springen lassen, ohne nachzudenken.

 Um Krone und Vaterland zu schützen.

 

 (aus: Martin Campbell’s James Bond-Film Casino Royale; 2006)

 

 

Grundsätzlich steht Vesper Lynd, Mitarbeiterin des Schatzamts, Bond’s Mitstreiterin und schließlich „love interest“, aber, wie man an dem obigen Zitat merkt, auch zweites „Macho-Regulativ“ nach „M“ Judi Dench, in Casino Royale, den man getrost als so eine Art Jahrhundert-Bond-Film bezeichnen kann, letztendlich in der Tradition von Frauenfiguren, die sich den ganzen Film über gegen die Macho-Allüren der männlichen Hauptfigur zur Wehr setzen, aber am Ende dann doch mit dieser im Bett landen :-). 

Einen viel größeren Typen-Sprung von Pierce Brosnan zu Daniel Craig hätten die Bond-Film-Produzenten Barbara Broccoli (die Tochter des legendären Albert R. "Cubby" Broccoli, sozusagen des Ur- und schließlich Langzeit-Produzenten der Film-Serie) und Michael G. Wilson gar nicht machen können - ich meine, ohne sich lächerlich zu machen (natürlich hätte man auch Jim Carrey oder Ben Stiller in der Rolle besetzen können :-)).

Daniel Craig war vor seiner James Bond-Rolle irgendwie ein nicht wirklich relevanter Faktor im Filmbusiness, eher nur der „Freund der Schauspielerin Heike Makatsch“, mit der er von 1996 bis 2004 liiert war.

Filmisch aufgefallen war Craig lediglich durch seine Nebenrolle als psychopathischer Mafia-Paten-Sohn „Connor Rooney“ in dem Tom Hanks-Film Road to Perdition (2002), den Craig’s späterer Lieblings-Bond-Regisseur Sam Mendes inszeniert hatte, und in seiner Hauptrolle als namentlich nicht näher genannter Drogenhändler in dem sehenswerten britischen Gangster-Thriller Layer Cake (2004; Regie: Matthew Vaughn), in dem Craig sich aber in gewisser Weise schon für die Bond-Rolle empfohlen hat, da er in Layer Cake irgendwie auch schon so einen „Schweinehund“ spielt, der Craig’s 007-Interpretation gar nicht unähnlich ist.

 

Habe ich im zweiten Teil meines Artikels in Zusammenhang mit Pierce Brosnan gemeint, dass dieser einst in die Bond-Serie das „Bond-Feeling“ zurückgebracht hat, so muss man bei Daniel Craig im Nachhinein sagen, dass dieser die Bond’sche Post-Connery-Depression endgültig aufgelöst und mit seiner Bond-Figur genau jene Härte und Männlichkeit in die Filme zurückgebracht hat, die man nach Connery’s Abgang, „Macho-Regulative“ wie „M“ oder „Vesper Lynd“ hin oder her, schmerzlich vermisst hatte. Bei Craig hatte sowohl das alte Bond-Publikum als auch das neu hinzugekommene, denn Casino Royale war als Film schließlich auch eine Art weltweites kulturelles Phänomen, das Bond ganz neue „Kundenschichten“ erschlossen hat, das Gefühl, dass endlich wieder ein „cooles Raubtier“ mit der Lizenz zum Töten herumschleicht (aber eines, das, wenn ich mir die Anmerkung erlauben darf, ein wenig aussieht wie der junge Wladimir Putin - Finden Sie nicht auch? :-)).

Wunderbar sind dementsprechend auch jene Dialogsequenzen Craig’s, in denen das rabiat-ruppige Wesen, das der Schauspieler seinem Bond verliehen hat, zum Ausdruck kommt, so wie bei folgender Bestellung seines berühmten Lieblingsgetränks, bei der Craig’s Ärger über den für ihn nicht zufriedenstellenden Verlauf des Poker-Turniers mit Bösewicht „Le Chiffre“ Mads Mikkelsen mitschwingt:

 

 

 JAMES BOND

 Einen Wodka-Martini.

 

 

KELLNER

 Geschüttelt oder gerührt?

 

 

 JAMES BOND

 Sehe ich aus, als ob mich das interessiert?

 

 

 

Casino Royale, den ich persönlich, sozusagen als treuer 007-Freak :-), gleich sechsmal im Kino gesehen habe und der alle weltweiten Befürchtungen, der „blonde Bond“ Craig könnte sich lächerlich machen, zum Teufel gejagt hat, ist in der Tat „der etwas andere Bond-Film“, ein Film nämlich, der einem wirklich guten Film von allen Bond-Filmen, die ja in der Regel auch ein wenig „Cineasten- und Arthouse-Fans-Albträume“ sind, noch am nächsten kommt. Das Werk, das ja auf Ian Fleming’s allererstem James Bond-Roman aus dem Jahre 1953 basiert, ist aber auch der Beginn einer ganz großen Geschichte, die Bond letztendlich zu den „Ur-Mythen“ (wie Blofeld oder S.P.E.C.T.R.E.) der gesamten Film-Serie zurückführen wird und die, ausgehend eben von der eigentlich tragischen Liebesgeschichte zwischen Bond und Vesper Lynd, dementsprechend dann auch durch alle vier bisherigen Craig-Bonds geistert.

Eine Schwäche von Casino Royale, der viele Stärken hat, eine ganz große Stärke ist zweifellos natürlich auch Hannibal (TV-Serie; 2013-2015; kreiert von Bryan Fuller)-Star Mads Mikkelsen als Bösewicht und Banker „Le Chiffre“, sind aber alle Dialoge zwischen Craig und Eva Green, die nach der mittlerweile legendären Folterszene stattfinden, in der Bond sozusagen durch Le Chiffre’s „Spezialbehandlung“ einige Verletzungen im Intimbereich davonträgt. Pathetisch und etwas „over the top“, so könnte man diese Dialoge nennen, die letztendlich nur der Witz rettet, mit dem James Bond verzweifelt gegen den „Schmalz“ ankämpft, den er da zu hören bekommt und der so klingt, als ob sich Vesper Lynd offenbar dafür entschuldigen wollte, dass sie es jemals im Laufe der Handlung gewagt hat, seine Männlichkeit in Frage zu stellen :-). Hier ein Beispiel:

 

 

 VESPER LYND

 Weißt du, James.

 Ich wollte dir nur eins sagen.

 Wenn nichts von dir übrig wär, außer deinem Lächeln und deinem kleinen Finger, dann wärst du noch immer mehr Mann als alle vor dir zusammengenommen.

 

 

 JAMES BOND

 Weil du weißt, was ich mit meinem kleinen Finger alles machen kann?

 

 

Wirklich grauenhaft :-) - was sich da die Drehbuchautoren Neal Purvis, Robert Wade und Paul Haggis zum Teil haben einfallen lassen.

Gerade von Oscar-Preisträger Paul Haggis (2004: Oscar für bester Film und bestes Drehbuch für L.A. Crash), der in allererster Linie ja Regisseur ist und der auch für eines der ganz großen filmischen Meisterwerke der 2000er-Jahre verantwortlich zeigte, das damals im Kino irgendwie völlig untergegangen ist, nämlich In the Valley of Elah (2007; Im Tal von Elah) mit Tommy Lee Jones und Charlize Theron sowie Susan Sarandon, einem „crime drama mystery film“ mit Irak-Krieg-Heimkehrer-Problematik, ist man an sich Besseres gewöhnt. Im Zusammenhang mit Haggis muss man aber immer auch das TV-Serien-Meisterwerk Due South (1994-1999; Ein Mountie in Chicago) mit Paul Gross und David Marciano erwähnen, das nach einer Idee von Haggis entstanden ist und das ich nur jedem ans Herz legen kann, denn die Serie, die blöderweise immer irgendwie Einschaltquoten-Probleme hatte, gehört in Wirklichkeit zu den besten, witzigsten und innovativsten der 90er-Jahre.

 

Aber: Es gibt auch Highlights in den „Craig-Green-Conversations“ gegen Ende von Casino Royale. So wie zum Beispiel den folgenden, amüsanten Dialogteil, der aus einer Unterhaltung stammt, die Bond und Lynd auf einem Sandstrand liegend absolvieren und in der auf Bond’s außergewöhnliche „Berufswahl“ angespielt wird:

 

 

 VESPER LYND

 Du liebst mich?

 

 

JAMES BOND

 Genug, um auszusteigen und mit dir um die Welt zu treiben. Bis sich einer von uns eine anständige Arbeit suchen muss. Aber ich fürchte, das musst du erledigen. Ich hab keine Ahnung von anständiger Arbeit.

 

 

Hat man den „Pillow-Talk“, das „Bettgeflüster“, in Casino Royale dann überstanden, wird man als Zuseher fürstlich entlohnt, denn das Ende des Films ist, wie soll ich sagen, für Bond-Fans „berauschend“. Nach der spektakulären Szene in Venedig, in der Bond einen ganzen Palazzo zum Einsturz bringt, und nach dem Tod der dann schließlich doch als „Verräterin“ enttarnten Vesper Lynd, kommt nämlich jener „Schuss aus dem Nichts“, der Casino Royale noch einmal zusätzlich zu einem der ganz großen Bond-Filme macht.

Als der mysteriöse Hintermann und Bösewicht „Mr. White“ (gespielt von Jesper Christensen), der an einigen zentralen Punkten des Films (so wie bei der von ihm selbst vollzogenen Tötung des "Verräters" Le Chiffre während der Folterung Bond’s) immer wieder auftaucht und zu dem Bond, wie durch einen „letzten Gruß Vesper‘s aus dem Jenseits“, sozusagen mithilfe des Handys der Toten geführt wird, vor seiner Villa aus seinem Auto steigt, erhält er nämlich einen Anruf, dem unvermittelt, nachdem ans Handy gegangen wurde, ein Schuss folgt, der den „Pale King“, den „Blassen König“, wie „Mr. White“ später schließlich in Spectre genannt wird, ins Bein trifft. Der Moment, in dem Craig dann, mit einer Waffe in der Hand, langsam die Treppen vor dem verletzten und auf den Treppen herumkriechenden „Mr. White“ hinaufschreitet und schließlich die Worte „Mein Name ist Bond. James Bond“ sagt, was eine Antwort auf White’s kurze Frage ist, die er beim Abheben des Handys gestellt hat, nämlich wer denn da dran sei, ist genial. Und wenn dann beim Abspann, zum ersten Mal in Casino Royale, der ein Bond-Film ist, der auf so einiges, so wie auch auf „Q“ und Miss Moneypenny (jedoch nicht auf Bond’s US-CIA-Kollegen Felix Leiter), verzichtet hat, endlich auch Monty Norman’s unverzichtbares James Bond Theme erklingt, dann ist das der endgültige Beginn einer neuen Bond-Ära.

 

In Quantum of Solace (der geniale Titel, und nur der Titel allein, wurde sozusagen von Ian Fleming’s 1959 erschienener Kurzgeschichte mit demselben Namen übernommen; dt. Titel der Kurzgeschichte: Ein Minimum an Trost), der nahezu unmittelbar an das großartige Ende von Casino Royale anschließt, kann man sich am allerbesten davon überzeugen, dass Daniel Craig’s Bond eine „effiziente Killermaschine“ ist, der man gerne bei der Arbeit zusieht. Auch wenn Marc Forster’s Film, den ich im Laufe von Teil 1 und 2 dieses Artikels schon als „Kurzfilm-Bond“ und „Bond-Quickie“ bezeichnet habe, eher wie eine „Fußnote“ zu dem epischen Überlänge-Bond Casino Royale wirkt, so endet das nichts an der Unterhaltsamkeit des Werks, in dem es eben im Prinzip darum geht, dass Bond ein „Quantum“ an Trost für die Vorkommnisse rund um Vesper Lynd in Casino Royale erhält.

Dass an Quantum of Solace, der bis heute der Bond-Film mit Daniel Craig ist, der am wenigsten eingespielt hat, nämlich weltweit „nur“ etwa rund 586 Millionen Dollar, stets herumgemosert wurde, liegt vor allem daran, dass der deutsch-schweizerische Regisseur Marc Forster ein paar inszenatorische Entscheidungen getroffen hat, die den Film, den ich persönlich aber stets sehr mochte, ein wenig „schwierig zu konsumieren“ gemacht hat. Forster liebt es, „Filme mit einem gewissen Anspruch“ zu drehen, eine Tendenz, die manchmal zu Meisterwerken führt, wie eben bei Monster’s Ball (2001; Hauptdarstellerinnen-Oscar, als erste Afroamerikanerin überhaupt, für Halle Berry; Heath Ledger in einer Nebenrolle, in der er aber eine der besten Leistungen seiner leider nur kurzen Karriere ablieferte), oder zu akzeptablen Filmen, wie den 2007 erschienenen The Kite Runner (Drachenläufer; literarische Vorlage: Khaled Hosseini).

In Quantum of Solace hat sich Forster teilweise für einen fast „dokumentarischen“ Stil entschieden, der auch Locations wie Haiti und Bolivien manchmal so einfängt, als wäre man plötzlich in einer BBC-Doku gelandet, die den Anspruch hat, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel „Lokalkolorit“ einzufangen. Aber das wäre vielleicht nicht das Problem gewesen, sondern viel eher der hektisch-elaborierte Schnitt, der einen teilweise fast schwindlig macht und das Auge ein wenig überfordert. Forster hat den Action-Szenen seines Films offenbar nicht genug vertraut und dieses Misstrauen durch „Schnitt-Spielereien“ überkompensiert. Die Gefahr hierbei ist eben stets, dass sich ein Filmemacher beim fertigen Film dann lediglich nur selbst amüsiert :-).

Aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht geworden und wann immer man sich einen kurzen, harten Bond-Film ansehen will, mit einem tatsächlich sehr „effizient“ agierenden Daniel Craig, dann ist man bei Quantum of Solace, der 007 witzigerweise auch mal wieder nach Österreich, genauer: nach „Bregenz, Austria“, führt, absolut richtig und absolut gut aufgehoben.

Hier noch ein Dialog zwischen Bond und dem sterbenden Geheimdienstmann Rene Mathis (Giancarlo Giannini), den man in Casino Royale fälschlicherweise jenes Verrates an 007 bezichtigt hat, welchen schließlich Vesper Lynd getätigt hat, wenngleich, wie sich in Quantum of Solace herausstellt, unterm Strich, auch, um Bond’s Leben in letzter Konsequenz zu retten. Mathis, der von einigen Kugeln getroffen wurde, bringt den Antrieb, den Craig’s Bond in Quantum of Solace hat, nämlich die Tatsache, dass er schwer unter seiner durch seine Liebe zu Lynd hervorgerufenen Fehleinschätzung der ganzen Le Chiffre-Vesper Lynd-Mr. White-Geschichte leidet, auf den Punkt:

 

 

 MATHIS

 Vergeben wir einander?

 

 

 JAMES BOND

 Ich hätte Sie nicht allein lassen dürfen.

 

 

 MATHIS

 Vespa. Sie hat alles für Sie gegeben. Vergeben Sie ihr. Vergeben Sie sich selbst.

 

 

 

Das Weglassen von „Q“ und Miss Moneypenny in Casino Royale und in Quantum of Solace bedeutete aber gleichzeitig auch das Weglassen von „Charme-Elementen“ der Film-Serie. Die Flirtereien und das „Vorzimmergeplänkel“ zwischen Bond und „Eve Moneypenny“, die von 1962 bis 1985, also von Connery’s erstem Bond, Dr. No, bis Moore’s letztem, A View To A Kill (James Bond 007 – Im Angesicht des Todes; Regie: John Glen), von der unvergessenen Lois Maxwell (1927-2007) gespielt wurde, gehören genauso wie „Q‘s“ Beschwerden darüber, dass 007 seine Gadgets nicht mit dem nötigen Respekt behandelt, zu einem Bond-Film wie „M“ und, naja, Bond selbst :-).

In Skyfall, dem Mega-Blockbuster (erfolgreichster Bond-Film aller Zeiten!) von Sam Mendes, dem Oscar-prämierten Regisseur von einem der größten amerikanischen Filme überhaupt, nämlich American Beauty (1999), kam es dann sinnvollerweise zu einem Comeback von Moneypenny und „Q“, gespielt von Naomie Harris (z. B.: 2006: Miami Vice; Regie Michael Mann) und Ben Whishaw (z. B.: 2006: Das Parfüm – Die Geschichte eines Mörders; Regie: Tom Tykwer; literarische Vorlage: Patrick Süskind), die beide der Brosnan-Ära-Moneypenny Samantha Bond (bekanntlich kein Scherz :-)) bzw. dem Brosnan-Ära-Letzt-„Q“ (der in The World Is Not Enough von Bond scherzhalber noch als "R" bezeichnet wird) John Cleese nachfolgten.

Skyfall, der mit Adele’s gleichnamigen und Oscar-prämierten Titelsong über einen der unnachsingbarsten Bond-Songs (Adele’s Gesangsleistung ist darin wirklich gigantisch!) verfügt :-), ist der düsterste Bond-Film überhaupt, in dem sich Bond (wieder einmal :-); so etwas wie das Signum der Craig-Ära), aber auch „M“ Judi Dench ihren Dämonen der Vergangenheit stellen müssen.

Einen James Bond im Burn-out, das ist, was uns Sam Mendes‘ Film eigentlich präsentiert. 007 als psychisches und körperliches Wrack, als jemand, der, wie der Bösewicht „Raoul Silva“, wunderbar gespielt von Javier Bardem, einmal sagt, nur mehr von Alkohol und Medikamenten aufrechterhalten wird (wobei man natürlich sagen muss, dass der Film diesen „Wrack“-Aspekt nicht unbedingt übertreibt; ich finde: Bond ist trotzdem ganz schön fit und erholt sich überraschend schnell :-)).

Beleidigt ist Bond in Skyfall zunächst einmal auf „M“ Judi Dench, die in dem Film irgendwie relativ unsympathisch rüberkommt, weil sie eben als Chefin porträtiert wird, die im Notfall eben auch „professionell“ bleibt und über Leichen geht, auch über die der eigenen Agenten, was Bond zu Beginn des Films zu spüren bekommt, als er, auf „M’s“ Geheiß hin, von Eve Moneypenny, die da noch Außendienst-Agentin ist, inmitten eines Kampfes mit einem Schurken von einem fahrenden Zug heruntergeschossen wird. Als der für tot erklärte Bond und „M“ sich dann in London wiedertreffen, was vor dem Hintergrund des Bomben-Anschlages von Raoul Silva, einem einst ebenfalls von „M“ fallengelassenen Agenten, auf das MI6 geschieht, macht Bond klar, dass auch er ein wenig enttäuscht von „M’s“ Verhalten ist (letztendlich auch deswegen, weil, laut Bond-Produzentin Barbara Broccoli, „M“ und Bond eine „familiäre Beziehung“ haben und „M“ für das Waisenkind Bond das ist, was einer „Mutter“ noch am nächsten kommt):   

 

 

 M

 Wo zum Teufel waren Sie?

 

 

 JAMES BOND

 Ich hab den Tod genossen.

 

 

Nun, den Tod in Skyfall findet bekanntlich, bei dem berühmten Showdown in Bond’s Heimat Schottland, wo uns ein Herrenhaus namens „Skyfall“ präsentiert wird, in dem Bond einen kleinen Teil seiner Kindheit verbracht hat, nicht 007, sondern letztendlich „M“, die den ganzen Film über auch als jemand präsentiert wurde, die das Schicksal vieler mächtiger Personen ereilt hat, nämlich den richtigen Zeitpunkt zu verpassen, um sozusagen noch in „Würde“ abtreten zu können. Insofern ereilt sie auch irgendwann eine alte „Sünde“, und das eben in der Gestalt eines von ihr einst geopferten, von Rachedurst getriebenen, physisch wie psychisch entstellten, Agenten, wunderbar gespielt von Javier Bardem.

Ich persönlich bin jetzt nicht unbedingt der größte Fan von Skyfall, den ich, soweit ich mich erinnere, zwar mindestens dreimal im Kino gesehen habe :-), den ich aber immer als einen etwas „uncharmanten“ Bond-Film empfunden habe (oder als einen Bond-Film, der so charmant ist wie die düstere Wetterlage, die Bond und „M“ gegen Ende in Schottland vorfinden :-)), genauso wie The Dark Knight Rises (2012; Regie: Christopher Nolan) ein denkbar „uncharmanter“ Batman-Film ist. Beide Filme, Mendes‘ Skyfall und Nolan’s The Dark Knight Rises, sind Werke, die so einen Das hier geschieht jetzt auch alles vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus-Touch haben, der ihnen stellenweise nicht guttut. Insofern bin ich auch der Meinung, dass erst Spectre innerhalb der Craig-Bonds ein wenig die Rückkehr zum alten „Bond-Charme“ bedeutet hat und ganz sicher nicht Skyfall, so wie das einige Kritiker behauptet haben.

Ein wenig altes „Bond-Feeling“ kommt in Skyfall allerdings dazwischen hin und wieder schon auf, und zwar dann, wenn Bond mit der neuen, farbigen, „Moneypenny“ Naomi Harris flirtet oder sich mit dem neuen „Q“ Ben Whishaw subtile Wortduelle liefert. An dieser Stelle sei aber auch ein „Dialog mit altem Bond-Feeling“ angeführt, den 007 mit Severine (Berenice Marlohe), einer Gespielin von Bösewicht Silva, in einem Casino in Macau führt. Der folgende Dialog hätte gut und gerne auch in einem Roger Moore-Bond der 70er vorkommen können:

 

 

JAMES BOND

 Nur eine gewisse Art von Frau trägt zu einem dekolletierten Abendkleid eine Beretta um ihre Oberschenkel geschnallt.

 

 

 SEVERINE

 Man kann nicht vorsichtig genug sein bei attraktiven Männern mit einer Walther unter dem Smoking.

 

 

 

Gert Fröbe (Goldfinger), Curt Jürgens (The Spy Who Loved Me), Klaus Maria Brandauer (im Thunderball-Remake Never Say Never Again), die Bond-Film-Reihe schien immer eine Schwäche für deutschsprachige Charakterdarsteller zu haben, wenn es darum ging, die Rolle der Bösewichter zu besetzen.

Insofern war auch Doppel-Nebenrollen-Oscar-Preisträger Christoph Waltz, der bekanntlich einst von Quentin Tarantino persönlich aus dem deutsch-österreichischen Film- und Fernseh-Sumpf (aber man darf nicht  dermaßen ungerecht sein :-):  ein echtes Waltz-Highlight ist auch der 1997 im Rahmen der Schimanski-TV-Film-Reihe entstandene und von Hajo Gies inszenierte TV-Film Blutsbrüder, in dem Götz George und Waltz gemeinsam so etwas wie eine „Flucht in Ketten“ hinlegen – absolut sehenswert!) gezogen wurde, eine nicht ganz unlogische Wahl, um den legendären Super-Schurken und S.P.E.C.T.R.E.-Chef Ernst Stavro Blofeld zu spielen.

Spectre, der zweite, und das angeblich auf Craig’s ausdrücklichem Wunsch hin, von Sam Mendes inszenierte Bond-Film, bedeutete für die eingefleischten 007-Fans also vor allem eins: Endlich wieder Blofeld und endlich wieder S.P.E.C.T.R.E., nach einer Pause von 34 Jahren, denn Blofeld hatte zuletzt einen Kurzauftritt 1981, im Roger Moore-Bond For Your Eyes Only, in dem er aber schon zu Beginn des Films von Moore mithilfe eines Helikopters in einen Schornstein entsorgt wurde. Natürlich bedeutet ein Comeback von Blofeld und dessen Organisation aber auch ein Comeback des Kraken, der nicht nur durch den Vorspann des Films geistert, sondern wiederum auch die Ringe ziert, die von den S.P.E.C.T.R.E.-Mitgliedern als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu der Organisation getragen werden (eine Tatsache, die dem Zuschauer und Bond die Identifikation dieser Mitglieder stets stark erleichtert hat :-)).

 

Nun, wieso, um auf meine in Teil 1 des Artikels gestellte Ausgangsfrage zurückzukommen, ist dieser vierte Craig-Bond, der durchaus mit gemischten Reaktionen von Seiten des Publikums und der Kritik zu kämpfen hatte, in Wahrheit sein bester?

Spectre, und das liegt nicht nur daran, dass die mexikanischen Totenmasken, die die Menschenmenge sowie auch Bond zu Beginn des Films am mexikanischen „day of the dead“ tragen, wirklich sehr toll sind und ungeheuer cool :-), gehört, wie bereits erwähnt, zu meinen fünf Lieblings-Bond-Filmen (zusammen eben mit: Dr. No, From Russia with Love, Thunderball, Live and Let Die). Er ist somit auch mein Lieblings-Daniel Craig-Bond, wobei ich mir bewusst bin, dass das eigentliche Meisterwerk, ja fast Kunstwerk, unter den Craig-Bonds natürlich Casino Royale ist, ein Film, mit dem es eigentlich nur On Her Majesty’s Secret Service von 1969 aufnehmen könnte, wenn da eben nicht George Lazenby als Bond wäre.

Ein absolut toller Aspekt an diesem 24. Bond-Film ist aber seine Atmosphäre oder, wenn man will, seine atmosphärische Dichte, die durchaus, in den besten Momenten, an frühere Bonds wie From Russia with Love oder Thunderball erinnert. Gelungen ist auch jene Szene, in der Bond, auf dem Begräbnis des von ihm anfangs in Mexiko getöteten S.P.E.C.T.R.E.-Mannes Marco Sciarra (Alessandro Cremona), "Blofeld" Christoph Waltz und die Witwe des Toten, Lucia Sciarra (gespielt von Monica Bellucci), beobachtet, denn dieser Moment hat genau diesen 60’s-Retro-Thunderball-Touch, der diesen Film unter den Craig-Bonds zusätzlich herausstechen lässt. Auf der Haben-Seite von Spectre wären da aber auch noch Ralph Fiennes als endgültig neuer „M“ Gareth Mallory, der ja schon in Skyfall mit von der Partie war, und, was mich als riesigem Bewunderer der britischen TV-Serie Sherlock (2010-Gegenwart) besonders freut, Andrew „Jim Moriarty“ Scott, der „M‘s“ geheimdienstinternen Antipoden und Chef des „Joint Intelligence Service“, Max Denbigh, spielt, der von allen nur „C“ genannt wird (und der, wie könnte es anders sein, auch ein Blofeld-Gefolgsmann ist).  

Der allergrößte Trumpf von Spectre, diesem „Bond-Film-likesten“ Bond mit Craig, ist jedoch eine Überraschung, nämlich, dass Daniel Craig und Lea Seydoux, die die Tochter des Pale Kings, des Blassen Königs, „Mr. White“ spielt, Dr. Madeleine Swann, ein sehr gut harmonierendes Leinwandpaar sind, ein besseres und überzeugenderes sogar, als es Craig und Green in Casino Royale waren.

Nachdem Swann’s Vater, der sich natürlich letztendlich auch als S.P.E.C.T.R.E.-Mann entpuppt hat, in „Altaussee, Austria“ vor Bond’s Augen Selbstmord begangen hat, sucht Bond dessen Tochter in einer Klinik in den österreichischen Alpen auf und rettet sie sogleich vor einigen S.P.E.C.T.R.E.-Schergen. In der Folge entsteht eine Liebesgeschichte, die aber recht glaubwürdig rüberkommt, da die Chemie zwischen Craig und Seydoux (die 2011 schon als Killerin „Sabine Moreau“ in dem Tom Cruise-Film Mission: Impossible – Ghost Protocol/dt.: Mission: Impossible – Phantom Protokoll, der von Brad Bird inszeniert wurde, einen starken Eindruck hinterlassen hatte) eindeutig stimmt. Insofern nimmt man ihnen auch ein Geplänkel wie das folgende ab, das in einem Speisewagen eines Zugs stattfindet:

 

 

 DR. SWANN

 Sie sollten nicht so starren.

 

 

 JAMES BOND

 Und Sie sollten nicht so aussehen.

 

 

Im Laufe dieser „Speisewagen-Unterhaltung“ zwischen Swann und 007 wird aber auch Bond’s Lebenswandel von Swann in Frage gestellt, die aufgrund ihres familiären Hintergrundes eben weiß, was so ein Leben, wie es Bond führt, bedeuten kann. Da die „Mann & Frau“-Dialoge in Spectre (Drehbuch: John Logan, Neil Purvis, Robert Wade & Jez Butterworth) aber weit besser sind als zum Beispiel in Casino Royale, kommen Swann’s Bedenken weniger „künstlich“ und „aufgesetzt“ rüber als seinerzeit Lynd’s:

 

 

 DR. SWANN

 Was, in Anbetracht aller verfügbaren Optionen, bewegt einen Mann dazu, Berufskiller zu werden?

 

 

 JAMES BOND

 Na ja, das oder Priester werden.

 

 

 DR. SWANN

 Ich meine es ernst. Ist es wirklich das, was Sie wollen? Ein Leben im Schatten. Jagen. Gejagt werden. Immer über die Schulter schauen. Immer allein.

 

 

 JAMES BOND

 Ich bin nicht allein.

 

 

 DR. SWANN

 Beantworten Sie die Frage…

 

 

 JAMES BOND

 Ich bin mir nicht sicher, ob ich je eine Wahl hatte. […]

 

 

 DR. SWANN

 Ich glaube, Sie haben Unrecht.

 

 

 JAMES BOND

 Glauben Sie?

 

 

 DR. SWANN

 Wir haben immer eine Wahl.

 

 

 

Überhaupt gibt es in Spectre so einige Dialog-Highlights, mehr als in jedem anderen Bond mit Daniel Craig. Das folgende stammt aus einer Unterhaltung zwischen Bond und Blofeld (der ja ursprünglich, wie sich herausstellt, „Franz Oberhauser“ geheißen hat und dem mit dem Waisenkind Bond sogar eine kurze gemeinsame Kindheitszeit verbindet):  

 

 

 BLOFELD

 Also, James. Wieso bist du gekommen?

 

 

 JAMES BOND

 Um dich zu töten.

 

 

 BLOFELD

 Ich dachte, du wärst hier, um zu sterben.

 

 

 JAMES BOND

 Tja, alles eine Frage der Perspektive.

 

 

 

Waltz hat es in seiner Blofeld-Darstellung geschafft, tatsächlich das Karikaturartige weitgehend herauszunehmen und einen Blofeld zu präsentieren, hinter dem man wenigstens das „Psychopathische“ spürt, das so eine Figur auch ausmachen muss. Er kommt deswegen weniger als „größenwahnsinniger Idiot mit Perserkatze“ hinüber, so wie viele seiner Vorgänger in der Blofeld-Rolle, sondern eher als extrem unangenehmer, durchtriebener und sadistischer Boss eines Verbrechersyndikats, was das Ganze weit realistischer macht.

Wie ich ja bereits in der Eingangspassage des ersten Teils meines Artikels angemerkt habe, sind die „familiären Verstrickungen“ in Spectre, die sich bemühen, allen Craig-Bonds irgendwie einen übergeordneten Zusammenhang zu geben und einige Bond-Mythen miteinander zu verbinden, etwas abenteuerlich. Aber der Verdienst des Films ist es auch, dass einem eben solche recht abenteuerlichen Tatsachen, wie etwa, dass ausgerechnet „Mr. White“, der Blasse König, der zu Bond in Altaussee sagt, dieser agiere in der ganzen monströsen Geschichte nur wie ein „Flugdrachen in einem Hurricane“, eigentlich posthum so etwas wie der Schwiegervater von 007 wird oder dass „Franz Oberhauser“ alias „Ernst Stavro Blofeld“ und Bond sich irgendwie aus Kindheitstagen kennen, nicht weiter stören.

 

 

 EPILOG

 

Eine wirklich „dumme“ Entscheidung in Spectre trifft „Blofeld“ Christoph Waltz allerdings schon. Denn: Er lässt 007 in der Folterszene, in der er Bond mit kleinen Bohrern wichtige Stellen im Gesichts- und Schädelbereich anbohrt, seine Armbanduhr, ein Präsent „Q’s“, behalten, was letztendlich, dank Dr. Swann’s Beteiligung, eine Explosion zur Folge hat, die Blofeld schließlich entstellen wird. Im Jahr 2015, nach 53 Jahren und 24 Bond-Filmen, sollte eben auch ein Ernst Stavro Blofeld mittlerweile wissen, dass man eines nie tun sollte, nämlich 007 die Armbanduhr behalten lassen, die stets voller hilfreicher Gadgets ist…:-)

 

 

(ENDE von TEIL 3 des Artikels - HAUPTTEIL; Fassung vom 10.08.2018)