HITCHCOCK-"Hidden-Bonus-Track": "DIE 39 STUFEN / THE 39 STEPS" (TEILE 2.1.1 & 2.1.2)

 

Ich mag das sehr und auch dieses Pflichtgefühl. Mr. Memory weiß, was die neununddreißig Stufen bedeuten, man stellt ihm eine Frage, und er muss antworten. Aus demselben Grund habe ich auch die Lehrerin in `The Birds` sterben lassen

 

(unmittelbare Antwort von Alfred Hitchcock an François Truffaut auf die von mir am Ende der Inhaltsangabe zitierten Truffaut’schen Ausführungen zum Tod von „Mr. Memory“; mit der „Lehrerin“ in Die Vögel aus 1963 ist der Character der „schoolteacher“ „Annie Hayworth“ gemeint; für Genaueres: vgl. den Abschnitt über Die Vögel in meinem Buch „Hitchcock Vol. 2 – More Movies To Be Murdered By“ von 2023)

 

 

 

Ich habe `The Thirty-nine Steps` kürzlich in Brüssel wiedergesehen, und als ich wieder in Paris war, habe ich mir das Remake angeschaut, das Ralph Thomas mit Kenneth Moore in London gemacht hat. Es war ziemlich lächerlich und schwach inszeniert, aber das Buch war so stark, dass das Publikum trotzdem mitging. In manchen Punkten ist das Remake in seinem Aufbau Ihrem Film genau gefolgt, nur immer etwas schlechter, und wenn sie einmal etwas anderes gemacht haben, dann ergibt sich im Allgemeinen ein Widerspruch. Zum Beispiel zu Beginn, wenn Robert Donat in der Wohnung eingesperrt ist, sieht er vom Fenster aus zwei Spione, die auf dem Bürgersteig auf- und abgehen. Sie haben die beiden Spione aus Donat’s Perspektive aufgenommen, die Kamera ist in der Wohnung, und die Spione sind unten auf dem Bürgersteig, ziemlich weit weg. In dem Remake hat Ralph Thomas zwei Nahaufnahmen von den Spionen in die Szene hineingeschnitten, und dadurch verliert die Szene ihre ganze Überzeugungskraft, die Spione werden einem vertraut, und man hat keine Angst mehr um den Helden

Das ist wirklich jämmerlich. Wer sowas macht, weiß wirklich nicht, worauf es ankommt. Man kann doch in einer solchen Situation nicht den Standpunkt wechseln, das ist einfach unmöglich

 

(Truffaut & Hitchcock beklagen einen gewissen „Regie-Dilettantismus“ von Ralph Thomas in dem in der Tat etwas „unbefriedigenden“ 39-Stufen-Remake von 1959 mit Kenneth Moore als „Richard Hannay“, Taina Elg als Lehrerin „Miss Fisher“ [entspricht der „Pamela“-Rolle von Madeleine Carroll] sowie Faith Brook als „Kindermädchen Mandy Robinson“ alias „Nannie“ [entspricht der Rolle der „Annabella Smith“ von Lucie Mannheim] und Brenda De Banzie [bekannt aus Hitchcock’s Der Mann, der zu viel wusste] als „Nellie Lumsder“ [entspricht der Rolle der „Margaret“ von Peggy Ashcroft]; ein weiteres und „not so great remake“ von Die 39 Stufen [Regie: Don Sharp] kam dann 1978 in die Kinos, mit Robert Powell als „Richard Hannay“)

 

 

 

 

Das ist unmöglich, Steed. Völlig unmöglich. Die Luftfeuchtigkeit ist äußerst hoch

Was bedeutet das?

Solche Werte hat man normalerweise im brasilianischen Tropenwald oder in Zentralafrika, aber in England ist so etwas noch nie festgestellt worden

Doch, von uns. [...] Ist es möglich, dass die Wolke etwas damit zu tun hat? [...]“

Nein, an einem normalen, wolkenreichen Tag misst man Werte von...es muss an dem Apparat liegen. Er gibt falsche Werte an. [...]“

 

[Agenten: 35. & letzter Teil: „Unglaublich modern, was die Thematik betrifft: `A Surfeit of H2O`: `Steed Plans a Boat Trip, Emma Gets Very Wet`“; die obigen Zitate geben einen Dialog zwischen „EMMA PEEL“ Diana Rigg & „JOHN STEED“ Patrick Macnee aus der Mit Schirm, Charme und Melone-Folge „H2O – Tödliches Nass“ wieder, wobei das Agenten-Duo gerade, wenn man so will, mit seiner „Meteorologie-Ausrüstung“ auf  „Hobby-Meteorologen“ macht und die „eigentümlichen klimatischen Zustände“ auf einem „verdächtigen Feld“ untersucht, über dem eine „permanente Wolke“ zu schweben scheint; „well“, die in Schwarz & Weiß gefilmte Episode „A Surfeit of H2O“ aus dem Jahr 1965 (Drehbuch: Colin Finbow / Regie: Sidney Hayers) ist auch insofern etwas Besonderes, da die Macher des von mir bereits im Zusammenhang mit Fiona Shaw und Undercover Blues – Ein absolut cooles Trio erwähnten „The Avengers“-Kinofilms von 1998 (Regie: Jeremiah S. Chechik) eindeutige thematische „references“ an diese Episode eingebaut haben, denn „John Steed“ Ralph Fiennes & „Emma Peel“ Uma Thurman treten in dem Film, der seinerzeit überwiegend schlechte Kritiken erhielt und sich auch an der Kinokasse als herbe Enttäuschung erwies, gegen den „Klimaforscher & Terroristen Sir August de Wynter“ Sean Connery an, der mit einer sogenannten „Wettersteuerungsmaschine“ die „Regierungen der Welt“ erpressen möchte, was im Zusammenhang mit dem großen Sean Connery eben den Aspekt beinhaltet, dass in dem „durchwachsenen“ filmischen Werk der „Ur-Bond“, „the original 007“, mal ausnahmsweise „einen auf Ernst Stavro Blofeld“ gemacht hat; grundsätzlich sieht Diana Rigg, und das ist wirklich auffällig, in der Episode in manchen Szenen „very young“ aus, was „H2O – Tödliches Nass“ zu einer Mit Schirm, Charme und Melone-Folge macht, in welcher der Altersunterschied zwischen „Steed & Peel“, im echten Leben trennten Macnee (1922 – 2015) & Rigg (1938 – 2020) ja bekanntlich 16 Jahre, irgendwie weit deutlicher hervortritt als in anderen Episoden; „Your flowers“ („Ihr Blumenstrauß“: „Mrs. Peel“ übergibt „John Steed“, nach der „Hobby-Meteorologie-Einheit“, ein paar von ihm zuvor auf dem mysteriösen Feld gepflückte Blumen, bevor sie sich hinters Steuer des „Militär-Jeep“-ähnlichen Wagens setzt und diesen startet; „Steed“ riecht demonstrativ und im Grunde „like a woman“ an den Blumen) – zur Story: Die Handlung beginnt damit, dass ein „Wilderer“ (Michael Corcoran) auf einem Feld in der Nähe eines kleineren englischen Dorfes diverse Fallen in die Erde steckt und dabei plötzlich von einem ungeheuren „Starkregen“ erwischt wird und schließlich, im Kampf gegen den intensiven Regen, an Erschöpfung stirbt; bald darauf sind Steed & Peel vor Ort, um den mysteriösen Fall zu untersuchen (Dialog zwischen Macnee & Rigg, der auf dem besagten Feld beginnt und, nach einem „überraschenden Schnitt“ nach dem Wort „ertrunken“, in dem besagten Wagen, der von Rigg gefahren wird, endet: JOHN STEED: „Hier hat man ihn gefunden. Ted Barker. [...]. 42 Jahre alt. Fallensteller, Fasanen-Liebhaber und Rebhuhn-Freund“ / EMMA PEEL: „Sie meinen, der hiesige Wilderer. Wie ist er gestorben?“ / JOHN STEED: „Erstickungstod in Folge Inhalierens von Flüssigkeit. Der Arme ist ertrunken“ / EMMA PEEL (nun „behind the wheel“): „Auf einem Feld? Völlig unmöglich“ / JOHN STEED: „Genau das ist passiert. Merkwürdig, nicht?“); während Mrs. Peel mit dem überaus religiösen und ständig vom „Weltuntergang“ redenden Bruder des Verstorbenen, Eli Barker (Talfryn Thomas), Kontakt aufnimmt (Rigg zu Macnee im Wagen und vor dem Haus von „Eli“: „Eine Chance für mich, meinen bäuerlichen Charme zu versprühen, hm?“), in dessen Domizil es, wie auch Mrs. Peel am eigenen Leib erfährt, an zahlreichen „durchlässigen“ Stellen reinregnet, widmet sich Steed einem Mann namens Jonah Barnard (Noel Purcell), der die „Times“ mit Leserbriefen über eine bevorstehende „zweite Sintflut“ überhäuft und möchte, dass sich alle Einwohner Englands Archen bauen; Steed wird von Barnard auf merkwürdige Natur-Phänomene hingewiesen (JONAH BARNARD zu JOHN STEED: „[...] Und nehmen Sie die Vögel. Die Vögel kommen in enormen Scharen aus dem Sumpfgebiet zu uns. Urplötzlich hört man aus jedem unserer Bäume einen gewaltigen Lärm aus Millionen von Vogelkehlen. Sie müssen dazu wissen, Mr. Steed, dass dieser Teil des Landes bekannt für seine Trockenheit ist, und doch werden wir seit Kurzem von Geschöpfen heimgesucht, die normalerweise nur Regionen mit großem Wasservorkommen bewohnen. Es liegt am Gleichgewicht der Natur, es ist außer Rand und Band. Unheil liegt in der Luft“) sowie auf eine merkwürdige, „permanente“ Wolke über der Schnaps-Fabrik „Grannie Gregson’s Glorious Grogs Inc.“, bei der sich auch der dem Alkohol zugeneigte Ted Barker des Öfteren herumgetrieben hat (JONAH BARNARD: „Mr. Steed, was würden Sie sagen, wenn Sie jeden Morgen dieselbe Wolke am Himmel sehen, an derselben Stelle? [...] Aber ich sehe sie täglich, dieselbe Wolke, an derselben Stelle am Himmel, und sie verändert sich nicht, sie wird nur jeden Tag ein bisschen größer“); Mrs. Peel taucht dann in weiterer Folge in der „Schnaps-Fabrik“ getarnt als „Freischaffende“ auf, die an der „Ted Barker“-Story interessiert ist, und findet in dem Fabrikleiter Dr. Sturm (Albert Lieven) einen abweisenden Gesprächspartner, den sie auch auf die riesigen „Wassertanks“ anspricht, über die die Fabrik verfügen soll, wobei sie, bevor sie vom Doktor, der von „strengsten Sicherheitsvorschriften“ spricht, mehr oder weniger „rausgeschmissen“ wird (EMMA PEEL: „Dann haben Sie wohl nichts dagegen, dass ich mich hier ein bisschen umsehe“ / DR. STURM: „Doch, ich habe etwas dagegen. Auf Wiedersehen, Mrs. Peel“), noch einen zufälligen Blick auf die offenbar innerhalb der Fabrik zahlreich vorhandene Regenschutz-Bekleidung werfen kann; „Ja, ich habe mir bereits ein Kanu bestellt“ („EMMA PEEL“ Diana Rigg zu „ELI BARKER“, der, ebenso wie „Jonah Barnard“, von der Idee der bevorstehenden Sintflut besessen scheint) – nachdem auch „Eli“ in der Nähe der Fabrik, der er gemeinsam mit Mrs. Peel einen heimlichen Besuch abstatten wollte, tot aufgefunden wurde, macht sich das Agenten-Duo mit seinem „meteorological equipment“ auf den Weg „to the deadly field“, um das Rätsel mit der „Killer-Wolke“ zu lösen (Dialog zw. Macnee & Rigg in den Räumlichkeiten von „Jonah Barnard“: JOHN STEED: „Irgendwie scheint mir hier zu viel Wasser im Spiel zu sein. Wie steht es um Ihre Kenntnisse in Meteorologie?“ / EMMA PEEL: „Mangelhaft bis ungenügend“ / JOHN STEED: „Am Bahnhof wartet eine komplette Ausrüstung. Im Normalfall würde ich sie abholen“ / EMMA PEEL, wissend, dass das „ein Auftrag“ an sie war, und ironisch: „Im Extremfall würden Sie sie abholen“ / JOHN STEED: „Wir treffen uns hier in einer Stunde. Ich muss ein bisschen Wein kaufen“)...; diese durchaus gelungene und durch die Naturkatastrophen-Thematik selbstredend irgendwie erstaunlich aktuelle „Zwei Großstädter auf dem Land“-„Avengers“-Folge „H2O – Tödliches Nass“, in der es tatsächlich, wie Macnee einmal, im Rahmen seiner dortigen Besuche als „Weinhändler“, zu der „Fabrik-Sekretärin Joyce Jason“ Sue Lloyd meint, „cats and dogs“ regnet, verfügt mit den Figuren des „Eli Barker“, welcher, wie‘s in dem Film Fargo (1996) der Coen-Brüder einmal über „Carl Showalter“ Steve Buscemi so überaus treffend heißt, „schräger als die meisten aussieht“, und des in der Tat „Charlton Heston in Die zehn Gebote-artigen“ „Jonah Barnard“ über sehr einprägsame Charaktere, die sich, sozusagen „im Rahmen ihrer Religiosität oder, wenn man so will, `Bigotterie`“, mitunter auch sehr amüsante Dialoge mit Macnee & Rigg liefern (Ausschnitt aus einer Unterhaltung zw. Noel Purcell & Macnee bzgl. „Mrs. Peel“, die im Grunde darauf basiert, dass „Peel“ „Steed“ die Nachricht hinterlassen hat, die Fabrik heimlich gemeinsam mit „Eli“ erkunden zu wollen: JONAH BARNARD: „Diese Mrs. Peel. Sie wirkt so wohlgeraten. Aber man sollte nie nach dem Äußeren gehen“ / JOHN STEED (erstaunt): „Sind Sie sicher, dass wir über dieselbe Frau reden?“ / JONAH BARNARD: „Ja, Mrs. Peel. Groß, gut gewachsen, sehr attraktiv. Es ist schade, wirklich schade, weil sie nicht wirkte, wie eine Sünderin“ / JOHN STEED (wiederum erstaunt): „Warum halten Sie sie dann für eine?“ / JONAH BARNARD: „Ihre Worte sprachen für sich. Sie kam herein und hinterließ eine Nachricht für Sie. Sie sollen nicht auf sie warten, denn sie ist dabei, sich in den Abgrund der Verdammnis zu begeben“ / JOHN STEED (nochmals erstaunt): „Mehr hat sie nicht gesagt?“); eine Figur, die überaus „British“ rüberkommt, ist jene des von John Kidd gespielten „Star-Meteorologen“ „Sir Arnold Kelly“, den sich Macnee & Rigg aufgrund der „absurden & `unbritischen` klimatischen Verhältnisse“ vor Ort zur Seite holen, wobei „Sir Arnold“ unter starker Kurzsichtigkeit leidet und zu Beginn der Zusammenarbeit, als er bei „Jonah Barnard“ auf das Agenten-Duo wartet und seine Brille erst putzen muss, sogar „Emma Peel“, ganz gemäß der oftmaligen „Rollen-Umkehr“ innerhalb der Serie, „for a man“ hält (aus dem zugehörigen „I can see clearly now“-Dialog zw. Macnee & John Kidd, wobei Rigg sich nach dessen „Schwachkopf-Sager“ mit einem Lächeln in Richtung „Sir Arnold“ „einbringt“: JOHN STEED: „Mrs. Peel, Sir Arnold Kelly“ / SIR ARNOLD KELLY, hat seine Brille wieder auf: „Oh, ist mir ein großes Vergnügen. Nur ein Schwachkopf könnte Sie mit einem Mann verwechseln“); eines der bekanntesten Zitate aus „H2O...“ ist der originale Emma-Peel-Satz: „You diabolical mastermind you“; und diese von Rigg eher „deadpan“ gesprochenen Worte, die wie eine „emotional unbewegte Analyse“ daherkommen, sind auf „Dr. Sturm“ bezogen, der soeben den Raum verlassen hat, in dem Rigg festgehalten wird, wobei Albert Lieven, welcher „sintflutartigen Regen auf Bestellung“ fabrizieren kann und seine „Regenmaschine“ an die Supermächte verkaufen will, hier sozusagen „das Vorbild“ für die Bösewicht-Rolle von Sean Connery in dem Mit Schirm, Charme und Melone-Kinofilm von `98 ist; Lieven macht seine Sache ganz ausgezeichnet und gibt ein „very sadistic diabolical mastermind“ ab, was in der „Folterszene“, in der Diana Rigg quasi auf eine Presse geschnallt wurde, die offiziell der Weinherstellung dient, am deutlichsten zum Ausdruck kommt, denn „Dr. Sturm“ erhöht sozusagen den Druck der besagten „press“ auf „Mrs. Peel“ in „kleinen Dosen“ (DR. STURM zu EMMA PEEL: „Noch ist der Druck nicht besonders stark, hm? Noch einen Zentimeter und dann werden Sie allmählich keine Luft mehr bekommen. Wir geben Ihnen jetzt Zeit zum Nachdenken, Mrs. Peel, bis wir zurück sind. Nur noch eine Spur mehr Druck und ihre Rippen werden sich verbiegen. Bald darauf werden sie durchbrechen. [...]“), und die Großaufnahmen, die dabei von der „suffering“ Diana Rigg präsentiert werden, gehören sicherlich mit zu den besten der „Black and White-Era“ von Mit Schirm, Charme und Melone; „Ich habe eine Schwäche für große, braune Augen“ („JOHN STEED“ zu „EMMA PEEL“ im „Epilog“, als sich die beiden auf den Heimweg nach London machen und nachdem Macnee noch ein „Ticket“ für „Barnard’s Arche“ erstanden hat, für den Fall, dass die Sintflut doch irgendwann kommt) – nun, keinesfalls unerwähnt im „Diana-Rigg-Zusammenhang“ darf ihre „rainwear“ bleiben, die sie in der Folge trägt, denn sowohl dieser „`Gummianzug` mit Badehaube“, den sie anhat, als sie sich mit „Eli Barker“ in Fabriknähe treffen möchte, ist ein „Hingucker“ als auch die „rain cap“, die sie im Rahmen des Schlusskampfes in der Fabrik trägt, bei dem sogar, „Hitchcock would have been happy“, eine subjektive Kameraperspektive zum Einsatz kommt, bei der man Rigg mitunter auch „aus der Perspektive ihres Widersachers“ sieht]

 

 

„[...] Seien wir doch logisch. Wenn man alles analysieren wollte und alles nach Erwägungen der Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit konstruieren, dann würde keine Spielfilmhandlung dieser Analyse standhalten, und es bliebe einem nur noch eins übrig: Dokumentarfilme zu drehen. [...] Von einem Mann, der Geschichten erzählt, zu verlangen, dass er der Wahrscheinlichkeit Rechnung trägt, das ist ebenso lächerlich, wie von einem gegenständlichen Maler zu verlangen, dass er die Dinge ganz genau abbildet. [...]“

 

(Alfred Hitchcock zu François Truffaut, im Rahmen ihres Gesprächs über Die 39 Stufen, zum Thema der „Wahrscheinlichkeit“, das „Hitch“ nicht als zentralen Teil der „fiction“, des „Erzählens von Geschichten“, betrachtet)

 

 

Have you ever heard of the `39 Steps`?“ (Copyright: „ANNABELLA SMITH“) – Alfred Hitchcock wollte, dass das Publikum sich seine Filme zumindest dreimal ansieht, um all die Details und Intentionen darin zu erkennen, um „deeper into things“ zu gehen.

Nun, Die 39 Stufen ist es, was auf so gut wie alle Hitchcock-Movies zutrifft, auf jeden Fall wert, mindestens „dreimal“ betrachtet zu werden, allerdings ist, wie immer, auch ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte sowie auf einzelne Motive des Werks lohnend.

Movies for the Masses“: Gegen Ende 1934 gab sich die Fachzeitung „Kinematograph Weekly“ begeistert von Hitchcock’s „erstklassigem Melodram“ „The Man Who Knew Too Much“ und dessen „ungekünstelter Fiktion“. Dem „British film director“ Hitchcock bescheinigte man, dass dieser, auf der Basis früherer negativer Erfahrungen, offenbar „gelernt habe“, dass „hohe Box-Office-Einkünfte“ ausschließlich mit einem „mass-appeal“ zu erreichen seien.

Mit dieser und zahlreichen anderen positiven Kritiken im Rücken machte sich der nunmehrige „Erfolgsregisseur“ Hitchcock daran, ein Nachfolgeprojekt zu kreieren, und da er und sein Drehbuchautor Charles Bennett mit Spionage- & Terrorismus-Motiven Erfolg gehabt hatten, wollte „Hitch“ diese „motives“ auch in das Treatment einfließen lassen, welches er und Bennett nun auf der Basis des John-Buchan-Erfolgsromans „Die neununddreißig Stufen“ verfassten, in dem der schottische Autor einen Aspekt miteinfließen hat lassen, den man später geradezu mit den Werken des „Master of Suspense“ untrennbar assoziierte, nämlich „das, gleichsam durch einen `Trick des Zufalls` hervorgerufene, Hereinbrechen des Terrors in das Leben eines Durchschnittsbürgers, der plötzlich vor der Polizei flüchten muss, deren Hilfe er im Grunde dringend benötigen würde“.

Trotz eines im Roman von Buchan, ohne Zweifel, vorhandenen „hohen Tempos“ gab sich Bennett unzufrieden mit den darin vorhandenen Charakteren und beklagte außerdem das Fehlen von Humor sowie von „opportunities for identification“.

Allerdings sah Bennett, und Hitchcock stimmte ihm diesbezüglich zu, gewisse „Entwicklungsmöglichkeiten“, vor allem, was den Bereich der „Verfolgungsjagd“ betraf.

Angesichts der erwähnten Schwächen haben der Regisseur und sein Drehbuchautor sich seinerzeit entschieden, die damals in Europa gerade kursierende und vor allem auch durch Hitler’s Fanatismus entfachte „Before-World-War-II“-Stimmung darin irgendwie zu berücksichtigen sowie dem Bedürfnis des Publikums nach „romantischen Geschichten gepaart mit Komik“ nachzukommen.

Genauso wie er das in seinem originalen „The Man Who Knew Too Much“-Film von `34 umgesetzt hatte, bei dem letztendlich nie ganz klar wurde, wer sich wirklich hinter dem Attentatsversuch verbarg oder welche „international affairs“ da auf dem Spiel standen, schwebte Hitchcock für Die 39 Stufen eine ganz ähnliche „Unklarheit“ vor.

Als „mysteriöses Handlungsmotiv“, das im Endeffekt weder „relevant noch wichtig“ ist, dafür aber die Story in Gang bringt, als „so called“ MacGuffin also, fungiert in Die 39 Stufen eben diese „geheime Formel“, gleichsam technische Daten „for a new kind of fighter planes“, und diese „formula“ ist in der Tat so ziemlich das Letzte, für was sich Hitchcock in den „39 Steps“ interessiert hat, denn: Im Vordergrund steht das „Abenteuer“, die „Jagd“, und dieses „militärische Geheimnis“, das man von „Mr. Memory“ erfährt, der, wie es der Hitchcock-Experte &-Biograf Donald Spoto einmal bezeichnet hat, mit seinen beiden Auftritten ganz zu Beginn und „in the end“ als so etwas wie ein „struktureller Dreh- und Angelpunkt“ innerhalb des Films fungiert, verliert schon kurz nach dem Beginn der Story an Bedeutung und „verblasst“ für das Publikum völlig, das in „The 39 Steps“ wohl eher das Gefühl hat, mit der „Universalität“ politischer Intrigen & „corruptness“ konfrontiert zu werden.

 

Das zentrale, beherrschende Thema von Die 39 Stufen ist, wie so oft bei Hitchcock, man denke da nur an Im Schatten des Zweifels (1943), Der Fall Paradin (1947), Der Fremde im Zug (1951), Vertigo – Aus dem Reich der Toten (1958), Der unsichtbare Dritte (1959), Frenzy (1972) oder Familiengrab (1976), sozusagen „Trust and Betrayal“ zwischen Mann und Frau, und dieses „subject“ wird im Laufe der 39-Stufen-Handlung, wie ich in der Inhaltsangabe schon mal kurz angedeutet habe, durch „gegensätzliche Paare“ verdeutlicht, durch den Landwirt & dessen Frau, durch die Wirtin & deren Mann, aber auch durch Professor Jordan & „his wife“.

„Hinzuerfunden“ für die Handlung (Anm.: Die Dialoge von Die 39 Stufen stammen, wie im Übrigen auch die Dialoge der beiden 1936 veröffentlichten Hitchcock-Filme Sabotage & Secret Agent, aus der Feder von Ian Hay, da das seinerzeit, wie er Truffaut erzählt hat, Hitchcock’s Arbeitsweise entsprach, den Film zunächst „ohne Dialog“ zu Papier zu bringen: „[...] Ich habe das Drehbuch zusammen mit Charles Bennett geschrieben. Ich erinnere mich, dass ich damals eine Methode erarbeitet hatte, die darin bestand, den Film bis in seine letzten Details schriftlich zu fixieren, aber ohne einen einzigen Satz vom Dialog. Ich stellte ihn mir als Episodenfilm vor und ich war in glänzender Form. Sobald wir mit einer Episode fertig waren, sagte ich: Hier brauchen wir wieder eine gute Kurzgeschichte. Der Inhalt jeder Szene sollte solide sein und einen kleinen Film für sich bilden“ – HITCHCOCK zu TRUFFAUT) wurde von Hitchcock & Bennett, neben dem als Schauplatz für Anfang und Ende dienendem Theater, aber auch die „Blondine Pamela“, für die es im Roman von Buchan schlichtweg keine Entsprechung gibt. Um eine „Neuerfindung“ handelte es sich auch bei der „unglücklichen brünetten Spionin Annabella Smith“, welche den „Helden wider Willen Richard Hannay“ in die ganze Geschichte hineinzieht, und „Miss Smith“ war ausdrücklich als „Gegenfigur“ zu „Pamela“ konzipiert.

Und ein weiterer bedeutender Abschnitt des Werks, nämlich der Aufenthalt von Robert Donat bei dem „Ehepaar John & Margaret Crofter“, der gewiss mit zu den „39 Steps“-Highlights zählt, ist ebenso der „Imagination“ von Hitchcock & Charles Bennett geschuldet („Trotz meiner Bewunderung für Buchan sind sehr viele Dinge in dem Film, die nicht im Roman sind. Zum Beispiel die Szene, in der Robert Donat nachts zu einem Bauern und seiner Frau kommt. Sie geht zurück auf eine sehr alte schlüpfrige Geschichte. Sie handelt von einem Burenfarmer in Südafrika, schrecklich streng, mit einem riesigen schwarzen Bart und mit einer jungen, unbefriedigten und liebeshungrigen Frau. Am Geburtstag ihres Mannes hat sie ein Huhn geschlachtet und eine Pastete daraus gemacht. Es ist ein stürmischer Abend, und sie hofft, dass die Pastete eine hübsche Überraschung für ihren Mann sein wird. Stattdessen wird der Mann wütend und wirft ihr vor, dass sie das Huhn geschlachtet hat, ohne ihn zu fragen. Ein trauriger Geburtstagsabend! Da klopft es an der Tür. Draußen steht ein hübscher Fremdling, der sich verirrt hat. Die Bäuerin bittet ihn herein und gibt ihm zu essen. Der Bauer hindert ihn daran, sich satt zu essen und sagt: `Davon müssen wir noch die ganze Woche leben.` Die junge Frau verschlingt den Fremden mit Blicken und fragt sich: Wie kann ich es nur anstellen, dass er mit mir schläft? Der Mann will den Fremden über Nacht in der Hundehütte unterbringen. Aber die Frau ist dagegen, und schließlich schlafen alle drei in dem großen Bett. Der Bauer schläft in der Mitte. Die Frau würde alles machen, um ihren Mann loszuwerden. Als sie ein Geräusch hört, weckt sie ihren Mann und sagt: `Ich glaube, die Hühner sind draußen.` Darauf steht der Mann auf, man hört seine Schritte im Hof. Die Frau rüttelt den Fremden wach und sagt: `Schnell, schnell, mach, jetzt ist der geeignete Augenblick.` Schnell steht der Fremde auf und – verschlingt den Rest der Hühnerpastete“ – HITCHCOCK zu TRUFFAUT).

Auf der Ebene der Motive muss man, neben dem bekannten „shifting identities“-Thema („Hannay“ agiert im Laufe der Handlung auch als „Milchmann“ oder als „Politiker“), das man ebenso aus dem „großen, amerikanischen Bruder“ von Die 39 Stufen, nämlich Der unsichtbare Dritte, kennt und bei dem stets die Kluft zwischen „appearance“ und „reality“ eine Rolle spielt, auch erwähnen, dass Robert Donat’s „fish-supper“ für „Annabella Smith“ Lucie Mannheim im Film, während „Richard Hannay’s journey“, dann an zwei Stellen gleichsam „dupliziert“ wird, nämlich durch Peggy Ashcroft‘s „fish-supper“ auf dem Bauernhof und durch das „Sandwich-supper“, das Donat gemeinsam mit Madeleine Carroll in dem schottischen Gasthof zu sich nimmt.

 

Do you think I’m looking forward to waking up in the morning and seeing your face beside me, unwashed and shiny? What a sight you’ll be“ („RICHARD HANNAY“ im Original zu „PAMELA“) – natürlich wurden die beiden Hauptdarsteller von Hitchcock mit besonderer Sorgfalt ausgewählt, und Oscar-Preisträger* Robert Donat (1905 – 1958; z. B.: 1936: Ein Gespenst geht nach Amerika / 1939: Auf Wiedersehen, Mr. Chips*) nahm die Rolle in den 39 Stufen vor allem deswegen an, weil er darin die Möglichkeit zur „romantischen Komödie“ sah, wobei er bei der Vertragsunterzeichnung noch immer nicht wusste, mit welcher Frau er das Hitchcock’sche „bonded pairs“-Motiv, das in diesem Fall gleichsam von einer „forced closeness“ zu einer „real romance“ führt, umsetzen sollte.

Am 9. Jänner 1935, zwei Tage vor Drehbeginn (die Premierenvorstellung fand dann am 6. Juni 1935 im „New Gallery Theatre“ in London statt), übernahm schließlich Madeleine Carroll (1906 – 1987) die Rolle der „Pamela“. Carroll, die ursprünglich Lehrerin war und erste Schauspielerfahrungen bereits in der Stummfilmzeit sammelte, galt zu diesem Zeitpunkt, dank Rollen wie jener der „Mary Warburton“ in John Ford’s Drama Das Leben geht weiter (1934), bereits als ein „big glamorous star“ und wurde sozusagen für Die 39 Stufen wieder „aus Amerika zurückgeholt“.

Hitchcock war angetan von Carroll’s Eleganz und „kühler Schönheit“, die aber, einer wahren Hitchcock-Heldin entsprechend, mit so genanntem „Sex-Appeal“ gepaart war, und in gewisser Weise stellt Carroll tatsächlich „the first blonde“ dar, die ein „real Hitchcock-type“ war, und somit ist die gebürtige Britin quasi so etwas wie das „role model“ für „alle Hitchcock-Frauen, die später noch kamen“, für Grace Kelly & Co also.

There are 20 million women in this island and I’ve got to be chained to you“, meint „Richard Hannay“ einmal im Original zu „Pamela“ im Rahmen eines „nächtlichen Spaziergangs mit Handschellen in der schottischen Landschaft“, nachdem es ihnen gelungen war, den Handlangern von „Professor Jordan“ zu entkommen.

Nun, zu den ersten gemeinsamen Donat-Carroll-Aufnahmen, die gedreht wurden, gehörte die „Flucht in `handcuffs`“ vor den „spies“ aus dem Auto, das bei einer kleinen Brücke von zahlreichen Schafen aufgehalten wird, und Hitchcock, was nicht ganz „untypisch“ für den „Meister der Suspense“ war, nutzte die Gelegenheit für einen „kleinen, bösen Scherz“.

Nachdem man Carroll & Donat, die sich soeben erst kennengelernt hatten, Handschellen angelegt und Hitchcock dann mit ihnen in der Studio-Dekoration geprobt hatte, verschwand der Regisseur nämlich unter dem Vorwand, er müsse ein „technisches Problem“ lösen, und ließ die beiden Schauspieler bis zum Nachmittag, bis zur „tea time“, angekettet, da er dann zwischenzeitlich auch noch behauptete, er hätte den Schlüssel verloren, der aber stets beim Studio-Wachmann deponiert war.

The two actors“, die Crew sowie die übrigen „actors“ zeigten sich „schockiert“ von diesem „trick“, aber Hitchcock ging es, nach Eigenaussage, sozusagen um die Verdeutlichung des „speziellen Schreckens“, der damit einhergeht, „aneinander gefesselt zu sein“.

 

 

[To be continued...]

 

 

(ENDE der TEILE 2.1.1 & 2.1.2; Fassungen vom 07.07.2025 & 10.07.2025)